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7. Entscheid vom 21. März 1974 i.S. Tiefkühlvereinigung Bern und Umgebung | |
Regeste |
Verbindlichkeit des Konkursdekretes für die Konkursbehörden, Art. 171 SchKG. | |
Sachverhalt | |
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"II. Vereinszweck Art. 2
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Die "Tiefkühlvereinigung Bern und Umgebung" bezweckt die Aufklärung ihrer Mitglieder über die wirtschaftlichen Vorteile der Gefrierkonservierung. Ganz besonders soll darauf geachtet werden, dass möglichst breite Bevölkerungskreise auch schnellverderbliche Nahrungsmittel wie Frischfleisch, Gemüse, Früchte und Fertigmahlzeiten als Notvorrat anlegen.
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Die "Tiefkühlvereinigung Bern und Umgebung" wird ihre Mitglieder ständig über die neuesten Erkenntnisse der Gefrierkonservierung auf dem laufenden halten. Die Mitglieder der "Tiefkühlvereinigung Bern und Umgebung" werden auch über die Haltung der geeigneten Kühlgeräte durch neutrale Fachleute beraten. Es soll insbesondere auch minderbemittelten Mitgliedern ermöglicht werden, eigene Tiefkühlgeräte zu halten.
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III. Mittel Art. 3
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Vereinszweck: Um die in Art. 2 umschriebenen Vereinszwecke besser erfüllen zu können, wird die "Tiefkühlvereinigung Bern und Umgebung" Lebensmittel, die sich nach Sorte und Qualität besonders gut für die Gefrierkonservierung eignen, in grösseren Mengen einkaufen und diese preisgünstig an seine Mitglieder abgeben."
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Die TKV betrieb in der Folge einen bedeutenden Handel mit Fleisch und Fleischprodukten sowie Tiefkühlgeräten. Sie eröffnete vier Metzgereifilialen in Oberwangen, Bern, Lyss und Burgdorf, die von qualifizierten Metzgern geführt wurden. Der monatliche Umsatz dieser Filialen betrug ca. Fr. 80 000.-- bis 100 000.--. Gemäss Art. 20 der Statuten sollte der Verein ins Handelsregister eingetragen werden. Das Handelsregisteramt Bern lehnte es jedoch ab, den Eintrag vorzunehmen. Ende 1972 hatte die TKV ungefähr 700 Mitglieder.
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B.- Am 29. Januar 1973 meldete die TKV beim Konkursrichter Bern den Konkurs an mit der Begründung, es bestehe eine Unterbilanz in der Höhe von ungefähr Fr. 110 000.--. Mit Schreiben vom gleichen Tag machte die Vieh-und Fleischhandels AG (im folgenden als VFH bezeichnet), eine Gläubigerin der TKV, den Konkursrichter darauf aufmerksam, dass die TKV ausschliesslich kommerzielle Zwecke verfolge, dass sie daher als einfache Gesellschaft zu betrachten sei und dass ![]() | 8 |
Das Konkursamt Bern begann sogleich mit der Durchführung des Konkurses. Es verkaufte die leicht verderblichen Waren (Art. 243 Abs. 2 SchKG), führte die Inventaraufnahme durch, publizierte die Konkurseröffnung, lud auf den 13. März 1973 zur ersten Gläubigerversammlung ein, welche jedoch nicht beschlussfähig war, und liess sich ermächtigen, die übrigen Aktiven sofort zu verwerten, was in der Folge zum Teil auch geschah.
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C.- Mit Eingabe vom 5. April 1973 führte die VFH bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde mit dem Begehren, der gestützt auf das Konkurserkenntnis vom 31. Januar 1973 über die TKV durchgeführte Konkurs sei als nichtig zu erklären. Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 25. April 1973 gut und hob den Konkurs auf.
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D.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die TKV, der Entscheid der Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und das Konkursamt Bern sei anzuweisen, den Konkurs fortzuführen.
