![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
10. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juni 1969 i.S. Wirtschaftsbank Zürich gegen Konkursmasse W. Fuchs & Co. | |
Regeste |
Anfechtungsklage (Art. 285 ff. SchKG). |
2. Pflicht zur Sicherstellung? (Erw. 3). |
3. Fremde oder eigene Schuld? Verletzt die Konkursmasse Treu und Glauben, indem sie sich auf die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaften beruft, deren Schulden der Gemeinschuldner sicherstellte? (Erw. 4). |
4. Ist die Errichtung eines Grundpfandes für eine fremde Schuld eine entgeltliche Verfügung, weil im Falle, dass der Pfandgläubiger durch Ablösung oder Verwertung des Pfandes aus dem Vermögen des Pfandeigentümers befriedigt wird, die Forderung des Pfandgläubigers nach Art. 827 Abs. 2 ZGB auf den Pfandeigentümer übergeht? Kann der Pfandeigentümer diese Forderung im Konkurs des Pfandschuldners mit Forderungen desselben gegen ihn verrechnen? (Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG). Entsprechende Anwendung von Art. 215 Abs. 1 SchKG? (Erw. 5). |
5. Kann eine Leistung an eine dem Pfandeigentümer nahestehende Person oder Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt von Art. 286 SchKG als Entgelt für die Pfandbestellung in Betracht kommen? (Frage offen gelassen). Missverhältnis zwischen der Leistung des Pfandeigentümers (Gemeinschuldners) und dem wirtschaftlichen Vorteil, den ihm ein Stillehalteversprechen der Pfandgläubigerin gegenüber ihm nahestehenden Gesellschaften möglicherweise mittelbar verschafft (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Am 2. Juni 1965 errichtete die Kommanditgesellschaft W. Fuchs & Co. zur Sicherstellung der Forderungen der Wirtschaftsbank gegen die Ladenstadt und die IBZ zulasten ihrer Liegenschaft Bernerstrasse 150 in Zürich-Altstetten eine im 5. Rang stehende Grundpfandverschreibung für Fr. 500'000.--.
| 2 |
Am 25. Oktober 1965 wurde über die IBZ, am 5. November 1965 über die Kommanditgesellschaft W. Fuchs & Co. und am 13. Mai 1966 über die Ladenstadt der Konkurs eröffnet.
| 3 |
B.- Im Konkurs der Firma W. Fuchs & Co. machte die Wirtschaftsbank für ihre Forderungen von rund Fr. 603'000.-- und Fr. 629'000.-- gegen die Ladenstadt bzw. gegen diese und die IBZ als Solidarschuldner das Pfandrecht aus der erwähnten Grundpfandverschreibung geltend. Die Konkursverwaltung wies diesen Anspruch unter Berufung auf Art. 286 und 287 Ziff. 1 SchKG ab.
| 4 |
Die Wirtschaftsbank klagte hierauf gegen die Konkursmasse W. Fuchs & Co. beim Einzelrichter für das beschleunigte Verfahren des Bezirkes Zürich auf Zulassung der streitigen Grundpfandverschreibung im Lastenverzeichnis. Die Beklagte machte geltend, die Errichtung dieses Pfandrechts sei nach Art. 286, 287 und 288 SchKG anfechtbar. Der Einzelrichter wies die Klage am 5. März 1968 in Anwendung von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG ab. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid am 18. Oktober 1968 mit der Begründung, die Pfandbestellung falle unter Art. 286 SchKG, weil die Gemeinschuldnerin damit innerhalb der letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung ihr Vermögen belastet habe, ohne eine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.
| 5 |
6 | |
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
| 7 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
8 | |
9 | |
Die Firma Fuchs hat die streitige Grundpfandverschreibung fünf Monate vor der Eröffnung des Konkurses über sie errichtet.
| 10 |
Um eine eigentliche Schenkung handelt es sich dabei nicht. Der Gemeinschuldnerin fehlte nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind, die Schenkungsabsicht, und es liegt nichts dafür vor, dass sie eine solche Absicht gleichwohl geäussert und die Klägerin ihrerseits den Willen bekundet habe, die Grundpfandverschreibung als Geschenk entgegenzunehmen.
| 11 |
Art. 286 SchKG erfasst jedoch nicht bloss eigentliche Schenkungen, sondern unentgeltliche Verfügungen aller Art und darüber hinaus Rechtsgeschäfte, bei denen die beidseitigen Leistungen zu Ungunsten des Schuldners in einem Missverhältnis stehen.
