BGE 86 III 154 | |||
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34. Urteil der H. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1960 i.S. Oftinger gegen Welti. | |
Regeste |
Gründerhaftung bei der Aktiengesellschaft. Geltendmachung des durch Schädigung der Gesellschaft den Aktionären und Gesellschaftsgläubigern verursachten mittelbaren Schadens. Art. 756 Abs. 2 OR, 260 SchKG. |
2. Wann steht weder der Gesellschaft (und ihrer Konkursmasse) noch einem Gläubiger, der an der Gründung mitgewirkt hatte, ein Anspruch aus Art. 753 OR zu? (Erw. 2). |
3. Der Anspruch des einzelnen Aktionärs oder Gläubigers auf Ersatz seines mittelbaren Schadens geht im Konkurs der Gesellschaft nicht auf die Konkursmasse über. Nur das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche steht in erster Linie der Konkursverwaltung zu (Art. 756 Abs. 1 OR). Eine Abtretung nach Art. 756 Abs. 2 OR an einen Gläubiger kann (neben den Ansprüchen der Gesellschaft, gemäss Art. 260 SchKG) nur seine eigenen Ansprüche betreffen, nicht auch diejenigen anderer Gläubiger oder Aktionäre (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 2. April 1952 wurde die Appartementhaus Platte AG in Zürich gegründet mit einem Aktienkapital von Fr. 50'000.--, eingeteilt in 50 Namenaktien zu Franken 1000.--. Davon zeichneten 25 Stück Heinrich Welti, 24 Stück Fritz Maurer und 1 Stück Dr. Hugo Oftinger, Rechtsanwalt und Notar in Muri (Aargau). Die konstituierende Generalversammlung wählte die Genannten mit Kollektivunterschrift je zu zweien in den Verwaltungsrat, Dr. Oftinger als dessen Präsident. Die Aktien sollten zu 40% liberiert werden. Welti borgte die dazu nötige Summe von Fr. 20'000.-- bei seinem Bruder und zahlte sie ihm sogleich nach der Gründung zurück. Er hatte diese Rückzahlung von vornherein beabsichtigt, da es ihm lediglich darum zu tun war, den Schein einer Bargründung zu erwecken.
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B.- Am 3. Juni 1952 trat Welti von seinem Verwaltungsratsposten zurück. Die Generalversammlung erteilte ihm gleichen Tages Entlastung. Von da an amtete Dr. Oftinger als einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied der Verwaltung. Welti verkaufte ihm im Juni 1952 seine 25 Aktien.
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D.- Am 26. Februar 1957 trat die Konkursverwaltung ihm und zwei andern Gläubigern eine Forderung von Fr. 70'000.-- aus Gründerhaftung des ehemaligen Verwaltungsrates Welti ab (es handelte sich ausser dem Entzug des auf das Aktienkapital einbezahlten Betrages von Fr. 20'000.-- um die Verwendung eines Schuldbriefbetrages). Die einzig von Dr. Oftinger erhobene Klage wurde vom Bezirksgericht Horgen im Teilbetrag von Fr. 16'000.-- nebst Zins gutgeheissen, aus folgenden Gründen: Eine Haftung des Beklagten für den in Frage stehenden Schuldbriefbetrag könne nicht angenommen werden. Dagegen hafte er für den Entzug des nur zum Schein einbezahlten Aktienbetrages von Fr. 20'000.--. Die andern beiden Gründer, Maurer und Dr. Oftinger, seien solidarisch mitverantwortlich; denn der Beklagte habe sein Vorgehen zuvor mit Maurer vereinbart, und Dr. Oftinger habe bei den Vorbesprechungen wahrscheinlich davon erfahren, zum mindesten aber durch ungenügende Erkundigung über die Art der Kapitalbeschaffung bei der Gründung fahrlässig gehandelt. Im innern Verhältnis unter den drei Gründern bestünden Rückgriffsansprüche gemäss dem Grad ihres Verschuldens. Es erscheine als angemessen, den Beklagten und Maurer letztlich je mit zwei Fünfteln und den Kläger mit einem Fünftel des Schadens zu belasten. Nach der Lebenserfahrung sei die Gesellschaft um den Betrag der ihr sofort wieder entzogenen Mittel von Fr. 20'000.-- geschädigt worden. Der Beklagte könne somit gegenüber dem Kläger eine Rückgriffsforderung von Fr. 4000.-- verrechnen, was zu einer Urteilssumme von Fr. 16'000.-- führe.
