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Informationen zum Dokument  BGE 89 III 72  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 37 Abs. 2 SchKG begreift der Ausdruck "Faustpfand" a ...
2. Bei der Verteilung des Reinerlöses nach Art. 144 Abs. 3 S ...
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16. Entscheid vom 8. November 1963 i.S. Garage Moderne SA
 
 
Regeste
 
1. Ist das Retentionsrecht, das ein Vermieter oder Verpächter als Dritter in einer gegen den Schuldner von anderer Seite angehobenen Betreibung auf Pfändung geltend macht, durch die Rechtsprechung aus zureichenden Gründen vom Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG ausgenommen worden? (Erw. 1).  
 
Sachverhalt
 
BGE 89 III, 72 (72)A.- In der Betreibung Nr. 26111 (Baumgartner gegen Widlake) für Fr. 200. - nebst Zins liess das Betreibungsamt BGE 89 III, 72 (73)St. Gallen ein in der Garage Moderne SA in Territet stehendes Automobil Vauxhall durch das Betreibungsamt Montreux pfänden. An diesem auf Fr. 1000. - geschätzten Fahrzeug machte die erwähnte Garageunternehmung ein "Pfandrecht" für Reparaturen und Bestandteile im Forderungsbetrage von Fr. 153.35 und ein Retentionsrecht für die Garagebenutzung von monatlich Fr. 45.- seit 9. Februar 1963 geltend. Am 20. Juni 1963 ersteigerte sie selbst den Wagen für Fr. 400.--; ihre vorzugsberechtigten Ansprüche waren in der Steigerungsankündigung auf Fr. 378.35 beziffert worden (die erwähnten Fr. 153.35 und eine Garagemiete für fünf Monate im Betrag von Fr. 225.--). Diese Ansprüche blieben im Widerspruchsverfahren unbestritten.
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B.- In der Abrechnung vom 13. August 1963 brachte das Betreibungsamt St. Gallen vom Zuschlagspreis von
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Fr. 400. -
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die Verwertungskosten in Abzug, betragend:
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a) diejenigen des Betreibungsamtes
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Montreux Fr. 77.95
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b) die eigenen " 44.35 Fr. 122.30
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und überwies der Garage Moderne SA den
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Restbetrag von Fr. 277.70
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C.- Mit rechtzeitig eingereichter Beschwerde verlangte die Garage Moderne SA die Zuweisung des ganzen Betrages ihrer durch Pfand- bzw. Retentionsrecht gesicherten Forderungen von Fr. 378.35. Sie hält dafür, die Verwertungskosten seien, soweit durch den Überschuss von Fr. 21.65 nicht gedeckt, vom betreibenden Gläubiger zu tragen.
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D.- Beschwerde und Rekurs wurden in den kantonalen Instanzen abgewiesen. Der Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 26. September 1963 geht davon aus, dass die "durch Faustpfand" gesicherte Forderung der Rekurrentin für Reparaturen und Bestandteile von Fr. 153.35 auch nach Abzug der Verwertungskosten voll gedeckt sei, dass dagegen für die "Mietzinsforderung" BGE 89 III, 72 (74)von Fr. 225.-- nach ständiger Rechtsprechung das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht gelte. Somit habe der Zuschlag zum Preise von Fr. 400.-- erfolgen dürfen ohne Rücksicht darauf, ob auch diese zweite Forderung durch den Reinerlös gedeckt sei. Nach Art. 144 Abs. 3 SchKG habe das Betreibungsamt dem Roherlös die sämtlichen Verwertungskosten vorweg entnehmen dürfen.
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E.- Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht weitergezogen. Sie hält am Beschwerdebegehren fest. Zur Begründung führt sie aus, ihren beiden Forderungen komme in gleicher Weise der Vorrang vor den Forderungen des betreibenden Gläubigers zu. Es gehe nicht an, sie für die zweite Forderung als mitbetreibend zu betrachten und infolgedessen an den Verwertungskosten teilnehmen zu lassen. Das führe zum unhaltbaren Ergebnis, dass beide Forderungen mit diesen Kosten belastet würden. Im übrigen seien die "frais de garde" gar nicht Mietzinse, wie denn kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Die Aufbewahrung des Wagens in der Garage der Rekurrentin sei einfach eine Nebenwirkung ("accessoire") des Retentionsrechtes für den Werklohn. Von der Pfändung an habe die Rekurrentin den Gewahrsam übrigens kraft dieser amtlichen Verfügung ausgeübt. Handle es sich somit nicht um Mietzins, so müsse die Regel des Art. 126 SchKG voll und ganz zur Geltung kommen. Infolgedessen sei ihr der ganze Betrag ihrer Forderungen aus dem Verwertungsergebnis zuzuweisen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
 