| 12 |
Eine Verfügung ist im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG unentgeltlich, wenn der Schuldner damit, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, eine Leistung erbringt, zu der er rechtlich nicht verpflichtet ist (BGE 31 II 352; BLUMENSTEIN, Handbuch des schweiz. Schuldbetreibungsrechtes, 1911, S. 877; W. HANGARTNER, Die Gläubigeranfechtung im schweiz. Recht, Zürcher Diss. 1929, S. 56). Wenn in BGE 49 III 29 ff. nicht erwähnt ![]() | 13 |
Ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von Art. 286 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG liegt vor, wenn die Leistung, die der Schuldner erhält, erheblich geringer ist als seine eigene Leistung (vgl. den französischen Text: les actes par lesquels le débiteur a accepté un prix notablement inférieur à la valeur de sa prestation; BGE 49 III 30). Ob ein solches Missverhältnis bestehe, beurteilt sich nach dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen (BGE 31 II 353, BGE 49 III 30). Ist die Leistung des Schuldners wirtschaftlich erheblich mehr wert als die Gegenleistung, so ist das Geschäft nach Art. 286 anfechtbar, wenn der Schuldner seine Mehrleistung ohne rechtliche Verpflichtung hiezu erbrachte. Ob das Missverhältnis der Leistungen und die Gefahr einer Schädigung der Gläubiger für den Empfänger der Leistung des Schuldners erkennbar waren, ist unerheblich (BGE 49 III 30). Ebenso kommt nach der herrschenden Lehre nichts darauf an, ob der Schuldner selbst das Missverhältnis kannte oder erkennen konnte (C. JAEGER, N. 8 zu Art. 286 SchKG, S. 372; HANGARTNER a.a.O. S. 57/58; E. BRAND, Anfechtungsklage I, SJK Nr. 742, 1942, S. 4 mit Fussnote 11; H. GAUGLER, Die paulianische Anfechtung, Bd. I 1944, S. 112; Frage offen gelassen in BGE 49 III 30).
| 14 |
Die Sicherstellung einer fremden Schuld kann nach Art. 286 SchKG anfechtbar sein (BGE 31 II 352 Erw. 4, BGE 49 III 30 /31), wogegen die Sicherstellung einer eigenen Schuld nur beim Zutreffen der Voraussetzungen von Art. 287 (oder 288) SchKG angefochten werden kann (C. JAEGER, N. 3 zu Art. 286, S. 370).
| 15 |
Die Errichtung der streitigen Grundpfandverschreibung war also nach Art. 286 SchKG anfechtbar, wenn die Firma Fuchs rechtlich nicht verpflichtet war, die Verbindlichkeiten der Ladenstadt und der IBZ sicherzustellen, und diese Verbindlichkeiten nicht etwa in Wirklichkeit eigene Schulden der Firma Fuchs waren, und wenn überdies die weitere Voraussetzung ![]() | 16 |
17 | |
4. Die Firma Fuchs, die IBZ und die Ladenstadt waren rechtlich selbständige Unternehmen. Jedes davon hatte sein eigenes Aktivvermögen und seine eigenen Schulden. Von der rechtlichen Selbständigkeit dieser drei Unternehmen wäre bei ![]() | 18 |
19 | |
![]() | 20 |
In der Begründung einer blossen Anwartschaft auf eine Regressforderung gegen den Pfandschuldner eine Gegenleistung des Pfandgläubigers für die Pfandbestellung zu erblicken, welche diese Verfügung zu einer entgeltlichen machen würde, erweckt Bedenken, auch wenn man davon absieht, dass die Regressforderung ohne Zutun des Pfandgläubigers von Gesetzes wegen (durch Subrogation) entsteht. Was der Pfandeigentümer möglicherweise auf dem Regressweg einbringen wird, ist in Wirklichkeit nicht das Entgelt für die Pfandbestellung, sondern für die Befriedigung des Pfandgläubigers. Für den Pfandeigentümer kann die Errichtung eines Pfandrechts zur Sicherung der Schuld eines Dritten im übrigen selbst dann einen Nachteil bedeuten, wenn das Pfand schliesslich nicht in Anspruch genommen wird; denn sie hindert ihn daran, über die vom Pfandrecht erfasste Quote des Werts der Pfandsache für eigene Zwecke zu verfügen. Dieser Nachteil wird durch die Begründung einer Anwartschaft auf eine allfällige Regressforderung nicht ausgeglichen, selbst wenn Aussicht auf Deckung dieser Forderung besteht.
