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33. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1960 i.S. Isaza & Cie gegen Nachlassliquidationsmasse Primateria SA | |
Regeste |
Konkursprivileg der Forderungen des Agenten aus dem A genturvertrag, Art. 219, Dritte Klasse, lit. c SchKG: |
a) dass der Agenturvertrag (nach Art. 418b Abs. 2 OR) dem schweizerischen Recht unterstehe (Erw. 2); |
b) dass "der Agent" eine natürliche Einzelperson sei; auch einer Agenturfirma in Gesellschaftsform steht es zu (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Mit Berufung an das Obergericht anerkannte die beklagte ![]() | 2 |
a) Für die Auffassung, das Konkursprivileg bestehe nur für inländische Agenten, nicht aber für solche mit Sitz im Ausland, biete das Gesetz keine Handhabe, und sie wäre ein Unrecht gegenüber ausländischen Agenten. Im Vollstreckungsverfahren der Schweiz seien die Ausländer den Inländern gleichgestellt; auch den ausländischen Gläubigern kämen die Konkursprivilegien des schweizerischen Rechts zugute.
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b) Es könne hier dahingestellt bleiben, ob das privatrechtliche Verhältnis der Klägerin zur Primateria SA dem columbianischen Recht unterstehe (das keine Regelung des Agenturvertrages enthalte). Die Zwangsvollstreckung in der Schweiz unterliege ausschliesslich dem schweizerischen Rechte, und so seien auch die Begriffe des Agenten und des Agenturvertrages in Art. 219 SchKG schweizerischen Rechtes. Würde auf das jeweilen für die privatrechtlichen Beziehungen geltende ausländische Recht abgestellt, so könnte das im Konkurs eines schweizerischen Unternehmens mit einander gleichgestellten Agenten in verschiedenen fremden Ländern dazu führen, dass die einen des Konkursprivilegs teilhaftig wären, die andern aber nicht, was nicht richtig sein könne. Mögen die Voraussetzungen für die Privilegierung einer Forderung in gewissen Fällen, z.B. familienrechtlicher Art, nach ausländischem Privatrecht zu beurteilen sein (GULDENER, Internationales und interkantonales Zivilprozessrecht, S. 184, N. 23), so liege bei einem obligationenrechtlichen Verhältnis wie hier keine ![]() | 4 |
c) Wohl aber wolle das Konkursprivileg des Agenten nur Einzelpersonen, natürliche Personen schützen, nicht aber Agenturen in Gesellschaftsform und insbesondere nicht grosse Unternehmen, wie die Klägerin eines sei. In der Aufstellung von Konkursprivilegien in Art. 219 SchKG habe der Gesetzgeber seit einigen Jahrzehnten die ursprüngliche Zurückhaltung in zunehmendem Masse fallen lassen, immer mehr Privilegien gewährt und damit den Konkurs seinem wirklichen Zweck - möglichst gleichmässige Berücksichtigung der Gläubiger - zunehmend entfremdet. Diese Entwicklung dürfe nicht noch gefördert werden durch eine weite Auslegung der Umschreibung der privilegierten Gläubigerklassen in Art. 219 SchKG; vielmehr seien diese nur so weit zu ziehen, wie es der strikte Wortlaut des Gesetzes vorschreibe, was schon der Charakter der Konkursprivilegien als Ausnahmebestimmungen nahe lege. Hieraus ergebe sich für den vorliegenden Fall folgendes: Wenn die neue lit. c in der 3. Klasse von "Forderungen des Agenten" aus dem Agenturvertrag rede, so heisse das wörtlich "des Mannes, der den Beruf eines Agenten betreibt", nicht aber "der Gesellschaft, die Agenturgeschäfte macht"; insbesondere seien "festgegründete Handelsgesellschaften" wie die Klägerin vom Wortlaut nicht umfasst, während die Frage offen bleiben könne bezüglich Agenten, die sich für ein Geschäft zu einer einfachen Gesellschaft zusammentun, da hier doch der Einzelne im Vordergrund stehe. Die Beschränkung des Agentenprivilegs auf natürliche Personen sei auch innerlich gerechtfertigt. Das Gesetz wolle den Lohn der persönlichen Arbeit schützen, nicht den Ertrag einer juristischen Person oder andern Handelsgesellschaft. Alle privilegierten Forderungen aus Dienstleistungen in der 1. und lit. a) der 3. Klasse ständen ausschliesslich Einzelpersonen zu, zumal die den Agentenforderungen am ehesten vergleichbaren Guthaben der Handelsreisenden. Da wäre es eine ungerechtfertigte Besonderheit, ![]() | 5 |
B.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Firma Isaza mit dem Antrag auf Kollozierung der ganzen Forderung von Fr. 163'907.30 in 3. Klasse, event. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung. Sie bezeichnet die Annahme der Vorinstanz, das Konkursprivileg stehe nur natürlichen Einzelpersonen, nicht aber Agenturen in Gesellschaftsform zu, als bundesrechtswidrig.
