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33. Entscheid vom 2. Oktober 1959 i.S. Kredit- und Verwaltungsbank Zug AG gegen Gazzola und Konsorten. | |
Regeste |
Eröffnung des Konkurses über eine Bank (Art. 36 BankG, 55 Abs. 2 VV). |
2. Darf das Konkursgericht ein erst nach dem Konkursbegehren hängig gewordenes Gesuch um bankenrechtliche Stundung (Art. 29 BankG, 46 VV) in entsprechender Anwendung von Art. 173 a SchKG berücksichtigen? Frage offen gelassen. Ein solches Gesuch fällt jedenfalls nicht mehr in Betracht, wenn es erst seit dem kantonalen Konkurserkenntnis gestellt worden ist (Erw. 2). |
3. Zu einem Konkursbegehren nach Art. 190 SchKG ist jeder einzelne Gläubiger befugt, gleichgültig ob seine Forderung schon fällig ist (Erw. 3). |
4. Wann liegt Zahlungseinstellung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG vor? (Erw. 4). |
5. Weiterziehung an das Bundesgericht wegen Unangemessenheit (Art. 55 Abs. 2 VV): Sie kommt nur in Frage, wenn und soweit der angefochtene Entscheid in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt war (Erw. 5). |
6. Wird der Weiterziehung des Konkurserkenntnisses aufschiebende Wirkung nach Art. 36 SchKG erteilt und bis zum Rekursentscheid beibehalten, so erhält die Konkurseröffnung im Falle der Bestätigung das Datum des Rekursentscheides (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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"Konto-Korrent, Einlagehefte, Sparhefte, Depositen-Konto, Kassa-Obligationen.
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Auf Grund der am letzten Wochenende erfolgten Publikation befürchten wir einen sogenannten ,Run'.
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Aus vorsorglichen Gründen und zur Abwendung von Privilegien werden bis auf weiteres keine Kapitalrückzüge vorgenommen."
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Demgemäss verweigerte die Bank jede solche Kapitalauszahlung. Gläubiger, die auf schriftlichem Wege Kapital abzuheben wünschten, erhielten ein vervielfältigtes Schreiben zugestellt, dem zu entnehmen war:
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"Wir besitzen Ihre Zuschrift vom ... und teilen Ihnen höflich mit, dass in letzter Zeit von gewisser Seite mindestens sehr tendenziöse, kreditschädigende Publikationen erschienen sind. Zur Selbstverteidigung und zur rechtsgleichen Wahrung aller Gläubigerinteressen haben wir zur Abwendung eines sogenannten ,Run' auf unsere Bank vorübergehend jede Auszahlung zu Lasten der Anlage-Konti gesperrt.
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Wir hoffen, den Zahlungsdienst, wenn die Sache einmal etwas abgeebnet ist, in circa drei bis vier Wochen wieder aufnehmen zu können."
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Unter dem 19. August 1959 erliess die Bank folgende Mitteilung an die Presse:
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"...
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3. Seit Jahren liegt unsere Bank im Rechtsstreit mit der eidg. Bankenkommission wegen der Bewertung einzelner Aktivpositionen. Die Bankbilanzen sind Jahr für Jahr durch die aktienrechtliche Kontrollstelle geprüft und für richtig befunden worden. Die Verbindlichkeiten der Bank sind gemäss diesen Bilanzen und Kontrollberichten durch die vorhandenen Aktiven gedeckt.
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B.- Indessen hatten bereits am 18. August 1959 fünf Gläubiger der Bank beim Kantonsgericht Zug als der einzigen kantonalen Instanz nach Art. 36 Abs. 5 BankG die sofortige Eröffnung des Konkurses über die Schuldnerin wegen Einstellung der Zahlungen (Art. 190 Ziff. 2 SchKG) verlangt.
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D.- Die Bank erhielt das Konkurserkenntnis zunächst, am 26. August 1959, nur im Dispositiv zugestellt, mit dem Vermerk, die vollständige Ausfertigung des Entscheides werde ihr später zugehen. Gleichen Tages erhob sie Rekurs an das Bundesgericht gemäss Art. 55 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum Bankengesetz, mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Konkursbegehren, soweit darauf einzutreten sei, abzuweisen. Sie behielt sich eine Ergänzung der Rekursbegründung nach Empfang des vollständigen Entscheides vor und verlangte, dass dem Rekurs aufschiebende Wirkung beigelegt werde, was geschah. Nach Zustellung des mit Begründung ver sehenen Entscheides am 28. August reichte die Bank am 7. September eine zusätzliche Rekursbegründung ein.
