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16. Bescheid vom 6. Dezember 1961 an die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern. | |
Regeste |
Pflicht des Schuldners, der Pfändung beizuwohnen oder sich dabei vertreten zu lassen (Art. 91 Abs. 1 SchKG). Lässt der Schuldner dieses Gebot ohne genügende Entschuldigung unbeachtet, und erscheint seine Einvernahme als notwendig, so kann das Betreibungsamt ihn durch die Polizei vorführen lassen. Analoge Anwendung des Art. 229 Abs. 1 SchKG. |
Weitere Massnahmen des unmittelbaren Zwanges gegen die Person des Schuldners sind nicht zulässig. Verweigert dieser die Auskunft, so setzt er sich der Bestrafung nach Art. 323 Ziff. 2 StGB aus. |
Die vom Betreibungsamt mit der Vorführung des Schuldners beauftragte Polizei hat die Rechtmässigkeit dieser Massnahme nicht nachzuprüfen. Hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung handelt sie aber selbständig und auf eigene Verantwortung gemäss den die polizeiliche Tätigkeit als solche beherrschenden Grundsätzen. | |
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Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner bei Straffolge verpflichtet, der Pfändung beizuwohnen oder sich bei derselben vertreten zu lassen. Darauf wird er jeweilen bei der Pfändungsankündigung laut dem Formular Nr. 5 hingewiesen. In der Praxis der Betreibungsämter hat sich die Befragung des Schuldners oder eines zur Auskunfterteilung fähigen Vertreters in manchen Fällen als unentbehrlich erwiesen (wie auch H. AMMANN, Vorsteher des Betreibungsamtes Zürich 7, Die polizeiliche Vorführung des Schuldners im Pfändungsverfahren, BlSchK 1954 S. 129 ff., ausführt). Viele Betreibungsämter pflegen daher den dem Pfändungsvollzug ohne Entschuldigung fern gebliebenen und dabei auch nicht gehörig vertretenen Schuldner polizeilich zur Auskunfterteilung in das Amtsbureau vorführen zu lassen. Mitunter bezweifelt jedoch die hiezu in Anspruch genommene Polizeibehörde die Zulässigkeit ![]() | 1 |
Wir stehen nicht an, zu der praktisch bedeutungsvollen Frage Stellung zu nehmen. Sie ist grundsätzlicher Art und lässt sich auch ausserhalb eines Rekursverfahrens beantworten.
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1. Es fällt zunächst auf, dass dem Betreibungsamt zwar nicht in Abs. 1, wohl aber in Abs. 2 des Art. 91 die Anwendung unmittelbaren Zwanges, nötigenfalls mit Hilfe der Polizei, zugestanden wird: zur Öffnung von Räumen und Behältnissen. Wie das Bundesgericht in einer staatsrechtlichen Entscheidung ausgeführt hat, ist dies keine singuläre Bestimmung, sondern Ausfluss eines allgemein gültigen Prinzips; es erscheine als eine selbstverständliche Forderung der Rechtsordnung, "dass die Staatsgewalt ihre Organe mittelst Hülfe der Polizei bei der Ausübung ihrer amtlichen Funktionen unterstützt, soweit letztere ohne diese Unterstützung verunmöglicht oder mit grossen Schwierigkeiten bezw. Gefahren für den pflichtigen Beamten verbunden wäre" (BGE 22 S. 996). Auf diese Entscheidung weist JAEGER, N. 14 zu Art. 91 SchKG, hin, und sie wird gelegentlich auf dem Wege der Analogie zur Ergänzung des Abs. 1 dieses Artikels und damit eben zur Rechtfertigung der zwangsweisen Vorführung des Schuldners herangezogen (namentlich von H. AMMANN, a.a.O. S. 131). JAEGER (a.a.O.) hält zwar ebenfalls die Beiziehung polizeilicher Hilfe auch in andern als den in Art. 91 Abs. 2 erwähnten Fällen für zulässig, jedoch gerade nicht zur Erzwingung der Anwesenheit des Schuldners nach Art. 91 Abs. 1, wofür nur die Strafanzeige in Betracht komme (N. 4 daselbst). Auch FRITZSCHE (SchK I 143) nimmt diesen Standpunkt ein, indem er sich auf die Feststellung beschränkt, das Gesetz bestimme nicht, dass der fern gebliebene und auch nicht richtig vertretene Schuldner herbeigeschafft würde, sondern sehe als Sanktion ![]() | 3 |
"Lorsqu'un débiteur, avisé conformément à la loi, n'assiste pas en personne à une saisie ou à une prise d'inventaire et ne s'y fait pas représenter (art. 91 al. 1, 163 et 317 al. 1 LP), ou encore ne reste pas à disposition de la masse en faillite pendant la durée de la liquidation (art. 229 al. 1 LP), le préfet peut, sur demande du préposé, le faire conduire dans les locaux de l'office pour y être entendu. La poursuite pénale (art. 323 ch. 1 du code pénal) est réservée."
