BGE 100 III 67 | |||
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18. Entscheid vom 14. Dezember 1974 i.S. Schweizerische Bankgesellschaft und Mitbeteiligte. | |
Regeste |
Bankenstundung (Art. 29ff. BankG) |
2. Das Stundungsgericht ist nicht zuständig zur Beurteilung der Frage, ob die Schuldner der in Stundung befindlichen Bank ihre erst nach Einreichung des Stundungsgesuchs entstandenen Schulden mit ihren Gegenforderungen verrechnen dürfen (Erw. 2). |
3. Das Stundungsgericht kann einem Dritten nicht unter Androhung von Busse für den Fall der Zuwiderhandlung die Weisung erteilen, bestimmte Beträge zur freien Verfügung der Bank zu halten (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Cosmos Bank reichte am 9. September 1974 beim Handelsgericht des Kantons Zürich ein Stundungsgesuch ein. Als provisorische Kommissärin wurde gleichentags die Gesellschaft für Bankrevisionen eingesetzt. Diese stellte am 13. September 1974 beim Handelsgericht das Gesuch, die vier schweizerischen Grossbanken, nämlich die Schweizerische Bankgesellschaft, der Schweizerische Bankverein, die Schweizerische Kreditanstalt und die Schweizerische Volksbank, seien anzuhalten, alle Zahlungen, die nach der Einreichung des Stundungsgesuchs zugunsten der Cosmos Bank bei ihnen eingegangen seien oder noch eingingen, zu deren freien Verfügung zu halten und keine Verrechnung mit bestehenden Forderungen vorzunehmen. Das Handelsgericht gab diesem Gesuch noch am gleichen Tag statt, worauf die vier Grossbanken, die vorher nicht angehört worden waren, Einsprache erhoben. Am 26. September 1974 wurde der Cosmos Bank mit Wirkung ab 9. September 1974, 10 Uhr, auf die Dauer eines Jahres eine Stundung im Sinne von Art. 29 ff. des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG) bewilligt und als definitive Kommissärin die Arthur Andersen & Co. AG eingesetzt. Hinsichtlich der Einsprache der Grossbanken fällte das Handelsgericht am 14. Oktober 1974 folgenden Entscheid:
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"Die Einsprache wird abgewiesen, und die nachfolgenden Banken: Schweizerische Bankgesellschaft,
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Schweizerischer Bankverein,
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Schweizerische Kreditanstalt,
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Schweizerische Volksbank,
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werden angewiesen, Zahlungen, die nach dem Eingang des Stundungsgesuches der Cosmos Bank (9. September 1974, 10 Uhr) zugunsten dieser Bank oder ihrer Kunden eingegangen sind oder noch eingehen werden, zur Verfügung der Cosmos Bank zu halten, und keine Verrechnung mit ihnen schon vor dem 9. September 1974, 10 Uhr, zustehenden Forderungen vorzunehmen, noch die eingegangenen Beträge zum Zwecke zukünftiger Verrechnung zurückzubehalten, unter der Androhung von Busse bis zu Fr. 5000.-- im Sinne von Art. 50 Bankengesetz im Zuwiderhandlungsfalle."
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B.- Gegen diesen Entscheid legten die betroffenen Banken bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts Rekurs ein, mit dem sie dessen Aufhebung beantragten. Die Cosmos Bank stellte in ihrer Vernehmlassung den Antrag auf Abweisung des Rekurses.
