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12. Entscheid vom 14. Juni 1962 i.S. de Ry. | |
Regeste |
Nachpfändung neu entdeckter Vermögensstücke des Schuldners auf Begehren eines Gläubigers, dessen Forderung nach der Schätzung des Beamten durch die bereits gepfändeten Gegenstände nicht gedeckt ist (Art. 115 Abs. 2 SchKG). |
Diese Frist wird durch einen Widerspruchsprozess mit Bezug auf die bereits gepfändeten Gegenstände nicht verlängert. |
Nach ihrem Ablauf bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit, einen Arrest zu erwirken (Art. 115 Abs. 2 und Art. 271 Ziff. 5 SchkG) und diesen durch eine neue Betreibung zu prosequieren. | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Eingabe vom 14. März 1962 teilte der Gläubiger dem Betreibungsamte mit, er habe erfahren, dass der Schuldner im Konkurs über den Nachlass von Rohr ein Etui für Statue, zwei französische Fahnen und ein Ölgemälde zu Eigentum beanspruche und eine Forderung in erheblichem Betrage geltend mache; er ersuche um Pfändung dieser nachträglich zum Vorschein gekommenen Aktiven. Am 22. März 1962 entsprach das Betreibungsamt diesem Begehren. Es schätzte die neu gepfändeten Gegenstände (zu denen eine Forderung von ca. Fr. 22'000.-- gehört) auf insgesamt Fr. 231.--. Die Pfändungsurkunde wurde dem Schuldner am 11. Mai 1962 zugestellt.
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Hierauf führte der Schuldner am 17.Mai 1962 Beschwerde mit dem Antrag, die Nachpfändung vom 22. März 1962 sei aufzuheben, weil im Zeitpunkt, da der Gläubiger sie verlangt habe, die mit der Zustellung des Zahlungsbefehls beginnende Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG, die auch für Begehren auf Nachpfändung gelte, längst abgelaufen gewesen sei.
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Am 4. Juni 1962 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen mit der Begründung, bei ungenügender Pfändung sei der Gläubiger befugt, die Pfändung weiterer Gegenstände, deren Existenz ihm bekannt ![]() | 4 |
C.- Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, die Pfändung vom 22. März sei aufzuheben.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der betreibende Gläubiger, wenn beim Pfändungsvollzug nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden war, nicht bloss die Möglichkeit, auf Grund der Pfändungsurkunde, die ihm in diesem Fall als provisorischer Verlustschein dient (Art. 115 Abs. 2 SchKG), gemäss Art. 271 Ziff. 5 SchKG einen Arrest zu erwirken. Vielmehr kann er statt dessen, wenn er weitere Aktiven des Schuldners entdeckt, gestützt auf den provisorischen Verlustschein beim Betreibungsamt unmittelbar das Begehren stellen, diese Aktiven seien zu pfänden (sog. Nachpfändung auf Begehren des Gläubigers;BGE 23 II 1944;BGE 25 I 564,BGE 30 I 823= Sep. ausg. 2 S. 266, 7 S. 393;BGE 59 III 92,BGE 70 III 46/47). Diese Befugnis steht ihm jedoch nach Art. 88 Abs. 2 SchKG, der ganz allgemein bestimmt, dass "dieses Recht", d.h. das Recht zur Stellung des ![]() | 6 |
Der zweite Satz von Art. 88 Abs. 2 SchKG bestimmt über diese Frist: "Ist ein Rechtsvorschlag erfolgt, so fällt die Zeit zwischen der Anhebung und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Berechnung". Nach der neuern Rechtsprechung erfasst der Ausdruck "Klage" im Sinne dieser Bestimmung nicht bloss die Forderungsklage im Sinne von Art. 79 SchKG, sondern auch die Aberkennungsklage, die Klage auf Feststellung neuen Vermögens (Art. 265 Abs. 3 SchKG) und das Rechtsöffnungsbegehren (BGE 79 III 60ff. mit Hinweisen). Die Frist für die Stellung des Pfändungs- und Nachpfändungsbegehrens verlängert sich also um die Dauer dieser Verfahren. Im vorliegenden Falle nahmen das Rechtsöffnungsverfahren und der Aberkennungsprozess zusammen höchstens 5-6 Wochen in Anspruch. Auch wenn man diese Zeitspanne zur Frist von einem Jahre seit der Zustellung des Zahlungsbefehls (21. Oktober 1959) hinzurechnet, war also diese Frist am 14. März 1962, als der Gläubiger die Nachpfändung verlangte, längst abgelaufen.