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Die VFH stellt in ihrer Vernehmlassung den Antrag, auf den Rekurs sei nicht einzutreten; eventuell sei er abzuweisen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
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Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann indessen offen bleiben. Eine Überprüfungsbefugnis der Konkursbehörden ![]() | 15 |
Entscheidend aber ist, dass sich auch nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts die Befugnis der Konkursbehörden, das Konkurserkenntnis auf seine Gesetzmässigkeit zu überprüfen, auf die Einleitung des Konkursverfahrens beschränkt. Hat der Konkursbeamte die Durchführung des Konkurses einmal an die Hand genommen, so kann er bzw. die Aufsichtsbehörde demzufolge nicht mehr auf das Konkurserkenntnis zurückkommen, auch wenn dieses an einem Mangel leiden sollte (Entscheid vom 15. Juli 1907 i.S. Levy-Sonneborn, Archiv SchK 1908 S. 6; JAEGER, N. 4 zu Art. 176 SchKG). Im vorliegenden Fall hat das Konkursamt Bern mit der Durchführung des Konkurses bereits begonnen. Es hat das Inventar aufgenommen, die Konkurseröffnung publiziert und eine Gläubigerversammlung abgehalten. Insbesondere hat es bereits Aktiven verwertet. Das Begehren der VFH, der Konkurs sei nichtig zu erklären, ging erst 65 Tage nach der Konkurseröffnung ein. In diesem Stadium des Verfahrens konnte die Aufsichtsbehörde keinesfalls mehr auf das Konkurserkenntnis zurückkommen, auch wenn man ihr im übrigen ein Prüfungsrecht zugestehen wollte. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und das Konkursamt Bern anzuweisen, ![]() | 16 |
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Nach der Rechtsprechung sind Betreibungshandlungen, die von einem nicht existierenden Gläubiger ausgehen oder die sich gegen einen nicht existierenden Schuldner richten, als nichtig zu betrachten (BGE 73 III 62, BGE 72 III 43, BGE 62 III 135, BGE 51 III 58, 66, BGE 43 III 177, BGE 41 III 2/3; V. SCHWANDER, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1954 S. 8; FRITZSCHE, a.a.O., I, S. 53). Im vorliegenden Fall fehlt es indessen nicht an einem tauglichen Konkurssubjekt. Der Konkursrichter, der durch die Eingabe der VFH darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die Rekurrentin möglicherweise wirtschaftliche Zwecke verfolge und daher nicht rechtsfähig sei, hat in seinem Entscheid deren Rechtsfähigkeit bejaht. Dieser Entscheid ist nach dem Gesagten für das Konkursamt und die Aufsichtsbehörden verbindlich, nachdem mit der Durchführung des Konkurses bereits begonnen worden ist. Es handelt sich dabei keineswegs um ein Nichturteil (vgl. dazu GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 227 N. 3, 71 N. 1), mag die Ansicht des Konkursrichters auch unzutreffend sein. Für das vorliegende Konkursverfahren ist daher davon auszugehen, der Rekurrentin komme die Rechtspersönlichkeit zu. Demzufolge müssen die Gläubiger, die eine Forderung gegen die Rekurrentin haben, kolloziert werden, obwohl sich ihre Forderung in Wirklichkeit möglicherweise gegen die einzelnen Vereinsmitglieder richtet. Umgekehrt kann die Konkursverwaltung, die von Gesetzes wegen befugt ist, alle zur Erhaltung und Verwertung der Konkursmasse gehörenden Geschäfte zu ![]() | 18 |
Im übrigen ist aber die Frage, ob der Rekurrentin die Rechtspersönlichkeit zukomme, nicht rechtskräftig entschieden. Sollten die Gläubiger einzelne Vereinsmitglieder für die Schulden der Rekurrentin belangen, so könnte der Zivilrichter frei darüber befinden, ob diese als Verein oder in Anwendung von Art. 62 ZGB als einfache Gesellschaft zu betrachten sei, für deren Verbindlichkeiten die Gesellschafter persönlich und solidarisch haften (Art. 544 Abs. 3 OR). Daraus ergibt sich übrigens, dass die VFH durch den Konkurs über die Rekurrentin in keiner Weise beschwert ist, da ihr die Möglichkeit, gegen die einzelnen Vereinsmitglieder vorzugehen, gewahrt bleibt.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
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