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E.- Das Obergericht des Kantons Zürich, an das beide Parteien (der Kläger anschlussweise) appellierten, hat mit Urteil vom 25. März 1960 die Klage abgewiesen. Es geht davon aus, trotz dem Wortlaut des wie üblich für Abtretungen nach Art. 260 SchKG verwendeten Konkursformulars Nr. 7 sei als Gegenstand der Abtretung nicht nur der Anspruch der Konkursmasse, sondern auch der persönliche Anspruch des Klägers als Gesellschaftsgläubigers zu betrachten, der nach Art. 756 OR eben erst kraft des Verzichtes der Masse zu dessen Geltendmachung befugt sei. Indessen stehe dem Kläger gegen den Beklagten aus eigenem Recht kein Schadenersatzanspruch zu; denn er habe nach dem Ergebnis der Beweisführung "der Rückerstattung des Gründungskapitals der Appartementhaus Platte AG an den Beklagten in voller Kenntnis der wirklichen Sachlage zugestimmt". Dadurch habe er übrigens ausserdem seine eigenen gesetzlichen Pflichten als Gründer und Verwaltungsrat grob verletzt. Er könne nichts zu seinen Gunsten daraus herleiten, dass er später der Gesellschaft einen Betrag von Fr. 20'000.-- aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt habe. Aber auch der Gesellschaft, deren Ansprüche dem Kläger gleichfalls abgetreten worden seien, stehe kein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten zu. Das Wissen und Dulden der drei Gründer sei der Gesellschaft als solcher zuzurechnen, sie sei daher auch selbst nicht widerrechtlich geschädigt worden.
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F.- Mit rechtzeitiger Berufung an das Bundesgericht hält der Kläger an der bereits vor Obergericht auf Fr. 20'000.-- nebst Zins beschränkten Forderung fest.
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Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Was die Parteibezeichnung betrifft, so möchte der Kläger (entsprechend der Weisung des Friedensrichteramtes Kilchberg an das Bezirksgericht Horgen) nicht sich selbst, sondern die Konkursmasse der Appartementhaus Platte AG, vertreten durch den Abtretungsgläubiger: Dr. Hugo Oftinger..., als klagende Partei genannt wissen. Damit würde dem vorgedruckten Text des von der Konkursverwaltung verwendeten Abtretungsformulars Rechnung getragen, wonach der Kläger "zur Geltendmachung dieser Rechte auf eigene Rechnung und Gefahr, aber im Namen der Masse... ermächtigt" ist. Trotz diesem Formulartext war es jedoch längst Übung geworden, auf einer Abtretung gemäss Art. 260 SchKG beruhende Klagen von Konkursgläubigern in deren eigenem Namen, allenfalls mit einem auf die konkursrechtliche Abtretung hinweisenden Zusatz, zu erheben (vgl.BGE 65 III 142,BGE 79 III 174). Art. 260 SchKG gebietet denn auch keineswegs die Klageführung im Namen der Masse; er spricht vielmehr von deren Verzicht und von der Abtretung an einzelne Gläubiger, was freilich nicht als zivilrechtliche Abtretung des streitigen Anspruches selbst, sondern als in Abs. 2 daselbst in ihren Wirkungen näher umschriebene Übertragung des Rechtes zur prozessualen Geltendmachung zu verstehen ist. Wurde bisweilen in wörtlicher Anlehnung an den Formulartext im Namen der Masse geklagt, so konnten sich daraus namentlich bei Prozessführung im Ausland Schwierigkeiten ergeben, indem die Gerichte eine von der Konkursverwaltung auszustellende Vollmacht verlangten, die nicht beizubringen war. Um diese Unzukömmlichkeiten zu vermeiden, hat daher die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer im Februar 1958 den in Frage stehenden Formulartext nun ausdrücklich dahin geändert, dass der betreffende Gläubiger ermächtigt sei, "an Stelle der Masse, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr" vorzugehen. Somit hat es vollends bei der Anführung des Dr. Oftinger als Klägers zu bleiben. Da im übrigen die vorliegende Abtretung nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, auf Art. 260 SchKG, sondern auf Art. 756 Abs. 2 OR beruht, ist seinem Namen beizufügen: "als Zessionar gemäss Art. 756 Abs. 2 OR im Konkurs der Appartementhaus Platte AG".