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat, bisweilen an die erwähnte staatsrechtliche Entscheidung anknüpfend, die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Organe des Betreibungs- und Konkursverfahrens in verschiedenen Fällen in Analogie zu Art. 91 Abs. 2 SchKG zugelassen: gegen den Schuldner zur Durchführung von Beschlagnahmehandlungen (BGE 42 III 267/68), gegen einen Gläubiger, der gepfändete Sachen heimlich weggenommen hat (BGE 43 III 195ff., 199), unter Umständen auch gegen Dritte (BGE 51 III 137/38,BGE 55 III 14ff. - kritisiert von JAEGER, N. 5a zu Art. 91 in SchK =Praxis IV -,BGE 66 III 30ff.,BGE 79 III 113). Abgelehnt wurde Gewaltanwendung gegen einen Dritten, der den Besitz gepfändeter Sachen verneinte oder keine Auskunft darüber gab, ob er solche Sachen besitze (BGE 31 I 721=Sep.-Ausg. 8 S. 267,BGE 51 III 40). Ebenso wurde einem Betreibungsamt verwehrt, durch Gewalt in die ![]() | 5 |
2. Wie es sich mit der Möglichkeit einer unmittelbaren Erzwingung der Erscheinens- oder Vertretungspflicht als solcher, gemäss Art. 91 Abs. 1 SchKG, verhalte, ist bei alldem offen geblieben. Es erweckt Bedenken, eine dahingehende Befugnis des Betreibungsamtes analogieweise aus Abs. 2 daselbst herzuleiten, denn diese Bestimmung betrifft eben keine Amtshandlungen, die sich gegen die Person des Schuldners zu richten hätten. Eine andere Frage ist es, ob Art. 91 Abs. 2 SchKG Ausfluss eines so umfassenden Prinzips sei, dass auch Massnahmen der hier in Frage stehenden Art (polizeiliche Vorführung) erlaubt wären, ohne dass es hiefür einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte. Die Lehre und Praxis des Verwaltungsrechts gibt hierauf keine eindeutige Antwort. Nach FLEINER (Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage, S. 222) ist zur Bewirkung von Leistungen, "bei deren Vollstreckung Ersatzvornahme oder Ungehorsamsstrafe unanwendbar sind oder nicht zum Ziele führen", die Behörde vermöge ihrer Amtsgewalt ein- für allemal ermächtigt, den rechtlich geforderten Zustand mit unmittelbarem Zwang herzustellen. "In gleicher Weise darf auch der Private zur Erteilung von Auskunft oder zur Erstattung eines Zeugnisses zwangsweise der Behörde zugeführt werden, sofern für ihn im gegebenen Falle eine rechtsgültige Auskunftspflicht besteht" (ebenda S. 224). Ähnlich äussert K. BRUNNER (Die Lehre vom Verwaltungszwang, Diss. 1923, S. 43 ff.) die Meinung, "dass die Befugnis, obrigkeitliche Anordnungen zu erlassen, das Recht einschliesse, dieselben in Vollzug zu setzen". Dieser Autor betrachtet den Verwaltungszwang als eine Folge der Verfügungskompetenz der Verwaltung und umschreibt seinen Standpunkt wie folgt: "Es ist unzulässig zu behaupten, ![]() ![]() | 6 |