1. Nach Art. 37 Abs. 2 SchKG begreift der Ausdruck "Faustpfand" auch das Retentionsrecht. Das gilt wie für das Retentionsrecht des Art. 895 ZGB so auch für das Retentionsrecht des Vermieters und des Verpächters nach Art. 272 und Art. 286 Abs. 3 OR. Art. 898 Abs. 1 ZGB gibt dem in jenem ersten Sinne Retentionsberechtigten ausdrücklich das Recht, die Sache wie ein Faustpfand zu verwerten, und nach Art. 283 Abs. 3 SchKG wird auch BGE 89 III, 72 (75)das Retentionsrecht der zweiten Art durch Betreibung auf Pfandverwertung geltend gemacht. Indessen hat die Praxis hinsichtlich des Retentionsrechts des Vermieters oder Verpächters eine gewisse Ausnahme Platz greifen lassen bei Geltendmachung als Drittanspruch in einer von anderer Seite gegen den Mieter oder Pächter angehobenen Betreibung: In diesem Falle soll nämlich das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht angewendet werden, sondern die Verwertung ohne Rücksicht darauf geschehen können, ob die durch das Retentionsrecht gesicherten Forderungen des Vermieters oder Verpächters gedeckt sind oder nicht. So hat bereits der Bundesrat am 13. März 1894 entschieden mit der Begründung, da der Vermieter oder Verpächter sein Retentionsrecht auf dem Betreibungswege zu realisieren habe, sei er in jenem Falle jedenfalls für verfallenen Miet- oder Pachtzins als mitbetreibend anzusehen; daher entfalle das Deckungsprinzip, während das pfandähnliche Vorzugsrecht als solches zu berücksichtigen sei. Bei Verteilung des Erlöses sei daher in folgender Reihenfolge vorzugehen: In erster Linie seien die Kosten der Verwertung und Verteilung zu decken (Art. 144 Abs. 3 SchKG), dann die retentionsgesicherten Forderungen (soweit möglich) und zuletzt die Forderungen der pfändenden Gläubiger (soweit auf sie noch etwas entfalle). Das Bundesgericht ist dieser Betrachtungsweise beigetreten (BGE 42 III 221). Es hat ferner entschieden, der Streit über ein solches Retentionsrecht sei erst nach Verwertung der angesprochenen Gegenstände auszutragen, weil sich der Zeitraum des Retentionsschutzes vorher noch gar nicht umgrenzen lasse (BGE 54 III 5ff.). Und hieran anknüpfend hat das Bundesgericht jene Ausnahme vom Deckungsprinzip auf das Retentionsrecht für laufenden Miet- oder Pachtzins ausgedehnt und sie in neuer Weise begründet: Weil das Widerspruchsverfahren über ein Retentionsrecht solcher Art erst nach geschehener Verwertung eingeleitet werden darf, ist bei der Verwertung noch gänzlich ungewiss, ob und in welchem Umfang ein solches Retentionsrecht besteht; somit kann dieses Recht für die Bestimmung BGE 89 III, 72 (76)des Mindest-Zuschlagspreises schlechterdings keine Rolle spielen (BGE 65 III 6ff.).
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Die Rekurrentin zieht die Begründetheit dieser im Gesetze nicht vorgesehenen, von der Praxis jedoch aus den erwähnten Gründen anerkannten Ausnahme vom Deckungsprinzip in Zweifel, ohne sich damit des nähern auseinanderzusetzen. Dieses Problem kann hier auf sich beruhen bleiben, weil der Zuschlag zu Fr. 400.-- auch bei Anwendung des Deckungsprinzips hätte erfolgen können; denn dieser Preis überstieg beide retentionsgesicherten Forderungen. Übrigens hat die Rekurrentin - als Erwerberin des Wagens an der Steigerung - die Verwertung als solche nicht angefochten. Unter diesen Umständen ist es auch ohne Belang, ob das für die zweite Forderung geltend gemachte Retentionsrecht überhaupt auf einem Mietverhältnis oder vielmehr wie dasjenige für die Werklohnforderung auf Art. 895 ZGB beruhe. Laut der Pfändungsurkunde hatte die Rekurrentin eine "location" von Fr. 45.- monatlich geltend gemacht, während sie sich später (im Schreiben vom 20. Juli 1963) auf ein einheitliches (auf Art. 895 ZGB gestütztes) Retentionsrecht für beide Forderungen berief. Wie es sich auch mit der Rechtsgrundlage dieses Anspruchs verhalten mag, ist bei der Verteilung des Erlöses das im vollen Umfang anerkannte Retentionsrecht für beide Forderungen zu berücksichtigen.
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2. Bei der Verteilung des Reinerlöses nach Art. 144 Abs. 3 SchKG bleiben die retentionsgesicherten Forderungen teilweise ungedeckt. Die Rekurrentin glaubt dies angesichts ihres Vorzugsrechtes nicht hinnehmen zu müssen. Sie hält dafür, die Regel des Art. 144 Abs. 3 SchKG, wonach die Kosten der Verwertung und der Verteilung vorab aus dem Erlöse zu decken sind, dürfe nicht zu ihrem Nachteil angewendet werden. Mit Recht haben jedoch die Vorinstanzen die auf dieser Norm beruhende Abrechnung des Betreibungsamtes bestätigt. Auch wenn man die Rekurrentin nicht als mitbetreibende Gläuberin (im Sinne der erwähnten Rechtsprechung) betrachtet, gehört sie zu den gemäss Art. 144 Abs. 4 SchKG an der Verteilung des BGE 89 III, 72 (77)Erlöses "beteiligten" Gläubigern, da ihr Retentionsrecht eben bei der Zwangsverwertung zu einem in bar zu erlegenden Preis realisiert worden ist (vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 144 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 482; FRITZSCHE, SchKRecht I S. 270). Nach dieser Vorschrift kommt zur Verteilung unter die beteiligten Gläubiger nur der Reinerlös (ebenso in der Betreibung auf Pfandverwertung nach Art. 157 SchKG und Art. 113 VZG, entgegen der Darstellung der Rekurrentin). Freilich erwähnt das Gesetz in Art. 144 die Pfandgläubiger nicht ausdrücklich, und es erhebt sich denn auch die Frage, inwieweit der Abzug der Verwertungs- und Verteilungskosten zu deren Lasten gehen dürfe, da sie doch nur am Erlös aus den Pfand- bzw. Retentionsgegenständen beteiligt sind. Mit Recht beantwortet JAEGER (N. 4 zu Art. 144 SchKG) diese Frage mit dem Hinweis auf die im Konkurs geltende Regel des Art. 262 Abs. 2 SchKG, welche die Stellung der Pfandgläubiger ins Auge fasst. Danach werden auf den Erlös von Pfandgegenständen nur die Kosten ihrer Verwaltung und Verwertung verlegt. So ist es auch zu halten, wenn in einer Betreibung auf Pfändung Dritten verpfändete Gegenstände verwertet worden sind. Die Rekurrentin hat also bloss Anspruch auf den aus ihrem Pfand erzielten Reinerlös, wobei indessen nur die Kosten der Verwertung dieses Gegenstandes und der Verteilung des darauf entfallenden Erlöses abgezogen werden dürfen. Mit diesen Grundsätzen steht die vorliegende Abrechnung im Einklang. Es war nichts anderes als der von der Rekurrentin retinierte Wagen gepfändet, und die angefochtene Abrechnung umfasst nicht etwa Kosten früherer Verfahrensstadien, sondern bezieht sich nur auf die Verwertung und Verteilung, wie sich aus den Akten ergibt und die Vorinstanzen - übrigens ohne Widerspruch der Rekurrentin - feststellen.
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Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- u. Konkurskammer:
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Der Rekurs wird abgewiesen.
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