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2. Gegenstand der Klage ist ein Schaden, der an und für sich der Gesellschaft und nur mittelbar deren Aktionären und Gläubigern entstanden ist. Der Anspruch solcher Mitgeschädigten ("sekundärer Schaden"; vgl. BGE 59 II 455; C. WIELAND, Handelsrecht II 137) geht nur auf Leistung des Ersatzes an die Gesellschaft (Art. 755 OR). Im Konkurs der Gesellschaft steht die Geltendmachung des Anspruchs der einzelnen Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf solch mittelbaren Schaden zunächst der Konkursverwaltung zu (Art. 756 Abs. 1 OR). "Verzichtet sie darauf, so ist jeder Aktionär oder Gläubiger berechtigt, die Abtretung des Anspruches zu verlangen. Das Ergebnis ist nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs zu verwenden." (Abs. 2 daselbst). Auf einer solchen Abtretung beruht die vorliegende Klage.
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Nach Feststellung des Obergerichts ist der Schaden, den die konkursite Gesellschaft durch das Vorgehen des Beklagten erlitten hat, gleich dem ihr von ihm entzogenen Aktienbetrag von Fr. 20'000.--. Der Beklagte hat diesen bei einem Dritten geborgten Betrag nur zum Schein einbezahlt und dann sogleich zurückgezogen. Es liegt also eine vorgetäuschte Bargründung vor, wofür er grundsätzlich nach Art. 753 OR haftet. Mit Recht verneint jedoch das Obergericht die Haftung sowohl der Gesellschaft wie auch dem Kläger persönlich gegenüber. Alle drei Gründer und Aktionäre haben bei der Gründung der Gesellschaft um diese Machenschaft gewusst und sie, soweit sie nicht handelnd dabei mitwirkten, gebilligt. Ihr Wissen und Wollen ist der Gesellschaft als solcher zuzurechnen, weshalb sie nach dem Grundsatz "volenti non fit injuria" keinen Schadenersatz beanspruchen kann (BGE 83 II 56 und 65; Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Juli 1958 i.S. Fischbach gegen Veith und Konsorten, S. 7). Dasselbe gilt für den Kläger, der als Aktionär an der Gründung beteiligt war und dem fehlerhaften Gründungsvorgang zugestimmt hat. Sein Wissen und Wollen als Gründer ist ihm auch in seiner Eigenschaft als Gesellschaftsgläubiger entgegenzuhalten. Aus seinen spätern Leistungen an die Gesellschaft kann er nichts gegen den Beklagten herleiten. Es bleibt dabei, dass dessen Handlungsweise, die er gekannt und gebilligt hatte, ihm gegenüber nicht rechtswidrig war.
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Die vom Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen Verantwortlichkeitsansprüchen der Gesellschaft und solchen der einzelnen Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger (Art. 753 und 754 OR) ist indessen auch im Konkurs der Gesellschaft zu beachten. Zwar steht es alsdann nach Art. 756 Abs. 1 OR zunächst der Konkursverwaltung zu, neben den Ansprüchen der Gesellschaft auch die auf Ersatz des dieser unmittelbar und ihnen mittelbar erwachsenen Schadens gehenden Ansprüche der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger geltend zu machen. Diese auf einheitliche Geltendmachung gerichtete Ordnung erspart es den Aktionären und Gläubigern, neben der Konkursverwaltung als Kläger aufzutreten. In den meisten Fällen steht dem Anspruch der Gesellschaft übrigens keine besondere Einrede gegenüber; alsdann lässt sich mit der Klage für die Gesellschaft bereits die dieser geschuldete Leistung erwirken, die zugleich Erfüllung der ebenfalls auf Leistung an die Gesellschaft gehenden Ansprüche der Aktionäre und Gläubiger bedeutet. Die gleichzeitige Geltendmachung der dieselbe Leistung betreffenden Ansprüche dieser Einzelberechtigten geschieht also meistens vorsorglicherweise, für den Fall eben, dass dem Anspruch der Gesellschaft, nicht aber auch jenen andern Ansprüchen oder doch einzelnen von ihnen nicht besondere Einreden entgegenstehen. Indem das Gesetz dergestalt das Prozessführungsrecht für alle auf der Schädigung der Gesellschaft beruhenden Ansprüche zunächst der Konkursverwaltung zuerkennt, will es weder die materiell-rechtlichen Ansprüche der Einzelberechtigten auf die Konkursmasse übertragen noch den Inhalt der Ansprüche irgendwie verändern. Die Ansprüche der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger auf Ersatz des in Frage stehenden mittelbaren Schadens bleiben auch im Konkurs der Gesellschaft neben deren Ansprüchen bestehen, obwohl sie sich dem Gegenstande nach mit diesen decken. Sie haben, wie dargetan, selbständige Bedeutung, wenn nur sie (oder nur einige von ihnen) begründet sind, nicht schon der primäre Anspruch der Gesellschaft selbst.
