BGE 96 III 83 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
14. Entscheid vom 9. Oktober 1970 i.S. Spar- und Leihkasse Schmerikon in Liq. und Oettli. | |
Regeste |
Verwertung eines Grundstücks im Konkurs vor Erledigung der Prozesse über die Kollokation von Grundpfandforderungen (Art. 128 Abs. 2 VZG). |
Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. |
Fall, dass der auf dem Grundstück geführte Geschäftsbetrieb mangels Deckung der Grundpfandzinsen durch das Betriebsergebnis vor der Verwertung geschlossen werden müsste, wenn mit der Verwertung bis zur Erledigung der Kollokationsprozesse zugewartet würde. |
Einfluss der Verwertung auf den Zinsenlauf. | |
Sachverhalt | |
In dem am 1. Dezember 1969 eröffneten Konkurse über die Hobet AG in Herisau bewilligte die kantonale Aufsichtsbehörde am 11. September 1970 auf Gesuch des Konkursverwalters in Anwendung von Art. 128 Abs. 2 VZG die vorzeitige Verwertung der im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehenden Liegenschaft Bad Horn in Horn TG.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist die Rekurse ab.
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Erwägungen: | |
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Ein Ausnahmefall im Sinne von Art. 128 Abs. 2 VZG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich dann gegeben, wenn ganz besondere Umstände eine unverzügliche Verwertung fordern, die Verwertung als "überdringlich" erscheinen lassen (BGE 72 III 29,BGE 75 III 102,BGE 78 III 79, BGE 80 III 80, BGE 88 III 25 E. 2, 37 E. 4). Ist diese Voraussetzung erfüllt, so können nur besonders wichtige Interessen die Verweigerung der Bewilligung zur vorzeitigen Verwertung rechtfertigen. Der Entscheid darüber, ob die vorzeitige Verwertung nach diesen Grundsätzen im einzelnen Falle gerechtfertigt sei, liegt weitgehend im Ermessen der kantonalen Aufsichtsbehörden. Das Bundesgericht kann in diesem Punkte nur eingreifen, wenn die kantonalen Behörden die erwähnten Grundsätze verkannt oder bei ihrer Anwendung das ihnen zustehende Ermessen überschritten haben (BGE 88 III 25 mit Hinweisen).
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2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz die für die Anwendung von Art. 128 Abs. 2 VZG massgebenden Grundsätze nicht verkannt, sondern sich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Sie hat das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten, indem sie fand, die Gefahr einer Schliessung des auf dem Grundstück geführten Betriebs könne wegen der durch diese Massnahme bedingten Werteinbusse einen Grund für die vorzeitige Verwertung bilden (vgl. BGE 80 III 81), und es ist auch nicht zu beanstanden, dass sie annahm, diese Gefahr bestehe im vorliegenden Falle, wenn der Betrieb nur mit Verlust fortgeführt werden könne; denn nach den in diesem Punkte nicht bestrittenen Angaben des Konkursverwalters verfügt die Masse nicht über die Mittel, die zur Deckung solcher Verluste nötig wären.
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Die Führung des Hotels Bad Horn verursachte in der Zeit vom 1. November 1969 bis 31. Juli 1970 ohne Berücksichtigung der in dieser Zeit aufgelaufenen Grundpfandzinsen einen Verlust von Fr. 6257.70. Dem Rekurrenten Oettli kann nicht zugegeben werden, dass ein Verlust in dieser Grössenordnung die Schliessung des Betriebs nicht zu rechtfertigen vermöchte, weil er in einem Grossbetrieb mit entsprechend grossem Umsatz entstanden sei und "in gar keinem Verhältnis" zu den von der Konkursverwaltung zu erhaltenden Werten stehe. Beim Fehlen finanzieller Reserven kann die Konkursverwaltung zur Schliessung des Betriebs gezwungen sein, auch wenn der eingetretene Verlust im Verhältnis zum Umsatz nicht hoch und - wie Oettli weiter behauptet - "eher zufällig bedingt" ist.
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Grösseres Gewicht haben an sich der Einwand Oettlis, eine Renditenberechnung sollte auf ein ganzes Jahr abstellen und dürfe beim in Frage stehenden Betrieb namentlich den Monat August und den Frühherbst nicht ausser Betracht lassen, sowie der Hinweis Oettlis auf das nach seiner Darstellung von ihm am Tage der II. Gläubigerversammlung (31. August 1970) dem Konkursverwalter unterbreitete Angebot, das Hotel auf den 1. Dezember 1970 zu einem angemessenen Zins zu pachten und durch einen Geranten auf eigene Rechnung betreiben zu lassen. (Dieser Hinweis ist nach Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG zu hören, da sich die Grundpfandgläubiger im kantonalen Verfahren zum Gesuch des Konkursverwalters um Bewilligung der vorzeitigen Verwertung nicht äussern konnten.) Könnte erwartet werden, dass die Betriebsergebnisse des Monats August und der darauf folgenden Monate den bis Ende Juli 1970 eingetretenen Verlust ausgleichen, und liessen sich neue Rückschläge durch eine Verpachtung des Betriebs vermeiden, so könnte sich die Schliessung des Betriebs erübrigen und liesse sich die vorzeitige Verwertung des Grundstücks nicht mit der Gefahr einer durch die Schliessung des Betriebs verursachten Werteinbusse begründen.
