BGE 101 III 9 | |||
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2. Entscheid vom 7. Mai 1975 i.S. Vögtlin. | |
Regeste |
Rechtsvorschlag. | |
Sachverhalt | |
A.- In der Betreibung Nr. 16'917 erliess das Betreibungsamt Arlesheim auf Begehren der Etcenter Ltd., Zürich, am 24. September 1974 gegen den in Reinach wohnenden Willi Vögtlin einen Zahlungsbefehl für eine Forderung von Fr. 26'864.25 nebst Zins zu 5% seit 31. August 1967. Auf Begehren der gleichen Gläubigerin stellte das Betreibungsamt Basel-Stadt am 25. September 1974 unter der Nummer 45190 einen Zahlungsbefehl gegen die in Basel domizilierte Willi Vögtlin AG aus. Am 30. September 1974 richtete der Anwalt der beiden Schuldner zwei Schreiben an das Betreibungsamt Basel-Stadt. Im einen erhob er ordnungsgemäss Rechtsvorschlag in der Betreibung gegen die Willi Vögtlin AG. Das andere hatte folgenden Wortlaut:
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"Betreibung Nr. 16'917
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Sehr geehrte Herren
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Namens und im Auftrag von Herrn Willi Vögtlin, Reinach, erhebe ich gegen den von der Firma Etcenter Ltd., Zürich, veranlassten Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. 16'917 des Betreibungsamtes Basel-Stadt vom 24. September 1974 Rechtsvorschlag."
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Am 15. Oktober 1974, also nach Ablauf der ordentlichen Rechtsvorschlagsfrist, sandte das Betreibungsamt Basel-Stadt dieses Schreiben "gemäss telephonischer Vereinbarung" dem Vertreter der Schuldner zurück. Tags darauf ersuchte Willi Vögtlin beim Bezirksgerichtspräsidenten Arlesheim in der gegen ihn persönlich gerichteten Betreibung um Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages. Der Gerichtspräsident wies dieses Gesuch am 22. November 1974 ab, und das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 25. Februar 1975. Hierauf erliess das Betreibungsamt Arlesheim am 7. März 1975 die Pfändungsankündigung.
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B.- Gegen die Pfändungsankündigung erhob Willi Vögtlin am 14. März 1975 bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft Beschwerde mit dem Antrag, der am 30. September 1974 beim Betreibungsamt Basel-Stadt eingereichte Rechtsvorschlag sei als für die Betreibung Nr. 16'917 des Betreibungsamtes Arlesheim rechtsgültig erfolgt zu bezeichnen. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom 7. April 1975 ab.
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C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt der Schuldner, der Entscheid der Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und der Rechtsvorschlag sei als gültig zu erklären.
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Die Gläubigerin beantragt die Abweisung des Rekurses.
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Mit Verfügung vom 25. April 1975 wurde dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Nach der Rechtsprechung beginnt die Frist für die Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, das Betreibungsamt habe das Vorliegen eines gültigen Rechtsvorschlages zu Unrecht verneint, erst mit der Zustellung der Pfändungsurkunde zu laufen, es sei denn, das Betreibungsamt habe dem Schuldner seinen Entscheid über die Gültigkeit des Rechtsvorschlages schon vor der Fortsetzung der Betreibung durch eine formelle Verfügung eröffnet (BGE 75 III 88; vgl. auch BGE 91 III 4, BGE 85 III 14, 168). Im vorliegenden Fall hat sich das Betreibungsamt Arlesheim bis zur Zustellung der Pfändungsankündigung vom 7. März 1975 gegenüber dem Rekurrenten nicht darüber geäussert, ob es den an das Betreibungsamt Basel-Stadt gerichteten Rechtsvorschlag als gültig erachte. Die erst am 14. März 1975 zur Post gegebene Beschwerde war daher rechtzeitig. Dass der Rekurrent, der sein Versehen bereits am 15. Oktober 1974 entdeckt hatte, zunächst um Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages nachsuchte, kann ihm nicht schaden. Er wusste damals noch nicht, wie sich das Betreibungsamt Arlesheim zu seinem beim Betreibungsamt Basel-Stadt eingegebenen Rechtsvorschlag stellen würde. Unter diesen Umständen war es ein Gebot der Vorsicht, für alle Fälle den nachträglichen Rechtsvorschlag anzubringen. Da die in Art. 77 Abs. 2 SchKG vorgesehene Frist sehr kurz ist, musste dies sofort geschehen. Eine Verwirkung des Beschwerderechts kann sodann entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch nicht etwa darin erblickt werden, dass sich der Anwalt des Rekurrenten die beim Betreibungsamt Basel-Stadt eingereichte Rechtsvorschlagserklärung zurücksenden liess. Diese Rücknahme der Eingabe kann nicht als Verzicht auf den Rechtsvorschlag ausgelegt werden.
