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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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5. Entscheid vom 14. Januar 1961 i.S. Erbengemeinschaft Brülisauer. | |
Regeste |
Aussonderung im Konkurs. |
Fristansetzung zur Klage gemäss Art. 242 Abs. 2 SchKG? Welche Rechtsbehelfe stehen dem Drittansprecher zu Gebote? Analoge Anwendung von Art. 168 OR beim Streit darüber, ob ein Forderungsübergang von Gesetzes wegen (Art. 166, Art. 401 OR) stattgefunden habe. |
Freigabe des beanspruchten Guthabens durch die Konkursverwaltung (Art. 242 Abs. 1 SchKG, Art. 47 ff. KV)? | |
Sachverhalt | |
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Adolf Steuble, der sich gewerbsmässig mit Inkassogeschäften und der Teilung von Erbschaften befasste, war Willensvollstrecker von Jakob Brülisauer. Im Januar 1959 wurde er entmündigt. Nach seinem im Januar 1960 erfolgten Tode wurde die konkursamtliche Liquidation seines Nachlasses angeordnet. In diesem Verfahren machte die Erbengemeinschaft Brülisauer geltend, das Guthaben gemäss dem auf Steuble lautenden Kontokorrentbüchlein C. 987 bei der Appenzell-Innerrhodischen Kantonalbank (das bei Errichtung des vormundschaftlichen Inventars einen Saldo zugunsten Steubles von Fr. 43'784.80 aufgewiesen hatte) stehe gemäss Art. 401 OR im Teilbetrage von Fr. 42'981.35 ihr zu, weil es in diesem Umfange durch Einzahlung von Geldern entstanden sei, die Steuble für ihre Rechnung einkassiert habe. Das Konkursamt Appenzell teilte ihr mit Schreiben vom 14. September 1960 mit, ihr Aussonderungsanspruch müsse als unbegründet abgewiesen werden, weil er sich nicht auf ein bestimmtes Depot, sondern auf einen Teil des Saldobetrags einer Kontokorrentrechnung beziehe, die vermischte Vermögenswerte, nämlich eigenes Vermögen Steubles und solches von mehrern Kunden enthalte, so dass nicht nachgewiesen werden könne, dass die herausverlangten Vermögenswerte mit den von Steuble für Rechnung der Erbengemeinschaft Brülisauer entgegengenommenen identisch seien. Der Kollokationsplan werde daher ohne Rücksicht auf den Aussonderungsanspruch erstellt und aufgelegt werden. "Desgleichen wird hernach die Verteilung vorgenommen, wenn nicht innert 20 Tagen vom Empfang dieses Schreibens ![]() | 2 |
Hierauf führte die Erbengemeinschaft Brülisauer "gegen die Verfügung des Konkursamtes... vom 14. September 1960" Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. Die kantonale Aufsichtsbehörde ist auf die Beschwerde nicht eingetreten. Das Bundesgericht weist den Rekurs der Erbengemeinschaft Brülisauer ab.
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Erwägungen: | |
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In Wirklichkeit hat jedoch das Konkursamt der Rekurrentin nicht in diesem Sinne Frist zur Klage angesetzt. Es hat ihr nicht angedroht, dass ihr Aussonderungsanspruch im Falle der Nichteinhaltung der Frist von zwanzig (nicht zehn) Tagen als verwirkt gelte. Vielmehr hat es ihr im Zusammenhang mit der Mitteilung, dass es diesen ![]() ![]() | 5 |
2. Obwohl die Rekurrentin formell nur die Aufhebung der "Verfügung" vom 14. September 1960 beantragt, kann man angesichts der Art, wie sie diesen Antrag in der Beschwerde- und in der Rekursschrift begründet hat, auf den Gedanken kommen, sie wolle ausserdem verlangen, das Konkursamt sei anzuweisen, entweder ihren Aussonderungsanspruch anzuerkennen und die Aussonderung zu vollziehen oder aber Klage auf Feststellung der Gläubigereigenschaft ![]() | 6 |
a) Die Konkursverwaltung verfügt nach Art. 242 Abs. 1 SchKG über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten als Eigentum angesprochen werden (décide si les objets revendiqués par des tiers leur seront remis, decide circa la restituzione delle cose rivendicate da un terzo). Diese Vorschrift kann im Unterschied zu Art. 242 Abs. 2 SchKG auf Forderungen, die ein Dritter als ihm zustehend beansprucht, entsprechende Anwendung finden, und zwar namentlich auch in Fällen der Subrogation gemäss Art. 401 OR (vgl. GAUTSCHI N. 25 b zu Art. 401 OR, S. 547). Die "Herausgabe" erfolgt bei einer Forderung durch die Erklärung der Konkursverwaltung, dass sie darauf keinen Anspruch erhebe, sondern anerkenne, dass sie dem Drittansprecher zustehe, oder allenfalls durch eine Abtretungserklärung (vgl. GAUTSCHI N. 25 f zu Art. 401 OR, S. 548).
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Indem Art. 242 Abs. 1 SchKG der Konkursverwaltung die Befugnis einräumt, über die Herausgabe an den Drittansprecher zu verfügen, stellt sie es unter Vorbehalt der Rechte der Gläubiger und der Kompetenz der ordentlichen Gerichte zur Beurteilung streitiger Aussonderungsansprüche ![]() | 8 |
Einen Herausgabeanspruch anzuerkennen, können die Aufsichtsbehörden der Konkursverwaltung auch nicht für den Fall befehlen, dass diese es unterlassen sollte, mit Bezug auf eine von einem Dritten angesprochene Forderung, die sie nicht freigeben will, auf Feststellung des Gläubigerrechts des Gemeinschuldners bezw. der Masse zu klagen. Das Konkursrecht enthält keine Vorschrift, die es den Aufsichtsbehörden erlauben würde, die Konkursverwaltung unter der Androhung der Verwirkung dieses materiellen Rechts zur Einleitung einer solchen Klage aufzufordern.
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Dem von der Rekurrentin angerufenen Entscheide BGE 76 III 11 liegt keine abweichende Auffassung zugrunde. Wenn es dort heisst: "Will die Konkursverwaltung feststellen lassen, dass nicht der Rekurrent, sondern der Gemeinschuldner bezw. die Masse Gläubiger der Wohnkultur A.-G. (Drittschuldnerin) sei, so hat sie zu klagen", so bedeutet dies keineswegs, dass die Konkursverwaltung bei Gefahr der Verwirkung des Gläubigerrechts der Masse gegen den Drittansprecher klagen müsse. Vielmehr ist die Meinung klarerweise nur die, dass die Konkursverwaltung klagen muss, wenn ihr an der gerichtlichen Feststellung des eben erwähnten Gläubigerrechts gelegen ist. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn es der Konkursverwaltung nicht gelingt, eine an sich unbestrittene Forderung einzuziehen, weil der Drittschuldner wegen der Ungewissheit darüber, wem die Forderung zustehe, die Auszahlung an die Konkursmasse einstweilen ablehnt. Allgemein gesprochen, wird sich die Konkursverwaltung dann zu einer ![]() | 10 |
Eine behördliche Aufforderung an die Konkursverwaltung zur Klage gegen den Dritten auf Feststellung des Gläubigerrechts der Masse kann höchstens vom Richter ausgehen. Wenn der Schuldner den geschuldeten Betrag auf Grund von Art. 168 Abs. 1 OR von sich aus gerichtlich hinterlegt, weil streitig ist, wem die Forderung zustehe, so hat nämlich der Richter nach dem Prozessrecht einzelner Kantone die Möglichkeit, einem der beiden Ansprecher (und zwar demjenigen, welcher den Rechtsschein gegen sich hat) Frist zur Klage gegen den andern anzusetzen unter der Androhung, dass der hinterlegte Betrag bei Nichteinhaltung der Frist dem andern herausgegeben würde (so die ständige Praxis der zürcherischen Gerichte zu §§ 392 ff. den zürch. ZPO; vgl. J. R. BIEDERMANN, Die Hinterlegung als Erfüllungssurrogat, 1944, S. 126/127). Ob das Prozessrecht von Appenzell I. Rh. dem Richter diese Möglichkeit gebe und ob derartige Vorschriften des kantonalen Prozessrechts mit dem Bundesrecht vereinbar seien, kann dahingestellt bleiben; denn für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist nur wesentlich, dass auf jeden Fall die Aufsichtsbehörden nicht befugt sind, die Konkursverwaltung unter Androhung von Rechtsnachteilen für die Konkursmasse zur Klage aufzufordern.
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b) Die Konkursverwaltung auf dem Wege des Beschwerdeverfahrens unmittelbar oder für den Fall der Unterlassung einer Klage zur Anerkennung eines Drittanspruchs an einer Forderung und zu deren "Herausgabe" zu zwingen, kommt um so weniger in Frage, als die Konkursverwaltung, wenn sie eine Drittansprache anerkennen will, die Herausgabe nicht sogleich vollziehen darf. Nach ![]() | 12 |
Nach Art. 51 KV finden die Vorschriften von Art. 47 ff. KV freilich keine Anwendung, wenn das Eigentum des Drittansprechers von vornherein als bewiesen zu betrachten ist oder die sofortige Herausgabe des angesprochenen Gegenstandes im offenbaren Interesse der Masse liegt oder endlich vom Drittansprecher angemessene Kaution geleistet wird. Allein abgesehen davon, dass diese Vorschrift nach der Praxis (BGE 75 III 16) auf Gegenstände von bedeutendem Wert nicht (oder jedenfalls nicht vorbehaltlos) angewendet werden darf, sind die Voraussetzungen, unter denen ihr Wortlaut die sofortige Herausgabe erlaubt, im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht gegeben. Insbesondere ist keineswegs "von vornherein als bewiesen zu betrachten", dass das streitige Bankguthaben der Rekurrentin zustehe. Diese behauptet selber nicht, dass sie ihrerseits im Sinne von Art. 401 Abs. 1 OR allen Verbindlichkeiten aus dem von ihr behaupteten Auftragsverhältnis nachgekommen sei, und hat sich auch nicht etwa anerboten, an die Masse zu leisten, was sie noch schulde (vgl. hiezu GAUTSCHI N. 25 c zu Art. 401 OR, S. 547). Vor allem aber lässt sich mit ernsthaften Gründen die Auffassung vertreten, eine Subrogation gemäss Art. 401 OR sei überhaupt ausgeschlossen, wenn das vom Beauftragten für Rechnung des Auftraggebers entgegengenommene Geld nicht wie in dem von der Rekurrentin erwähnten ![]() | 13 |
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