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Die Vorbringen Oettlis schlagen jedoch deshalb nicht durch, weil sie die Grundpfandzinsen ausser Betracht lassen. Dass sich aus dem Ertrag des für Rechnung der Konkursmasse geführten Hotelbetriebs oder aus dem in Aussicht gestellten Pachtzins neben den laufenden Unkosten auch die Grundpfandzinsen bestreiten liessen, behauptet Oettli selbst nicht und kann nicht angenommen werden. Die Grundpfandzinsen müssen aber bei einer normalen Geschäftsführung aus dem Betrieb herausgewirtschaftet werden. Weil das hier nicht möglich ist und der Betrieb deshalb vor Erledigung der - wahrscheinlich noch längere Zeit dauernden - Kollokationsprozesse geschlossen werden müsste, drängt sich die vorzeitige Verwertung auf.
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Die Vorinstanz ist freilich der Ansicht, das Weiterlaufen der Grundpfandzinsen lasse sich durch die vorzeitige Verwertung nicht verhindern. Sie übersieht dabei, dass bei pfandgesicherten Forderungen zwar nicht die Konkurseröffnung (Art. 209 SchKG), wohl aber die Verwertung den Zinsenlauf gegenüber dem Gemeinschuldner unterbricht (JAEGER N. 6 zu Art. 219 SchKG). Die fälligen Grundpfandzinsen sind (soweit nach Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB pfandgesichert) aus dem Verwertungserlös vorweg zu decken (Art. 135 Abs. 1 a.E. und Art. 259 SchKG, Art. 46 und 130 Abs. 1 VZG). Die vom letzten Zinstermin bis zum Steigerungstag laufenden Zinsen der überbundenen Pfandforderungen werden dem Ersteigerer auf Abrechnung am Zuschlagspreis überbunden, sofern die Steigerungsbedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen (Art. 48 Abs. 1 und 130 Abs. 1 VZG; vgl. hiezu Ziff. 9 der vorgedruckten Steigerungsbedingungen im Formular VZG Nr. 13 K, Protokoll der Grundstücksteigerung). Von der Versteigerung an hat der Erwerber die ihm überbundenen Kapitalschulden zu verzinsen. Soweit die grundpfandgesicherten Kapitalschulden dem Erwerber nicht überbunden, sondern durch Zahlung aus dem Verwertungserlös getilgt werden, laufen von der Versteigerung an keine Zinsen mehr. Auch grundpfandgesicherte Kapitalschulden oder Teile von solchen, die durch den Verwertungserlös nicht gedeckt werden, so dass das dafür bestehende Grundpfandrecht untergeht (Art. 74 KV, Art. 68 lit. b und 130 Abs. 1 VZG), sind von der Versteigerung an nicht mehr zu verzinsen, da sie nun eben nicht mehr pfandgesichert sind. Soweit das Kapital und die bis zur Versteigerung aufgelaufenen Zinsen einer Grundpfandschuld durch den Verwertungserlös nicht gedeckt werden, sind sie, wenn der Gemeinschuldner dafür persönlich haftet, in 5. Klasse zu kollozieren (Art. 219 Abs. 4 SchKG). Alle diese Regeln gelten im Falle der vorzeitigen Verwertung auch für die Forderungen, die erst nach der Verwertung zugelassen werden. Die vorzeitige Verwertung verhindert also die Belastung der Konkursmasse mit weitern Grundpfandzinsen.
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Ist die Verwertung der streitigen Liegenschaft aus den dargelegten Gründen im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 128 VZG besonders dringlich, so vermag das von den Rekurrenten geltend gemachte Interesse daran, als allfällige Bieter vor der Steigerung über den Bestand ihrer eigenen und der diesen vorgehenden dinglichen Rechte orientiert zu sein, die Verweigerung der vorzeitigen Verwertung nicht zu rechtfertigen (BGE 68 III 113E. 1,BGE 72 III 31,BGE 75 III 103E. 1,BGE 78 III 79/80 E. 1). Dass durch diese Massnahme nicht bloss das erwähnte Interesse, sondern Interessen von besonderer Bedeutung verletzt würden, wird nicht behauptet und ist auf Grund der vorliegenden Akten auch nicht anzunehmen. Insbesondere sind keine Tatsachen ersichtlich, "die eine ordnungsgemässe Verwertung vor Beendigung des Kollokationsstreites überhaupt unmöglich machen oder doch die Erzielung eines sachentsprechenden Erlöses in Frage stellen" könnten (BGE 78 III 80).
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