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Die Fassung des Art. 756 Abs. 2 OR, wonach beim Verzicht der Konkursverwaltung jeder Aktionär oder Gläubiger "die Abtretung des Anspruches" verlangen kann, ist nun freilich nicht eindeutig. Da die materiellen Ansprüche der Einzelberechtigten nicht auf die Konkursmasse übergegangen waren, kann jene Vorschrift indessen im Zusammenhang mit Abs. 1 nur besagen, die Konkursverwaltung habe, wenn sie selbst nicht vorgehen wolle, "die Geltendmachung" dieser Ansprüche den Aktionären und Gläubigern auf Verlangen zu überlassen. Gegenstand der hier vorgesehenen "Abtretung" ist also lediglich das nach Abs. 1 zunächst der Konkursverwaltung vorbehaltene Klagerecht. Der französische und der italienische Gesetzestext bezeichnen denn auch als Gegenstand der Abtretung "l'action en responsabilité", "l'azione" (vgl. auch die Botschaft des Bundesrates vom 21. Februar 1928, BBl 1928 I 265/66 deutsch, 296/97 französisch zu Art. 751 des Entwurfs, wo die Konkurrenz des Klagerechts der Gesellschaft und des Aktionärs oder Gläubigers erläutert wird; CH.-A. HOTZ, La responsabilité civile des fondateurs de la société anonyme, thèse 1945, p. 212 und 217, wo hervorgehoben wird, dass es sich um eigene Verantwortlichkeitsansprüche der Aktionäre und Gläubiger handelt: "... prétention qui n'appartient pas à la masse, mais dont l'exercice seul lui est confié"; J. und E. HENGGELER, Die zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten im Bankengesetz und im neuen schweizerischen Aktienrecht, S. 55, wo die Konkursverwaltung bei der ihr in Art. 756 Abs. 1 OR zugedachten einheitlichen Klageführung als "Zwangsvertreter dieser einzelnen Geschädigten" bezeichnet wird; K. FEHR, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsorgane im schweizerischen Aktienrecht, in den Schweizerischen Beiträgen zum 4. internationalen Kongress für Rechtsvergleichung 1954, S. 153: "Verzichtet die Konkursverwaltung in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Gläubiger auf die Verfolgung der Ersatzansprüche, so lebt das selbständige Klagerecht des Aktionärs wieder auf...", und S. 154/55 hinsichtlich der Gläubiger: "Verzichtet die Mehrheit auf die gemeinsame Prozessführung, so hat die Konkursverwaltung den Gläubigern, die es verlangen, sowohl deren eigenen Anspruch auf Ersatz des mittelbaren Schadens als auch den Anspruch der Masse auf Deckung des ihr primär verursachten Verlustes abzutreten. Der Gläubiger ist dann in doppelter Form zur Prozessführung gegen die Verwaltung legitimiert: als Prozessführungsbevollmächtigter der Masse und aus eigenem Recht."). Der Ausdruck "Abtretung des Anspruchs" ist aus Art. 260 SchKG übernommen worden, wie sich aus der Botschaft (a.a.O.) ergibt (vgl. auch F. v. STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, S. 262/63). Während sich aber die Abtretung des Prozessführungsrechtes nach Art. 260 SchKG auf Ansprüche des Gemeinschuldners und der Konkursmasse bezieht, handelt es sich in Art. 756 Abs. 2 OR um das Prozessführungsrecht (Klagerecht) bezüglich der eigenen Ansprüche des betreffenden Aktionärs oder Gläubigers. Die Abtretung an einen Gläubiger umfasst das Recht zur Geltendmachung sowohl der Ansprüche der Masse (gemäss Art. 260 SchKG) wie auch seiner eigenen Ansprüche (gemäss Art. 756 Abs. 2 OR).