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Der Rekurrent macht nun geltend, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. insbesondere BGE 100 III 8 ff., BGE 96 III 98) gelte die Frist für eine Eingabe als gewahrt, wenn diese rechtzeitig bei einer unzuständigen Behörde eingereicht worden sei. Dieser Grundsatz müsse auch auf die Rechtsvorschlagserklärung angewendet werden. Er habe seinen Rechtsvorschlag innert Frist erhoben, jedoch versehentlich an die falsche Behörde, nämlich an das Betreibungsamt von Basel-Stadt statt an jenes von Arlesheim, geschickt. Der Rechtsvorschlag sei daher als gültig zu betrachten.
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3. In den vom Rekurrenten erwähnten Fällen hatte das Bundesgericht einzig darüber zu entscheiden, ob eine rechtzeitig bei einer unzuständigen Behörde eingereichte Beschwerde im Sinne von Art. 17 SchKG als gültig betrachtet werden dürfe. In BGE 100 III 8 ff. hielt es eine versehentlich an das Betreibungsamt statt an die Aufsichtsbehörde gerichtete Beschwerde für zulässig, während es in BGE 96 III 98 die Frage, ob die Beschwerdefrist des Art. 17 Abs. 2 SchKG durch Einreichung der Beschwerde bei einer örtlich unzuständigen Aufsichtsbehörde gewahrt werden könne, zwar offen liess, aber ausführte, eine solche Ansicht erscheine nicht zum vornherein als unzutreffend. Das Bundesgericht stützte sich bei diesen Entscheiden auf die neuere Gesetzgebung des Bundes auf dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege (vgl. vor allem Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren), wonach eine innert Frist an eine unzuständige Behörde gerichtete Eingabe zur Wahrung einer Frist genügt und von Amtes wegen an die zuständige Behörde weiterzuleiten ist, und zwar aus der Erwägung heraus, dass die Vorschriften des Betreibungsrechts über das Verfahren und die Organisation der Betreibungsbehörden dem Verwaltungsrecht nahestehen. Wegleitend war dabei der Gedanke, dass der Rechtsuchende, der sich in der Vielfalt der Amtsstellen nicht auskennt und gelegentlich auch nicht auskennen kann, nicht ohne Not um die Beurteilung seines Rechtsbegehrens durch die zuständige Instanz gebracht werden soll.
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Der gleiche Gedanke verdient auch beim Rechtsvorschlag Beachtung, obwohl sich dieser nicht ohne weiteres mit einer Eingabe an eine Verwaltungsbehörde vergleichen lässt. Dabei geht es allerdings weniger darum, den rechtsunkundigen Schuldner zu schützen, enthält doch das Zahlungsbefehlsformular die ausdrückliche Angabe, der Rechtsvorschlag sei "dem unterzeichneten Betreibungsamt" zu erklären, so dass ein Irrtum über die Zuständigkeit an sich nicht vorkommen sollte. Es kann daher zum vornherein nicht in Frage kommen, jede beliebige Amtsstelle als zur Entgegennahme des Rechtsvorschlags zuständig zu erklären. Eine dermassen weitgehende Erleichterung des Rechtsvorschlags drängt sich in keiner Weise auf und würde die ordnungsgemässe Abwicklung des Betreibungsverfahrens unnötig erschweren, wenn nicht sogar verunmöglichen. Zu prüfen ist im vorliegenden Fall einzig, ob ein versehentlich bei einem unzuständigen Betreibungsamt eingereichter Rechtsvorschlag zugelassen werden soll. Dabei fällt entscheidend ins Gewicht, welche Konsequenzen es für den Schuldner hat, wenn er es unterlässt, den Zahlungsbefehl rechtzeitig zu bestreiten. Wird nämlich kein Rechtsvorschlag erhoben, so kann die Betreibung - von dem an strenge Voraussetzungen geknüpften nachträglichen Rechtsvorschlag abgesehen - nicht mehr gehemmt werden, und dem zu Unrecht Betriebenen bleibt nur noch die mit Risiken behaftete betreibungsrechtliche Rückforderungsklage gemäss Art. 86 SchKG. Die Eigenart des schweizerischen Betreibungsrechts, das die Zwangsvollstreckung auf blosse Behauptung des Gläubigers hin und ohne Vollstreckungstitel zulässt, hat das Bundesgericht veranlasst, bei der Beurteilung der Gültigkeit eines Rechtsvorschlages jede nicht unbedingt gebotene formale Strenge zu vermeiden (vgl. BGE 98 III 30, BGE 70 III 52, BGE 63 III 69). Es hat deshalb in Abweichung von seiner älteren, strengeren Praxis für den Fall der Zustellung des Zahlungsbefehls auf dem Rechtshilfeweg die Erhebung des Rechtsvorschlags beim ersuchten statt beim ersuchenden Amt zugelassen. Aus dem gleichen Grund erscheint es aber auch als gerechtfertigt, ganz allgemein einen Rechtsvorschlag, der versehentlich bei einem unzuständigen Betreibungsamt eingereicht worden ist, als gültig zu betrachten.