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Mit Verfügung vom 28. November 1974 wurde dem Rekurs aufschiebende Wirkung in dem Sinne beigelegt, dass den Rekurrentinnen nicht verwehrt wurde, im Rahmen der gesetzlichen Regelung Schulden gegenüber der Cosmos Bank mit Gegenforderungen gegen diese zu verrechnen, dass sie jedoch die Kommissärin darüber zu informieren hatten, welche Schulden sie mit welchen ihrer Forderungen verrechnen wollten, und dass sie für Schulden und Gegenforderungen, deren Verrechnung bestritten wurde, bis zur richterlichen oder gütlichen Erledigung der Streitigkeit gesperrte Kontos zu führen hatten.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
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2. Nach Art. 32 Abs. 1 BankG hat die Bankenstundung die gleichen Wirkungen wie die ordentliche Nachlassstundung. Während der Dauer der Stundung kann daher gegen die Bank eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt werden, und der Lauf jeder Verjährungs- oder Verwirkungsfrist, die durch Betreibung unterbrochen werden kann, ist gehemmt (Art. 297 Abs. 1 SchKG). Im übrigen führt die Bank nach Art. 32 Abs. 2 BankG ihr Geschäft unter der Aufsicht des Kommissärs und nach dessen Weisungen weiter, doch darf sie keine Rechtshandlungen vornehmen, durch welche die berechtigten Interessen der Gläubiger beeinträchtigt oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer begünstigt werden. Zahlungen an die Gläubiger dürfen nur mit Zustimmung des Kommissärs geleistet werden, und dieser ist ermächtigt, nach seinem Ermessen Auszahlungen an die Gläubiger mit fälligen Forderungen in bestimmter Höhe anzuordnen, wobei die Interessen der durch Rechtsgeschäft oder Gesetz privilegierten sowie der kleinen Gläubiger angemessen berücksichtigt werden sollen. Die Auszahlungen dürfen die Hälfte derjenigen Beträge nicht übersteigen, für die nach der Vermögensfeststellung des Kommissärs Deckung vorhanden ist. Nach Art. 32 Abs. 3 BankG kann das Gericht sodann
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"während der Stundung jederzeit weitere durch die Sachlage gebotene und im Interesse der Bank oder der Gläubiger liegende Massnahmen treffen. So kann es insbesondere anordnen, dass der Abschluss neuer Geschäfte, die Veräusserung von Liegenschaften, die Bestellung von Pfändern oder die Eingehung von Bürgschaften zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des Kommissärs bedürfen; solche Anordnungen sind öffentlich bekannt zu machen."
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Das Handelsgericht geht in seinem Entscheid davon aus, die weite Fassung dieser Bestimmung erlaube es dem Stundungsgericht, auch Dritten Weisungen zu erteilen.
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Wenn auch die Massnahmen, die das Stundungsgericht gestützt auf Art. 32 Abs. 3 BankG anordnen kann, nicht abschliessend aufgezählt sind, so versteht sich doch von selbst, dass diese Bestimmung nicht zum Erlass jeder beliebigen Anordnung ermächtigt. Ob die Massnahmen nur in Weisungen an die in Stundung befindliche Bank selbst bestehen dürfen, wie die Rekurrentinnen geltend machen, mag offen bleiben. Jedenfalls müssen sie die Grundregeln der schweizerischen Rechtsordnung respektieren. Eine Grundregel des Betreibungsrechts ist es nun aber, wie das Bundesgericht mehrfach entschieden hat, dass die Betreibungsbehörden nicht zuständig sind, materiell-rechtliche Streitigkeiten zu entscheiden, die Entscheidung derartiger Streitigkeiten vielmehr dem ordentlichen Zivilrichter vorbehalten ist. So kann z.B. die Konkursverwaltung bzw. die Aufsichtsbehörde nicht endgültig darüber befinden, was als Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse gehört und was Dritte beanspruchen dürfen (BGE 100 III 66; vgl. auch BGE 97 III 130; JAEGER, N. 4C zu Art. 197 SchKG). Ebensowenig sind im Bankennachlassverfahren die Nachlassbehörden zuständig, darüber zu entscheiden, ob die Treuhandanlagen der Bank zu deren Vermögen gehören oder ob sie von den Auftraggebern gestützt auf Art. 401 OR herausverlangt werden können (BGE 97 III 128 ff.; vgl. den Entscheid des Zivilrichters in der gleichen Sache in BGE 99 II 393 ff.). Entsprechend verhält es sich im Bankenstundungsverfahren. Art. 32 Abs. 3 BankG verschafft dem Stundungsgericht nicht die Kompetenzen eines Zivilgerichtes. Demgemäss hat das Bundesgericht in BGE 91 III 109 erkannt, die Frage, ob der Bank ein Pfandrecht an Wertschriften zustehe, die von einem Dritten herausverlangt würden, könne nicht vom Stundungsgericht entschieden werden, da es sich dabei um eine materiell-rechtliche Streitigkeit handle; vielmehr müsse der Dritte beim ordentlichen Richter auf Herausgabe der Titel klagen. Diese Verteilung der Kompetenzen ist sachlich durchaus gerechtfertigt, denn das Verfahren vor den Betreibungsbehörden eignet sich nicht für die Prüfung zivilrechtlicher Rechtsfragen; es bietet insbesondere dem Dritten, in dessen Rechte eingegriffen werden soll, nicht die gleichen prozessualen Garantien wie der Zivilprozess (vgl. BGE 97 III 130).