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E.- Die Gläubiger, die das Konkursbegehren gestellt hatten, trugen auf Abweisung des Rekurses an. Die Bankenkommission äusserte sich am 4. September zum vorläufigen Rekurs und am 17. September zur Rekursergänzung, ohne einen formellen Antrag zu stellen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Entscheidungen der als einzige kantonale Instanz eingesetzten Konkursgerichte unterliegen dem Rekurs an das Bundesgericht nach den Vorschriften über die Weiterziehung von Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs (Art. 55 Abs. 2 VV zum BankG). Somit läuft die Weiterzugsfrist vom Empfang des mit Begründung versehenen Entscheides an (Art. 19 SchKG, 77 Abs. 1 OG). Es ist daher auch auf die ![]() | 15 |
Anderseits stand der Rekurrentin frei, bereits im vorläufigen Rekurs die Erteilung aufschiebender Wirkung nachzusuchen. Diesem Gesuche war mit Rücksicht auf die in Frage stehenden Interessen und auf die Unvollständigkeit der Akten zu entsprechen. Es waren die Entscheidungsgründe des Kantonsgerichts und die allfällige Rekursergänzung abzuwarten, die in der Tat einging, worauf noch Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 81 OG).
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2. In der ergänzenden Begründung verweist die Rekurrentin auf das von ihr erst seit dem angefochtenen Entscheid eingereichte Stundungsgesuch nach Art. 29 BankG. Dieses Gesuch kann jedoch nicht mehr als Grund zur Aussetzung des Entscheides über die Konkurseröffnung berücksichtigt werden. Nach Art. 46 Abs. 2 VV zum BankG ist ein Stundungsgesuch vorweg zu erledigen, wenn es vor dem Konkursbegehren angebracht worden ist, was hier nicht zutrifft. Freilich erhebt sich die Frage, ob nicht die bei der Teilrevision des SchKG vom 28. September 1949 eingeführte "Kann"-vorschrift des Art. 173 a auch auf Gesuche um bankenrechtliche Stundung anwendbar sei, ob also ein solches Gesuch, wenn auch nicht unbedingt, so doch unter Umständen nach Ermessen des Konkursgerichts, ebenso wie ein Gesuch um Bewilligung einer Nachlassstundung oder einer Notstundung die Aussetzung des Konkurserkenntnisses zu rechtfertigen vermöge, sofern es auch nur vor dessen Ausfällung hängig gemacht worden ist. Die Bejahung dieser Frage liegt nahe angesichts des Art. 32 Abs. 1 BankG, wonach die bankenrechtliche Stundung die in Art. 317 g SchKG umschriebenen Wirkungen einer Notstundung hat. Wie dem aber auch sei, kann ein Gesuch um bankenrechtliche Stundung nicht mehr zur Aussetzung des Konkurserkenntnisses führen, wenn es erst nach einer in kantonaler Instanz ausgesprochenen Konkurseröffnung gestellt wird. Im Rekursverfahren vor Bundesgericht ist ein solches Stundungsgesuch - als eine ![]() | 17 |
3. Belanglos ist der Einwand, der eine der fünf Gesuchsteller sei (als blosser Mit-, nicht Alleininhaber zweier Sparhefte) nicht legitimiert gewesen, ein Konkursbegehren zu stellen. Jedenfalls war auf die Begehren der vier andern Gesuchsteller einzutreten. Die Rekurrentin hält freilich dafür, auch deren Begehren seien, mangels Fälligkeit ihrer Forderungen, unzulässig gewesen. Diesem Einwand hält ![]() | 18 |
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Im übrigen hat die Rekurrentin der Vorinstanz keine konkreten Belege über die Möglichkeit einer baldigen Sanierung unterbreitet, sondern nur ihre Absicht betont, die Zahlungen in zwei bis drei Wochen wieder aufzunehmen. Die neuen Ausführungen in der Rekursergänzung (S. 3-5) sind unbeachtlich. Sie wären auch gar nicht geeignet, die Ergebnisse der bankengesetzlichen Revisionen zu widerlegen. Tun sie doch gerade dar, dass die Rekurrentin ihre Verpflichtungen nicht mehr aus eigenen Mitteln erfüllen kann, sondern schwer überschuldet ist und nur mit grossen (angeblich - unter Bedingungen - zugesicherten) fremden Mitteln sich sanieren könnte.
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Unter diesen Umständen lässt sich gegen die auf Art. 190 Ziff. 2 SchKG gestützte Konkurseröffnung rechtlich nichts einwenden. Nach Ansicht der Rekurrentin liegt zwar weder eine allgemeine noch eine dauernde und endgültige Zahlungseinstellung vor: Die Sperre betreffe nur die in der Mitteilung an die Kundschaft genannten Geschäftszweige. Auf andere Verpflichtungen, z.B. den Zinsendienst oder neue, nach Erlass der Sperre zur Abwicklung gelangende Geschäfte, beziehe sich diese Massnahme nicht.
