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4. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. Januar 1980 i.S. O. AG (Rekurs) | |
Regeste |
Lohn- bzw. Verdienstpfändung. |
2. Berechnung des Existenzminimums, wenn der Schuldner in einer eheähnlichen Familiengemeischaft lebt, aus der Kinder hervorgegangen sind (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Margrit G. ist im Gewerberegister der Gewerbepolizei der Stadt Bern als Inhaberin eines Geschäftes für Münzen und Medaillen eingetragen. Niklaus S. arbeitet als Geschäftsführer in diesem Geschäft. Gemäss Lohnausweis der Arbeitgeberin ![]() | 2 |
B.- In der Betreibung Nr. 12834, welche die O. AG für den Betrag von Fr. 11'031.-- nebst Zins gegen Niklaus S. angehoben hatte, vollzog das Betreibungsamt Bern am 3. August 1979 die Pfändung. Dabei stellte es fest, der Schuldner besitze keine pfändbaren Vermögenswerte; eine Lohnpfändung komme bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen nicht in Frage. Gestützt darauf stellte es der Gläubigerin einen Verlustschein aus.
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C.- Hierauf erhob die Gläubigerin beim Gerichtspräsidenten von Bern als erstinstanzlicher Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen Beschwerde mit dem Antrag, der Verlustschein sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen, sämtliche pfändbare Fahrnis im Besitz des Schuldners zu pfänden und eine angemessene Lohnpfändung zu verfügen. Mit Entscheid vom 5. Oktober 1979 hiess der Gerichtspräsident die Beschwerde insoweit gut, als er das Betreibungsamt anwies, die Fahrnispfändung gesetzeskonform zu vollziehen. Bezüglich der Lohnpfändung bestätigte er die angefochtene Verfügung. Er stellte fest, dass das Einkommen des Schuldners das Existenzminimum, berechnet aus Grundbedarf für ein Ehepaar von Fr. 785.--, Kinderzuschlägen von Fr. 215.-- und Fr. 275.-- sowie Mietzins von Fr. 750.--, bei weitem nicht erreiche.
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Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern, an die die Gläubigerin in der Folge rekurrierte, hob mit Entscheid vom 12. November 1979 den vom Betreibungsamt ausgestellten Verlustschein auf, bestätigte im übrigen aber den Entscheid des Gerichtspräsidenten. Sie liess die Frage offen, ob bei der Berechnung des Existenzminimums des Schuldners vom Grundbetrag von Fr. 590.-- für alleinstehende Personen oder von demjenigen von Fr. 785.-- für Ehepaare auszugehen sei, da in beiden Fällen kein pfändbarer Betrag verbleibe.
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D.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die O. AG, das Betreibungsamt sei anzuweisen, eine angemessene Lohnpfändung zu verfügen.
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Niklaus S. beantragt die Abweisung des Rekurses, während das Betreibungsamt in seiner Vernehmlassung daran festhält, dass bei der Berechnung des Existenzminimums der Grundbetrag für Ehepaare angerechnet werden müsse.
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Die Sache ist daher zu näherer Abklärung der Einkommensverhältnisse des Schuldners an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Sollte sich bei der erneuten Prüfung der Einkommensverhältnisse des Schuldners ergeben, dass dieser trotz den genannten Indizien, die für eine selbständige Erwerbstätigkeit sprechen, als Angestellter von Frau G. zu betrachten ist, so wird die Vorinstanz ernstlich zu erwägen haben, die Rekurrentin mit Formular Nr. 11 (Anzeige an den Gläubiger über den Bestand eines nicht feststellbaren Lohnanspruchs) aufzufordern, dem Betreibungsamt mitzuteilen, ob und allenfalls mit welchem Betrag nach ihrem Dafürhalten der Lohn des Schuldners dessen Existenzminimum übersteige. Diese Aufforderung hat immer dann zu erfolgen, wenn ernstliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner mehr verdient, als er und sein Arbeitgeber angeben (BGE 81 III 147; vgl. auch FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. I, S. 211/212; FAVRE, Droit de poursuites, 3. Aufl., S. 192). Das ist hier der Fall, ist doch kaum glaubhaft, dass sich der Schuldner als Geschäftsführer eines Geschäfts für Münzen und Medaillen bei einem Existenzminimum, das nach seinen eigenen Angaben Fr. 2'000.-- übersteigt, mit einem Monatslohn von Fr. 1'200.-- bis 1'500.-- zufriedengibt. Angesichts des Umstandes, dass der Schuldner seit Jahren mit seiner Arbeitgeberin zusammenlebt, kann nicht ohne weiteres auf den von dieser ausgestellten Lohnausweis abgestellt werden. Behauptet die Rekurrentin, der Lohn des Schuldners übersteige in Wirklichkeit dessen Existenzminimum, so ist der behauptete Mehrbetrag als bestrittenes Lohnguthaben zu pfänden.