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2. Dass sich die Frist für die Stellung eines Nachpfändungsbegehrens nicht nur um die Dauer eines Verfahrens der in Erwägung 1 hievor bezeichneten Art, sondern auch um die Dauer eines allfälligen Widerspruchsprozesses verlängere, lässt sich aus Art. 88 Abs. 2 SchKG unmöglich ableiten. Im Sinne des zweiten Satzes dieser Bestimmung, der vom Falle spricht, dass ein Rechtsvorschlag erfolgt ist, kann unter "Klage" nur ein gerichtliches Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags, nicht auch ein solches zur Durchsetzung bzw. Beseitigung eines Drittanspruchs mit Bezug auf ein gepfändetes Vermögensstück verstanden werden (vgl. BGE 86 IV 230 Erw. 2, wo entschieden wurde, die Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG werde nicht einmal durch eine staatsrechtliche ![]() | 8 |
3. JAEGER sagt in N. 7 zu Art. 88 SchKG, wenn die Betreibung aus irgendeinem Grunde durch amtliche Verfügung eingestellt worden sei, könne unterdessen auch die Frist von einem Jahre nicht laufen; sie werde durch die Einstellung unterbrochen, jedoch nur in dem Sinne, dass sie nach Beendigung der Einstellung nicht wieder von vorne beginne, sondern weiter laufe. Die Vorinstanz nimmt (wie laut Vernehmlassung zur Beschwerde schon das Betreibungsamt) an, hier sei ein solcher Fall gegeben, da die Betreibung gegen den Rekurrenten nach Art. 107 SchKG durch die Erhebung der Widerspruchsklage gegen Schläfli eingestellt worden sei. Diese Schlussfolgerung geht jedoch schon deswegen fehl, weil die Erhebung einer Widerspruchsklage nach Art. 107 Abs. 2 SchKG nur "in Hinsicht auf den streitigen Gegenstand" zur Einstellung der Betreibung führt. Im vorliegenden Fall war der Anspruch, auf den die Klage sich bezog, allerdings der einzige Pfändungsgegenstand. Das bedeutet aber nicht, dass durch die Anhebung der Widerspruchsklage praktisch die ganze Betreibung eingestellt worden sei. Zwar konnte in der Betreibung Nr. 17389 einstweilen, d.h. solange der streitige Anspruch der einzige Pfändungsgegenstand blieb, keine Verwertung stattfinden und war (vgl. den zweiten Satz von Art. 107 Abs. 2 SchKG) auch der Lauf der Frist für die Stellung des Verwertungsbegehrens gehemmt. Dagegen stand der hängige Widerspruchsprozess einer Nachpfändung auf Begehren des Gläubigers keineswegs im Wege. Indem der Gläubiger vor Erledigung dieses Prozesses eine Nachpfändung verlangte, stellte er sich auch ![]() | 9 |
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob in Fällen, wo anders als hier die ganze Betreibung eingestellt wird, der von JAEGER aufgestellte Grundsatz wirklich allgemein gelte, d.h. ob in allen diesen Fällen die Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG während der Dauer der Einstellung stillstehe. Beiläufig mag hiezu immerhin bemerkt werden, dass JAEGER dies mindestens für den Fall einer Einstellung nach Art. 85 SchKG, die auf Grund einer vom Gläubiger bewilligten Stundung erfolgte, selber nicht annimmt (vgl. die in N. 7 zu Art. 88 zitierte Note 10 zu Art. 85 SchKG, wo gesagt wird, dass während einer solchen Einstellung die Fristen für die Begehren der Gläubiger weiterlaufen; vgl. ferner N. 4 zu Art. 297 SchKG). Diese Frage näher zu prüfen, ist indes im vorliegenden Falle nicht notwendig.
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Der Arrest ist allerdings bloss eine Sicherungsmassnahme, ![]() ![]() | 12 |
Für eine und dieselbe Forderung zwei oder mehrere Betreibungen nebeneinander zu führen, ist freilich im allgemeinen unzulässig. Der Schuldner kann sich einem neuen Zahlungsbefehl für eine bereits in Betreibung gesetzte Forderung durch Rechtsvorschlag widersetzen (JAEGER und JAEGER/DAENIKER N. 12 zu Art. 69 SchKG; Entscheid des Bundesrates vom 30. Dezember 1895 i.S. Dubois, Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs 5 Nr. 130 S. 354;BGE 39 I 469= Sep. ausg. 16 S. 171;BGE 69 III 72). Bei feststehender und unbestrittener Identität der Forderungen steht ihm auch der Beschwerdeweg offen (BGE 69 III 72). Es ist jedoch seit langem anerkannt, dass vom Verbot mehrfacher Betreibung für dieselbe Forderung bei der Arrestprosequierung eine Ausnahme gilt: Werden für die gleiche Forderung an verschiedenen Orten Arreste erwirkt, so ist dann, wenn für den Schuldner in der Schweiz kein allgemeiner Betreibungsort besteht, jeder dieser Arreste durch eine besondere, am Arrestort anzuhebende Betreibung zu prosequieren (BGE 54 III 226ff.); bei einem Schuldner, der in der Schweiz wohnt, genügt nach der neuern Rechtsprechung eine am ordentlichen Betreibungsort des Wohnsitzes angehobene Betreibung für die Prosequierung aller Arreste (BGE 77 III 128ff.), doch bleibt ![]() | 13 |
Nach alledem ist es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht nötig, die Frist für die Stellung von Nachpfändungsbegehren um die Dauer eines Widerspruchsverfahrens zu verlängern, um zu verhindern, dass neu entdeckte Aktiven des Schuldners dem Zugriff des Gläubigers entzogen bleiben.
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5. Eine solche Fristverlängerung lässt sich endlich auch nicht mit der vom Betreibungsamt angestellten Billigkeitserwägung rechtfertigen, der Gläubiger habe die Nachpfändung ohne sein Verschulden nicht früher verlangen können. Er hatte den provisorischen Verlustschein schon am 12. Dezember 1959 (oder kurz darauf) erhalten. Also hätte er schon lange vor Ablauf der Jahresfrist von Art. 88 ![]() | 15 |
Bestehen demnach keine stichhaltigen Argumente für die von der Vorinstanz vertretene Auffassung über die Dauer dieser Frist, so muss das Nachpfändungsbegehren vom 14. März 1962 als verspätet gelten, so dass die daraufhin erfolgte Pfändung aufzuheben ist.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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