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a) Von der Einstellung "seiner" Zahlungen ist nicht nur bei Einstellung sämtlicher Zahlungen zu sprechen. Die Anwendung von Art. 190 Ziff. 2 SchKG ist auch schon dann gerechtfertigt, wenn sich die Zahlungssperre auf einen wesentlichen Teil des Geschäftsbetriebes bezieht. So verhält es sich, wenn eine Bank, wie im vorliegenden Falle, ihrem ganzen Kundenkreis aus dem Kontokorrent -, Sparheft-, Kassa-Obligationen - Geschäft usw. mitteilt, sie leiste keine Zahlungen mehr. Wie die Vorinstanz an Hand des Jahresberichtes 1958 der Rekurrentin feststellt, handelt es sich dabei wert- und zahlenmässig um den überwiegenden Teil der Gläubiger. Die Behauptung, andere Verpflichtungen würden weiterhin erfüllt, ist übrigens durch nichts belegt. Dazu kommt, dass Zahlungen an einzelne Gläubiger bei der gegebenen Sachlage auf eine Gläubigerbegünstigung hinauslaufen würden, wie die Bankenkommission zutreffend bemerkt.
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b) Um einer in solchem Umfang erfolgten Einstellung der Zahlungen die Bedeutung eines Konkursgrundes im Sinne von Art. 190 Ziff. 2 SchKG abzusprechen, müsste man sie auf aussergewöhnliche Umstände vorübergehender Natur zurückführen können, so dass die Zahlungsfähigkeit nicht in Frage gestellt wäre. Einen solchen Sachverhalt vermag die Rekurrentin nicht darzutun. Wohl mag die Verhaftung eines Direktors und deren Bekanntwerden eine plötzliche "Run"-Gefahr geschaffen haben. Die hierauf von der Bank angeordnete Zahlungssperre liess aber eine auf wirklicher Zahlungsunfähigkeit beruhende Gefahr für die Gläubigergesamtheit vermuten. Dies um so mehr, als seit längerer Zeit Strafuntersuchungen gegen Organe der Bank hängig sind und sie, laut ihrer eigenen Mitteilung an die Presse, seit Jahren wegen der Bewertung von Aktivpositionen "im Rechtsstreit mit der eidgenössischen Bankenkommission liegt". Zur Entkräftung dieser Vermutung hätte es konkreter Beweise der Zahlungsfähigkeit ![]() | 25 |
5. Falls der angefochtene Entscheid als rechtmässig befunden wird, möchte ihn die Rekurrentin dennoch nicht gelten lassen, da er unangemessen, d.h. unzweckmässig sei. Denn einerseits ziehe der Konkurs einer Bank mit Sicherheit für viele Gläubiger eine erhebliche Gefährdung ihrer Rechte nach sich, und anderseits erscheine es als untunlich, einen so zahlreiche Gläubiger in Mitleidenschaft ziehenden Konkurs mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf das Begehren einiger weniger Gläubiger auszusprechen. Diese Betrachtungsweise vermag gegenüber Art. 190 Ziff. 2 SchKG nicht durchzudringen. Allerdings können nach dem zweiten Satz von Art. 55 Abs. 2 VV zum BankG alle Entscheide des Konkursgerichtes und der Nachlassbehörde auch wegen Unangemessenheit an das Bundesgericht weitergezogen werden (abweichend von Art. 19 SchKG, wonach der Rekurs an das Bundesgericht in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, im Unterschied zu den im Bereich der kantonalen Instanzen geltenden Art. 17 und 18 SchKG, nur wegen Gesetzwidrigkeit zulässig ist, abgesehen von der Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung). Indessen hat jene ![]() | 26 |
Die besondere Frage, ob einer andern Art der Liquidation oder einer Sanierung der Vortritt vor der Eröffnung ![]() | 27 |
6. Die dem Rekurs nach Art. 36 SchKG erteilte aufschiebende Wirkung ändert nichts daran, dass das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid gemäss Art. 75 ff. OG lediglich auf Grund der bei seiner Ausfällung bereits eingetretenen Tatsachen zu beurteilen hat. Dagegen hat die Aufschiebung des Vollzuges des kantonalen Konkurserkenntnisses nun zur Folge, dass als Datum der Konkurseröffnung dasjenige des heutigen Entscheides zu gelten hat, der erst den Hinfall der aufschiebenden Wirkung des Rekurses ausspricht. Nach früherer Auffassung wäre bei Erteilung aufschiebender Wirkung "das ganze Konkurserkenntnis suspendiert"; "wird es aber von der Berufungsinstanz bestätigt, so ist nicht etwa das Datum ihres ![]() ![]() | 28 |
Das Datum der Konkurseröffnung ist somit das des heutigen Entscheides, und zwar das der Ausfällung, womit die Rechtskraft eintritt (Art. 38 OG).
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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1.- Der Rekurs wird abgewiesen und der angefochtene Entscheid bestätigt.
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