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Im vorliegenden Fall machen die Rekurrentinnen geltend, sie seien berechtigt, auch ihre erst nach Einreichung des Stundungsgesuches entstandenen Schulden mit ihren Forderungen gegenüber der Cosmos Bank zu verrechnen. Demgegenüber vertritt die Cosmos Bank die Ansicht, die Verrechnung solcher Schulden sei entsprechend der Regelung im Konkursverfahren in Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG ausgeschlossen. Die Frage, ob diese Bestimmung im Bankenstundungsverfahren analog anzuwenden sei und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an die Verrechnung unzulässig sein soll (vgl. dazu einerseits BACHMANN, Fälligkeitsaufschub und Stundung im schweizerischen Bankrecht, Diss. Zürich 1941 S. 94/95; anderseits HENGGELER, Die Verrechnung bei Fälligkeitsaufschub und Stundung gemäss dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen..., in Festgabe Edmund Schulthess S. 299 ff., 314; JAEGER, Juristische Probleme moderner Bankensanierungen, in Festgabe Ernst Scherz S. 9 ff., 13 ff.; GRANER, Revidiertes Obligationenrecht und Bankengesetz, S. 322), ist nun aber materiell-rechtlicher Natur, geht es doch darum, ob die Forderungen der Cosmos Bank zu Recht bestehen oder ob die Rekurrentinnen ihnen die Einrede der Verrechnung entgegenhalten können. Das Handelsgericht war daher nach dem Gesagten als Stundungsgericht zu ihrer Beurteilung nicht zuständig, so dass sein Entscheid aufzuheben ist.
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4. Die Frage, ob die Rekurrentinnen ihre erst nach Einreichung des Stundungsgesuchs entstandenen Schulden mit ihren Forderungen gegenüber der Cosmos Bank verrechnen können, ist mit der Gutheissung des Rekurses nicht entschieden. Es wird Sache der Cosmos Bank bzw. der Kommissärin sein, die Rekurrentinnen zur Stellungnahme darüber aufzufordern, welche Schulden diese mit welchen ihrer Forderungen verrechnen wollen. Sollte eine gütliche Einigung nicht gefunden werden können, so bleibt ihr nichts anderes übrig, als die bestrittenen Forderungen in Betreibung zu setzen und auf Rechtsvorschlag hin die Rechtsöffnung zu verlangen bzw. beim Richter Klage einzureichen. Es ist zuzugeben, dass dieses Vorgehen mehr Zeit beansprucht als der Erlass einer Weisung durch das Stundungsgericht und dass deswegen die Erreichung des Zweckes der Bankenstundung, nämlich die Behebung der Illiquidität der Bank, erschwert oder sogar vereitelt werden könnte. Diese Erwägung hat indessen zurückzutreten vor dem Anspruch der Rekurrentinnen, dass ihre Verrechnungseinrede in einem Zivilprozess vom ordentlichen Richter geprüft werde.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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