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Gegen diese Lösung bestünden allenfalls dann Bedenken, wenn dadurch das Betreibungsverfahren erheblich verzögert würde. Das ist indessen kaum zu befürchten. In aller Regel ist der Schuldner an seinem Wohnsitz zu betreiben (Art. 46 Abs. 1 SchKG). In den meisten Fällen wird es daher genügen, dass das Betreibungsamt, das eine Rechtsvorschlagserklärung erhält, ohne mit einer entsprechenden Betreibung befasst zu sein, die Erklärung unverzüglich an das Betreibungsamt des Wohnsitzes des Betriebenen übermittelt. Allenfalls mag sich eine Rückfrage beim Betriebenen rechtfertigen. Für den Regelfall ist damit gewährleistet, dass der Rechtsvorschlag innert weniger Tage beim zuständigen Betreibungsamt eintrifft. Derartige Verzögerungen nimmt aber die Praxis schon heute in Kauf. Wird nämlich die Rechtsvorschlagserklärung am zehnten Tag seit Zustellung des Zahlungsbefehls bei einer schweizerischen Poststelle aufgegeben, was zulässig ist (Art. 32 SchKG; BGE 97 III 15), so gelangt sie erst am folgenden oder am übernächsten Tag in den Besitz des Betreibungsamtes. Noch grösser ist die Verzögerung dann, wenn der Zahlungsbefehl auf dem Rechtshilfeweg zugestellt worden ist und der Rechtsvorschlag am letzten Tag der Frist postalisch dem ersuchten statt dem ersuchenden Amt zugestellt wird. In einem solchen Fall kann es mehrere Tage dauern, bis der Rechtsvorschlag an die zuständige Stelle gelangt. Auch bei der heutigen Regelung ist das Betreibungsamt daher gezwungen, nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist einige Tage zuzuwarten, bis es dem Gläubiger auf dem für diesen bestimmten Doppel des Zahlungsbefehls bescheinigen kann, ob Rechtsvorschlag erhoben worden ist oder nicht (Art. 76 SchKG). Der Gläubiger erleidet dadurch keinen Nachteil, kann er doch das Fortsetzungsbegehren ohnehin nicht sogleich nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist, sondern erst nach 20 Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls stellen (Art. 88 Abs. 1 SchKG).
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Das hier dargestellte Vorgehen setzt allerdings voraus, dass aus der Rechtsvorschlagserklärung hervorgeht, wo der Betriebene wohnt. Ist aber der Rechtsvorschlag so unklar abgefasst, dass er nicht einmal den Wohnort des Schuldners enthält und dass sich ihm auch auf andere Weise nicht entnehmen lässt, welches Betreibungsamt die Betreibung führt, so kann er ohnehin nicht als gültig anerkannt werden. Überhaupt muss verlangt werden, dass die Rechtsvorschlagsklärung gewissen Minimalanforderungen genügt. Insbesondere muss aus ihr hervorgehen, auf welche Betreibung sie sich bezieht. Andernfalls wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, könnte sich doch der Schuldner anlässlich der Fortsetzung der Betreibung auf beliebige frühere Erklärungen gegenüber andern Ämtern berufen, was gegen das Verbot des Rechtsvorschlags "auf Vorrat" (BGE 91 III 5) verstossen und ein geordnetes Betreibungsverfahren erschweren würde. Schliesslich muss sich aus den Umständen ergeben, dass der Rechtsvorschlag aus Versehen beim unzuständigen Amt eingereicht worden ist. Es wird also auch in Zukunft nicht angehen, bei jedem beliebigen schweizerischen Betreibungsamt Rechtsvorschlag zu erheben. Vielmehr gilt weiterhin als Regel, dass der Rechtsvorschlag, wie im offiziellen Zahlungsbefehlsformular angegeben, an dasjenige Betreibungsamt zu richten ist, das die Betreibung führt.
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Beschränkt man die Möglichkeit, beim unzuständigen Betreibungsamt Rechtsvorschlag zu erheben, auf diese Weise, so sind Missbräuche kaum zu befürchten. Angesichts der Konsequenzen, die dies für ihn hätte, wird sich kein Schuldner der Gefahr aussetzen wollen, die Rechtsvorschlagsfrist dadurch, dass er mit voller Absicht an ein unzuständiges Amt gelangt, zu verpassen.
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Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
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