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Diese konkursrechtliche Vorschrift bildet nun auch den Schlüssel zur Beantwortung der vorwürfigen Frage des Pfändungsverfahrens. Das Gebot des Art. 91 Abs. 1 SchKG dient ebenso wie dasjenige des Art. 229 Abs. 1 SchKG dazu, die richtige und zweckentsprechende Durchführung einer Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Dem Gegenstande nach geht jenes erste Gebot freilich weniger weit als dieses; es ist nur für das Stadium des Pfändungsvollzuges aufgestellt. Soweit es reicht, ist es aber ebenso streng einzuhalten und denn auch seine Missachtung mit gleicher Strafe bedroht (Art. 323 Ziff. 1 und 5 StGB). Um der Interessen der betreibenden Gläubiger willen kann sich die Einvernahme des Schuldners beim Pfändungsvollzug als notwendig erweisen, und diese Interessen verdienen denselben Schutz wie die Interessen von Konkursgläubigern. Sachlich ist es somit vollauf gerechtfertigt, die in Art. 229 Abs. 1 am Ende vorgesehene Massnahme des unmittelbaren Zwanges auch beim Pfändungsvollzuge, zur Durchsetzung des Gebotes des Art. 91 Abs. 1 SchKG, zuzulassen.
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Warum das Gesetz dies in der letztern Bestimmung nicht ![]() ![]() | 9 |
Im übrigen ist die unter Umständen notwendige Vorführung eine im Offizialcharakter der Zwangsvollstreckung begründete, dem Schutz höherer Interessen dienende Massnahme. Der Eingriff in die persönliche Freiheit ist verhältnismässig geringfügig. Selbst in gewissen Zivilprozessen (um Familienrecht) hat nach mehreren kantonalen Gesetzen eine säumige Partei die polizeiliche Vorführung zu gewärtigen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 237, Fussnote 5; vgl. auch P. JAEGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR NF 79 II 215a, wo von blossen "Persönlichkeitssplittern" die Rede ist).
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4. Voraussetzung der polizeilichen Vorführung des Schuldners im Verlauf des Pfändungsvollzuges ist, dass er ohne genügende Entschuldigung wegblieb und sich auch ![]() | 11 |
Was die Art der Massnahme betrifft, so hat sie sich in der Vorführung vor den Beamten zu erschöpfen. Gewöhnlich wird damit der Zweck erreicht, indem der zur Stelle gebrachte Schuldner nun bereitwillig die verlangte Auskunft gibt. In diesem Falle mag der Beamte prüfen, ob gleichwohl wegen des früheren Ungehorsams Strafanzeige zu erstatten sei gemäss Art. 323 Abs. 1 StGB.
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Verweigert der vorgeführte Schuldner die Auskunft, so ist ihm die Strafanzeige nach Art. 323 Ziff. 2 StGB in Aussicht zu stellen. Weitere Massnahmen unmittelbaren Zwanges, wie Festhalten im Amtsraum usw., sind nicht zulässig.
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Die mit der Vorführung beauftragte Polizei handelt als Hilfsorgan des Betreibungsamtes. Sie hat die Rechtmässigkeit der Massnahme, die nach dem Gesagten im Rahmen der betreibungsamtlichen Zuständigkeit liegt, nicht nachzuprüfen. Wie in BGE 22 S. 997 ausgeführt ist, sind die vom Betreibungsamt beigezogenen Polizeiorgane "blosse Gehülfen des Betreibungsamtes, die dem letzteren vorübergehend zur Ausführung seiner Befehle untergeordnet worden sind und die deshalb auch für die gemäss den Weisungen ihres Vorgesetzten begangenen Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden können". Die Art ![]() | 14 |
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