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Nach alldem kann die Konkursverwaltung zwar nach Art. 756 Abs. 1 OR - ausser den Verantwortlichkeitsansprüchen der konkursiten Gesellschaft - die wegen mittelbarer Schädigung auf dieselbe Leistung gerichteten Ansprüche aller einzelnen Aktionäre und Gläubiger geltend machen. Verzichtet sie (und die Masse) aber darauf, selber vorzugehen, so kommt nach Abs. 2 daselbst nur in Frage, jedem Aktionär, der es verlangt, seine eigenen Ansprüche und jedem Gläubiger ausser den Ansprüchen der Gesellschaft ebenfalls seine eigenen, nicht ausserdem Ansprüche anderer Gläubiger oder solche von Aktionären zur Geltendmachung zu überlassen. Diese einzelnen Ansprüche sind eben jedem Titular verblieben, der, wenn die Konkursverwaltung von dem ihr zunächst vorbehaltenen Klagerecht keinen Gebrauch macht, nun allein berechtigt sein muss, über seinen Anspruch zu verfügen. In diesem Sinn ist der Wortlaut des Art. 756 Abs. 2 OR klarzustellen. Dem entspricht nicht nur die Auslegung durch die erwähnten Autoren; Art. 43 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934, der nach dem Willen des Gesetzgebers eine sachlich übereinstimmende Regelung enthält, lautet im französischen Text:
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"Dans la faillite, les droits des sociétaires et des créanciers sont exercés en premier lieu par l'administration de la masse. Si celle-ci y renonce, tout sociétaire ou créancier peut demander à exercer lui-même son droit..."
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Nichts Abweichendes folgt endlich aus dem anschliessenden Satze (des Art. 43 Abs. 3 BankG = Art. 756 Abs. 2 OR), wonach das Ergebnis nach den Bestimmungen des SchKG zu verwenden ist. Damit wird zweifellos auf Art. 260 Abs. 2 SchKG angespielt, was übrigens für das Bankgesetz noch ausdrücklich in Art. 53 der zugehörigen Vollziehungsverordnung bestimmt worden ist. Dieser Hinweis rechtfertigt nicht etwa den Rückschluss, bei "Abtretung" bloss der eigenen Ansprüche an einen einzelnen Aktionär oder Gläubiger könne sich gar kein Überschuss für die Masse ergeben, somit setze die in Frage stehende Vorschrift voraus, dass einem einzelnen Aktionär oder Gläubiger auch die Ansprüche der übrigen Aktionäre und Gläubiger zur Geltendmachung zu überlassen seien. Vielmehr erklärt sich die Anwendung von Art. 260 Abs. 2 SchKG hinlänglich daraus, dass sich die Abtretung nach Art. 756 Abs. 2 OR ja mit einer solchen der Gesellschaftsansprüche nach Art. 260 Abs. 1 SchKG verbindet, und dass dann, wenn mehrere Gläubiger die Abtretung verlangen, allfälligen Konkursprivilegien Rechnung zu tragen ist.
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Hat somit die Abtretung nach Art. 756 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 260 Abs. 1 SchKG kein persönliches Klagerecht anderer Gläubiger oder Aktionäre umfasst, und steht dem Kläger persönlich wie auch der Gesellschaft und damit der Konkursmasse kein Verantwortlichkeitsanspruch zu, so ist die Klage zu Recht abgewiesen worden. Es stand im Belieben jedes einzelnen persönlich Berechtigten, die Abtretung (Überlassung) seines Klagerechtes nach der erwähnten Vorschrift zu verlangen und sich dem Kläger als Streitgenosse anzuschliessen oder aber von der Geltendmachung seines persönlichen Anspruches abzusehen, sei es auch nur, um den Beklagten zu schonen. Ob ein anderer Gläubiger oder Aktionär seinen Anspruch hätte dem Kläger nach Zivilrecht abtreten und mit ihm eine bestimmte Verteilung des Ergebnisses vereinbaren können, ist hier nicht zu prüfen. Der Kläger stützt sich einzig auf eine Abtretung seitens der Konkursorgane, die ihm die Klagerechte anderer Gläubiger oder Aktionäre nicht verschaffen konnte.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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