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8. Entscheid vom 4. März 1971 i.S. T. AG | |
Regeste |
1. Anspruch der Gläubiger auf Ausstellung eines Verlustscheins (Art. 149 SchKG) im Falle, dass der Schuldner die gepfändeten Gegenstände an unbekannte Dritte verkauft und ins Ausland wegzieht (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Als die T. AG am 8. November 1962 die Ausstellung eines Verlustscheins verlangte, antwortete ihr das Amt am 13. November 1962, es könne diesem Gesuch nicht entsprechen, weil ![]() | 2 |
B.- Am 5. November 1970 ersuchte die T. AG von neuem um Ausstellung eines Verlustscheins für die Betreibung Nr. 7744. Am 10. November 1970 entsprach das Betreibungsamt diesem Gesuch (Verlustbetrag Fr. 1'444.20).
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Gestützt auf diesen Verlustschein stellte die T. AG beim Betreibungsamt Lugano II, in dessen Amtskreis B. heute wohnt, das Begehren um Fortsetzung der Betreibung. Nach Zustellung der Pfändungsankündigung gab das Betreibungsamt Lugano II dem Schuldner auf eine Erkundigung hin vom Verlustschein Kenntnis. Hierauf führte der Schuldner gegen das Betreibungsamt Biel Beschwerde mit dem Antrag, der Verlustschein sei aufzuheben. Mit Rücksicht auf diese Beschwerde sah das Betreibungsamt Lugano vom Vollzug der angekündigten Pfändung ab.
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Am 15. Februar 1971 hiess die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern die Beschwerde gut, weil die Verfügung des Betreibungsamtes Biel vom 22. November 1962, es werde kein Verlustschein ausgestellt, innert der Frist von Art. 17 Abs. 2 SchKG nicht angefochten worden und daher rechtskräftig geworden sei.
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C.- Diesen Entscheid hat die T. AG an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde des Schuldners. Sie macht geltend, die Verfügung des Betreibungsamtes vom November 1962 sei nicht rechtskräftig geworden; es handle sich hier um eine Rechtsverweigerung, gegen die nach Art. 17 Abs. 3 SchKG jederzeit hätte Beschwerde geführt werden können.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.
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Erwägungen: | |
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2. Da der Schuldner die gepfändeten Gegenstände verkauft hatte und infolge seines Wegzugs ins Ausland nicht darüber befragt werden konnte, wer die Käufer seien, so dass es ![]() | 9 |
3. Es war demnach gesetzwidrig, dass das Betreibungsamt Biel der Rekurrentin im Jahre 1962 keinen Verlustschein ausstellte ![]() | 10 |
Eine solche Beschwerde hat die Rekurrentin jedoch unterlassen. Bei dieser Sachlage durfte das Betreibungsamt Biel auf seinen Bescheid vom 13./22. November 1962, mit dem es die von der Rekurrentin verlangte Massnahme in bestimmter Form abgelehnt hatte, nur zurückkommen, wenn darin eine Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 17 Abs. 3 SchKG lag, die jederzeit durch Beschwerde gerügt und daher vom Amt auch jederzeit wiedergutgemacht werden konnte, oder wenn seine Verfügung schlechthin nichtig war (zum Widerruf nichtiger Verfügungen durch das Amt selbst vgl.BGE 78 III 51, BGE 88 III 14 /15). Andernfalls wurde seine Verfügung rechtskräftig und unwiderruflich.
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a) Unter Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 17 Abs. 3 SchKG versteht die Rechtsprechung des Bundesgerichts, nachdem sie anfänglich auch willkürliche Massnahmen des Amtes unter diesen Begriff gezogen hatte (vgl. z.B. BGE 22 S. 265), seit dem EntscheideBGE 29 I 111f. = Sep.ausg. 6 S. 45 f. in Übereinstimmung mit der Praxis, die seinerzeit der Bundesrat befolgt hatte, nur die sog. formelle Rechtsverweigerung, d.h. die ausdrückliche oder stillschweigende Weigerung des Amtes, eine ihm obliegende Handlung vorzunehmen (vgl. ausser dem eben angeführten Entscheid die EntscheideBGE 30 I 186und 417,BGE 31 I 337und 741,BGE 32 I 183,BGE 36 I 111,BGE 38 I 198= Sep.ausg. 7 S. 42 und 157, 8 S. 129 und 287, 9 S. 11, 13 S. 29, 15 S. 12;BGE 79 III 73; BLUMENSTEIN, S. 79; JAEGER, N. 12 zu Art. 17 SchKG; FAVRE, S. 64; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs I, S. 44). Hinsichtlich der Frage, ob auch dann jederzeit Beschwerde wegen Rechtsverweigerung geführt werden kann, wenn das Amt eine bestimmte Massnahme durch eine ausdrückliche, mit einer Begründung versehene Verfügung abgelehnt hat, ist die Rechtsprechung nicht einheitlich (vgl. einerseitsBGE 49 III 177,BGE 63 III 51,BGE 78 III 23, BGE 80 III 24, wonach in einem solchen Falle grundsätzlich keine Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 17 Abs. 3 SchKG vorliegt, sondern innert der zehntägigen Frist des Art. 17 Abs. 2 SchKG Beschwerde zu führen ist; anderseitsBGE 77 III 85f., wo ausgeführt wird, ![]() | 12 |
Es kann sich fragen, ob an dem eben wiedergegebenen Vorbehalt auch künftig festgehalten werden soll, obwohl die Wendung "keine sachlichen Gründe" an die aufgegebene frühere Praxis erinnert, die neben der formellen Rechtsverweigerung auch die Willkür unter Art. 17 Abs. 3 SchKG zog. Diese Frage braucht jedoch im vorliegenden Falle nicht umfassend geprüft zu werden. Lehnt das Amt eine bestimmte Massnahme durch eine ausdrückliche, schriftlich erlassene und den Beteiligten (oder wenigstens dem Gesuchsteller) mitgeteilte Verfügung eindeutig ab, so bleibt der an der abgelehnten Massnahme interessierten Partei das Recht, wegen Rechtsverweigerung zu beliebiger Zeit Beschwerde zu führen, höchstens dann erhalten, ![]() | 13 |
b) Schlechterdings nichtig war die Verfügung des Betreibungsamtes Biel vom November 1962 nicht, weil die Verweigerung der Ausstellung eines Verlustscheins weder öffentliche Interessen noch Interessen am Verfahren nicht beteiligten Dritter verletzte, sondern nur die Interessen der Rekurrentin beeinträchtigte.
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Die damalige Verfügung des Betreibungsamtes wurde also mit dem unbenützten Ablauf der Beschwerdefrist des Art. 17 Abs. 2 SchKG rechtskräftig, so dass das Betreibungsamt dem neuen Gesuch um Ausstellung eines Verlustscheins, das die Rekurrentin im Jahre 1970 stellte, nicht hätte entsprechen sollen. Die Vorinstanz hat daher den Verlustschein vom 10. November 1970 mit Recht aufgehoben.
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