| 21 |
![]() | 22 |
Die Auffassung der Klägerin, die Firma Fuchs bzw. ihre Konkursmasse könne sich für die zu erwartende Regressforderung gegen die IBZ durch Verrechnung mit den (höhern) Gegenforderungen der IBZ gegen die Firma Fuchs volle Deckung verschaffen, hält nicht stand. Die Firma Fuchs bzw. ihre Konkursmasse kann diese Regressforderung im Konkurs der IBZ nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG nicht mit den Forderungen der IBZ gegen sie verrechnen, weil im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses über die IBZ die Klägerin noch nicht durch Ablösung oder Verwertung des Pfandes aus dem Vermögen der Firma Fuchs befriedigt worden und die Forderung der Klägerin gegen die IBZ folglich noch nicht auf die Firma Fuchs übergegangen war. Dass die Klägerin damals eine Forderung gegen die IBZ besass, hindert die Anwendung von Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG nicht; denn diese Bestimmung verbietet nach Wortlaut und Sinn dem Schuldner des Gemeinschuldners auch die Verrechnung solcher Forderungen gegen den Gemeinschuldner, die im Zeitpunkte der Konkurseröffnung zwar schon bestanden, aber noch nicht dem Schuldner, der sie zur Verrechnung bringen möchte, ![]() | 23 |
In der Forderung gegen die IBZ, welche die Firma Fuchs bzw. deren Konkursmasse bei Ablösung oder Verwertung des der Klägerin bestellten Grundpfandes erhält, liegt also keine ![]() | 24 |
Die Gesetzesauslegung, die zu diesem Ergebnis führt, hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zur Folge, dass sogar jede Zahlung zur Tilgung eigener Schulden, die der Gemeinschuldner in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung geleistet hat, nach Art. 286 SchKG angefochten werden könnte. Die Zahlung fälliger eigener Schulden lässt sich schon deshalb nicht unter Art. 286 SchKG ziehen, weil sie in Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgt und aus diesem Grunde keine ganz oder teilweise unentgeltliche Verfügung im Sinne von Art. 286 SchKG darstellt, und die Anfechtung der Zahlung nicht verfallener Schulden in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung setzt nach Art. 287 SchKG voraus, dass der Gemeinschuldner im Zeitpunkt ihrer Vornahme bereits überschuldet war.
| 25 |
26 | |
Im deutschen Recht wird die Auffassung vertreten, die nichtgeschuldete Sicherung fremder Verbindlichkeiten könne sich nach der Willensmeinung der Beteiligten als unentgeltliche Verfügung darstellen; Verbürgung und Verpfändung seien aber entgeltlich, "wenn für die Haftübernahme als Gegenvorteil die Förderung eigener rechtlicher oder doch wirtschaftlicher Belange des Eintretenden angestrebt wird" (E. JAEGER, Die Gläubigeranfechtung ausserhalb des Konkursverfahrens, 2. Aufl. 1938, Anm. 53 zu § 3 des Anfechtungsgesetzes, S. 201; derselbe, Konkursordnung mit Einführungsgesetzen, 8. Aufl., I. Band ![]() | 27 |
Es kann dahingestellt bleiben, ob nach schweizerischem Recht eine Leistung an eine dem Pfandeigentümer nahestehende Person oder Gesellschaft unter dem Gesichtspunkte von Art. 286 SchKG unter Umständen als Entgelt für die Pfandbestellung anerkannt werden und die Anwendung dieser Bestimmung ausschliessen könne. Auch wenn man diese Frage grundsätzlich bejahen wollte, würde das der Klägerin im vorliegenden Falle nicht helfen. Die IBZ und die Ladenstadt erhielten nämlich im Zusammenhang mit der Errichtung der streitigen Grundpfandverschreibung keine neuen Kredite, sondern es handelte sich um die Sicherstellung bereits bestehender Schulden. Die Klägerin erklärte sich im Hinblick auf diese zusätzliche Sicherung ihrer "überfälligen" Kredite an die IBZ und die Ladenstadt lediglich bereit, während dreier Monate (bis Ende August 1965) von weitern rechtlichen Massnahmen gegen diese beiden Gesellschaften abzusehen, und zwar gab sie diese Erklärung nicht einmal vorbehaltlos, sondern "unter dem üblichen Vorbehalt" ab (vgl. das bereits erwähnte Schreiben der Klägerin vom 2. Juni 1965). Der wirtschaftliche Vorteil, den diese - prekäre - Zusicherung an die IBZ und die Ladenstadt der Firma Fuchs mittelbar geboten haben mag, stand zu ihrer eigenen Leistung auf jeden Fall in einem starken Missverhältnis. Die Pfandbestellung wäre also, wenn ohne Rechtspflicht dazu erfolgt, selbst dann nach Art. 286 SchKG anfechtbar, wenn man annehmen wollte, ein mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil dieser Art könne an sich als Gegenleistung für die Pfandbestellung in Betracht fallen.
| 28 |
Die Vorinstanz hat nach alledem zu prüfen, ob die Firma Fuchs rechtlich zur Sicherstellung der Schulden der IBZ und der Ladenstadt verpflichtet war. Trifft das nicht zu, so ist die Klage auf Zulassung der streitigen Grundpfandverschreibung im Lastenverzeichnis in Anwendung von Art. 286 SchKG abzuweisen. Wurde die Grundpfandverschreibung dagegen in Erfüllung einer Rechtspflicht zur Sicherstellung der genannten Schulden errichtet, so lässt sich die Pfandbestellung nicht auf Grund von Art. 286 SchKG anfechten und muss noch geprüft werden, ob diese Rechtshandlung aus einem andern Grunde, insbesondere nach Art. 288 SchKG, anfechtbar sei.
| 29 |
30 | |
31 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |