BGE 91 III 41 | |||
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9. Entscheid vom 8. Februar 1965 i.S. Brühwiler. | |
Regeste |
1. Zustellung einer Pfändungsurkunde. Art. 34 SchKG. |
2. Ort der Zustellung. Art. 64 Abs. 1 SchKG. |
Wohnung und Arbeitsstätte des Schuldners stehen als Ort der Zustellung in gleichem Rang. Die Zustellung an der Arbeitsstätte ist zulässig, gleichgültig ob der Schuldner in einem Dienstverhältnis steht oder einen selbständigen Beruf ausübt. (Erw. 3). |
3. Zustellung in einem andern Betreibungskreis. Art. 66 Abs. 2 SchKG. Lässt das die Betreibung durchführende Amt eine solche Zustellung durch einen seiner eigenen Weibel vornehmen, statt die Rechtshilfe des für den Zustellungsort zuständigen Amtes in Anspruch zu nehmen, so bildet dies höchstens einen binnen der Frist des Art. 17 SchKG durch Beschwerde geltend zu machenden Anfechtungs-, keinen von Amtes wegen zu beachtenden Nichtigkeitsgrund. (Erw. 4). |
4. Disziplinarbefugnisse der kantonalen Aufsichtsbehörden. Art. 14 Abs. 2 SchKG. |
Auf Ergreifung solcher Massnahmen besteht kein bundesrechtlicher Anspruch. (Erw. 6). |
5. Zulässiger Zweck des Beschwerdeverfahrens. Art. 21 SchKG. (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
A.- In einer vom Betreibungsamt Bern 2 gegen B. Brühwiler geführten Betreibung erging am 8. Januar 1965 mit gewöhnlichem Brief eine Pfändungsankündigung auf den 12. Januar. Es konnte an diesem Tage zu keinem Vollzuge kommen, da der damit beauftragte Weibel des Betreibungsamtes Bern 2 in der Wohnung des Schuldners niemand antraf. Auf Anfrage über den Grund seines Fernbleibens bestritt der Schuldner, eine Pfändungsankündigung erhalten zu haben.
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B.- Am 14. Januar begab sich der nämliche Betreibungsweibel auf das Büro des bei der eidgenössischen Steuerverwaltung arbeitenden Schuldners, um ihm eine neue Pfändungsankündigung auf den 18. Januar, 8 Uhr 50, zuzustellen. Der Schuldner verbrannte jedoch diese Betreibungsurkunde vor den Augen des Weibels, worauf dieser ihm nur noch mündlich den Vollzugstermin bekanntgab. Zur vorgesehenen Stunde fand sich der Weibel, begleitet von einem Polizisten, bei der Wohnung des Schuldners ein. Da niemand öffnete, wurde die Wohnungstüre mit Hilfe eines Schlossers aufgetan und die Pfändung vollzogen.
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C.- Am 14. Januar 1965 führte der Schuldner Beschwerde wegen ungesetzlicher Art der Pfändungsankündigungen.
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Eine zweite Beschwerde des Schuldners vom 22./25. Januar 1965 richtete sich gegen den Pfändungsvollzug vom 18. Januar. Der Schuldner beantragte die Eröffnung einer Untersuchung wegen Hausfriedensbruches bzw. wegen Gehilfenschaft dazu gegen den Weibel und dessen Gehilfen sowie die Erteilung eines Verweises an diese Personen. Die Pfändung sei als nichtig zu erklären sowohl wegen unkorrekten Vorgehens beim Vollzug wie auch wegen ungesetzlicher Pfändungsankündigung. Keinesfalls hätte die Pfändung vollzogen werden dürfen während der Hängigkeit der ersten, gegen die Art der Pfändungsankündigungen geführten Beschwerde.
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D.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat beide Beschwerden abgewiesen, die erste am 25., die zweite am 27. Januar 1965.
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E.- Mit vorliegendem Rekurs gegen die zwei Beschwerdeentscheide stellt der Schuldner die Anträge:
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2.1 (Aufschiebende Wirkung)
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2.2 Die vorgenommenen Pfändungsankündigungen seien, weil gesetzwidrig, als nichtig zu erklären und aufzuheben.
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2.3 Der Vorsteher des Betreibungsamtes Bern 2, und eventuell seine Gehilfen, sei(en) disziplinarisch zur Verantwortung zu ziehen; sie selbst oder der Staat Bern seien für allen Schaden und alle Unbill aus diesen gesetzwidrigen Handlungen als haftbar zu erklären.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
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Daran ändert es nichts, dass der Rekurrent das die Pfändungsankündigung enthaltende Schriftstück vor den Augen des Zustellungsboten verbrannte. Die Zustellung war durch die Übergabe der Urkunde an ihn vollzogen (vgl. VON TUHR, Allg. Teil des OR, § 22 II, 2); indem er diese vernichtete, verfügte er über ein bereits in seinen Besitz gelangtes Schriftstück. Übrigens hätte die Zustellung selbst dann als erfolgt zu gelten, wenn der Schuldner die Annahme der Urkunde ungerechtfertigterweise verweigert hätte (BGE 59 III 67, BGE 82 III 15 Erw. 2 und BGE 82 II 167).
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3. Der weitere Einwand des Schuldners, die Pfändungsankündigung hätte ihm nur in seiner Wohnung, nicht auch im Büro gültig zugestellt werden können, hält ebenfalls nicht Stich. Nach Art. 64 SchKG können Betreibungsurkunden dem Schuldner in seiner Wohnung oder am Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt werden. Die Ansicht, der Arbeitsplatz falle nur bei selbständigen Berufsleuten oder Gewerbetreibenden in Betracht, findet im Gesetz keinen Anhaltspunkt. Es bestehen dafür auch keine sachlichen Gründe. Endlich verhält es sich nicht so, dass die Zustellung erst in zweiter Linie am Arbeitsort erfolgen dürfte. Die beiden Zustellungsorte stehen vielmehr im gleichen Rang (vgl. JAEGER, N. 4 zu Art. 64 SchKG).
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Indessen steht ein von Amtes wegen zu beachtender Nichtigkeitsgrund nicht in Frage. Ein solcher könnte vorliegen bei örtlicher Unzuständigkeit des die Betreibung fortsetzenden, also die Pfändungsankündigung erlassenden Betreibungsamtes; denn an der Beachtung dieser Zuständigkeit sind auch Dritte interessiert, die sich allenfalls mit ihren Forderungen der Pfändung anschliessen können (vgl.BGE 68 III 34, BGE 80 III 101, BGE 88 III 10). Nun war aber hiefür gerade das handelnde Betreibungsamt Bern 2 zuständig, in dessen Kreis der Schuldner, wie nicht bestritten ist, wohnt und wo sich daher sein ordentlicher Betreibungsort befindet. Fraglich ist nur, ob dieses Amt die Pfändungsankündigung auch durch einen eigenen Weibel im Kreise Bern 1 vornehmen lassen durfte (sofern sich das Büro des Rekurrenten wirklich in diesem Kreis befindet), oder ob es hiezu die Rechtshilfe des Betreibungsamtes Bern 1 hätte in Anspruch nehmen sollen, ja müssen. Bei Beschlagnahmeakten (Pfändung, Arrest) ist grundsätzlich zur Ausführung das Amt, in dessen Kreis die Gegenstände sich befinden, ausschliesslich zuständig; daher ist gegebenenfalls seine Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen und eine nicht von ihm vorgenommene Beschlagnahme als nichtig zu betrachten (vgl.BGE 55 III 165,BGE 56 III 228ff.,BGE 73 III 102/3). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um einen Beschlagnahmeakt, sondern um eine Zustellung ohne unmittelbaren Eingriff in Schuldnervermögen, nämlich um die Ankündigung einer mehrere Tage später in der Wohnung des Schuldners zu vollziehenden Pfändung. Freilich hat das Betreibungsamt ordentlicherweise Zustellungen ausserhalb seines Kreises nicht selbst vorzunehmen, sondern durch das örtlich zuständige Amt des Zustellungsortes vornehmen zu lassen (vgl. Art. 66 Abs. 2 SchKG). Die unmittelbare Zustellung durch einen Weibel des die Betreibung führenden Amtes verletzt aber keine wichtigen Interessen des Schuldners oder dritter Personen. Sie kann höchstens einen Grund zur Anfechtung binnen der Beschwerdefrist des Art. 17 SchKG bilden, was hier nicht geschehen ist, keineswegs einen Nichtigkeitsgrund, wie er nur bei schwerwiegenden Verfahrensmängeln gegeben wäre (vgl. M. IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1944 S. 129 ff., und V. SCHWANDER, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1954 S. 1 ff.).
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7. Zu Unrecht möchte der Rekurrent endlich auf dem Beschwerdewege gewisse Gesetzeswidrigkeiten als Grundlage von Schadenersatzansprüchen feststellen lassen. Die Beschwerde kann, wie mehrmals entschieden worden ist, nur zur Erreichung eines praktischen Verfahrenszweckes dienen und nicht zur blossen Feststellung einer Pflichtwidrigkeit erhoben werden (Art. 21 SchKG; BGE 81 III 67, Ende von Nr. 19 und S. 72 Erw. 3, BGE 86 III 109 Erw. 1). Über Schadenersatzansprüche und deren Voraussetzungen - gesetzwidriges Verhalten und Verschulden - hat der ordentliche Richter zu entscheiden; die Aufsichtsbehörden dürfen diesem Entscheide nicht vorgreifen.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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1.- Das Rekursbegehren 2.2 wird abgewiesen.
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