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Die Berufungsklage trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Dass sich das Tätigkeitsgebiet des Agenten in der Schweiz befinde, bildet die Voraussetzung nur dafür, dass das interne privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Agent vom schweizerischen Recht, d.h. eben vom Abschnitt des OR über den Agenturvertrag (Art. 418 a-v OR) beherrscht werde. Keinesfalls kann daraus hergeleitet werden, nur der obligationenrechtlich diesem Recht unterstehende Agent sei des Privilegs des Art. 219 3. Klasse lit. c teilhaftig. Dieses Privileg ist freilich im Zusammenhang mit dem Erlass der neuen Bestimmungen des OR über den Agenturvertrag in Art. 2 der Schlussbestimmungen ![]() | 10 |
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Im Wortlaut des Art. 219 3. Klasse lit. c kann der Begriff "Agent" nicht mit dem "Mann, der den Beruf eines Agenten betreibt", gleichgesetzt werden. Zum vornherein fällt selbstverständlich auch eine Frau, die diesen Beruf ausübt, darunter. Das Wort "des Agenten" sagt gar nichts darüber, was für Rechtssubjekte Agent sein können, sondern bloss, dass das Privileg der Forderungen aus Agenturvertrag nur einseitig ist: nur die Forderungen des Agenten im Konkurs des Auftraggebers, nicht aber diejenigen des Auftraggebers im Konkurs des Agenten sind privilegiert. Das Wort bezeichnet also nur den einen Vertragspartner des Agenturvertrags im Gegensatz zum andern. Alle Gesetze verwenden in diesem Sinne die Ausdrücke "der Käufer, der Mieter, der Pächter, der Schuldner", ohne dass jemand auf den Gedanken käme, es könne nur "ein Mann", jedenfalls nur eine natürliche und eine Einzelperson dieser Vertragspartner sein. Ebensowenig lässt sich für diese Auffassung daraus ableiten, dass in den Bestimmungen über den Agenturvertrag Umstände eine Rolle spielen, die nur bei einer natürlichen Person eintreten können (Art. 418 a: Nebenberuf; m: Krankheit, Militärdienst; s: Tod, Handlungsunfähigkeit; u: Erben); es liegt auf der Hand, dass das den internen Vertrag regelnde Gesetz diese Umstände berücksichtigen muss im Hinblick auf die Fälle, wo tatsächlich ![]() | 12 |
Lässt sich somit dem Gesetze keine Unterscheidung zwischen natürlichen Personen und Agenturfirmen in Gesellschaftsform entnehmen, so liefert auch der Grad der tatsächlichen Abhängigkeit derselben vom Auftraggeber und die wirtschaftliche Stärke kein Unterscheidungsmerkmal. Das Gesetz hat dem Umstand, dass der Agent nicht in einem Dienstvertrag steht, sondern ein selbständiger Gewerbetreibender ist, diese Selbständigkeit jedoch mehr eine rechtlich-begriffliche ist, während er tatsächlich und wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig ist, dadurch Rechnung getragen, dass es ihn nicht wie die Dienstpflichtigen in der ersten, sondern nur in der 3. Klasse privilegiert (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 1947 III S. 686 f.). Die Gesellschaftsform einer Agenturfirma (Kollektiv-, Kommandit-, Aktiengesellschaft) bildet an sich kein Indiz für grössere Unabhängigkeit vom Auftraggeber und finanzielle Stärke. Wie die Berufungsklägerin ausführt, kann ein Agent gerade mangels genügender eigener Mittel oder persönlichen Kredites genötigt sein, sich zur Erhöhung derselben einen Gesellschafter zu assoziieren, wie z.B. in casu ![]() ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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