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3. Je nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen über das Einkommen des Schuldners wird die Vorinstanz die Frage der Höhe des Existenzminimums nicht mehr offen lassen können. In dieser Beziehung macht die Rekurrentin geltend, der Schuldner ![]() | 13 |
a) Nach Art. 93 SchKG kann der Lohn des Schuldners nur soweit gepfändet werden, als er nicht für diesen und seine Familie unumgänglich notwendig ist. Zur Familie des Schuldners im Sinne dieser Bestimmung gehören auch seine ausserehelichen Kinder. Das hat die Rechtsprechung seit jeher anerkannt (BGE 58 III 167, 51 III 134/135, 45 III 115) und muss umso mehr unter der Herrschaft des neuen Kindesrechts gelten, das das aussereheliche Kindesverhältnis dem ehelichen gleichgestellt hat. Nach Art. 276 ZGB sind die Eltern verpflichtet, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen. Der Schuldner kann diese Pflicht entweder dadurch erfüllen, dass er Geldzahlungen leistet, oder aber dadurch, dass er die Kinder bei sich aufnimmt und ihnen Pflege und Erziehung gewährt (Art. 276 Abs. 2 ZGB). Nimmt er die Kinder bei sich auf, wozu er berechtigt ist, so sind bei der Ermittlung des Notbedarfs auch die vollen Beträge für den Kinderunterhalt gemäss den Richtlinien der kantonalen Aufsichtsbehörde zu berücksichtigen. Es kann nicht darauf ankommen, welche Beträge in den Vaterschaftsanerkennungen vereinbart wurden. Diese Beträge sind nur von Bedeutung für den Fall, dass die Kinder nicht bzw. nicht mehr im Haushalt des Schuldners leben sollten, was in der Vaterschaftsanerkennung bezüglich der Tochter Monika vom 25. März 1961 übrigens ausdrücklich gesagt wird.
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Hingegen wird die Vorinstanz zu untersuchen haben, ob nicht das ältere der beiden Kinder bereits ein eigenes Arbeitseinkommen hat. Wäre dies der Fall, so hätte es nach Art. 323 Abs. 2 ZGB einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt zu leisten, der zum Einkommen des Schuldners hinzugerechnet werden müsste.
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b) Durfte der Schuldner die Kinder bei sich aufnehmen, so sind auch die Wohnkosten (Fr. 750.-- pro Monat für eine Mehrzimmerwohnung in Ostermundigen) nicht übersetzt.
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d) Ein Konkubinatsverhältnis, aus dem Kinder hervorgegangen sind, ist somit unter dem Gesichtspunkt der Notbedarfsermittlung im wesentlichen gleich zu behandeln wie ein eheliches Familienverhältnis. Ein Unterschied besteht lediglich insofern, als ein Beitrag der Ehefrau an die ehelichen Lasten nur in Rechnung zu stellen ist, wenn die Ehefrau tatsächlich einem Verdienst nachgeht, wozu sie nicht verpflichtet ist, während eine Beitragspflicht der Konkubine schon dann unterstellt wird, wenn ihr eine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist.
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Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz keine Feststellungen darüber getroffen, ob Frau G. eine Erwerbstätigkeit ausübt. Gegenüber dem Betreibungsamt hatte der Schuldner erklärt, sie widme sich ausschliesslich der Haushaltführung. Ob diese Behauptung zutrifft, wurde nicht abgeklärt. Die Vorinstanz wird dies im Rückweisungsverfahren nachzuholen haben. Sollte sich ergeben, dass Frau G., sei es aus dem Geschäft oder aus anderweitiger Arbeit, ein Einkommen erzielt, wird die Vorinstanz ihren Beitrag an die Lasten des Haushalts festzulegen haben, für dessen Bemessung die Regeln, die für die Beitragspflicht der Ehefrau entwickelt worden sind (vgl. BGE 94 III 8 E. 3), sinngemäss herangezogen werden dürfen. Sollte Frau G. jedoch tatsächlich nicht erwerbstätig sein und auch aus dem Geschäft keinen Gewinn erzielen, so wird die Vorinstanz angesichts des fortgeschrittenen Alters der Kinder zu prüfen haben, ob ihr nicht wenigstens eine Teilzeitarbeit zugemutet werden kann und wieviel sie auf diese Weise verdienen und gegebenenfalls an den Haushalt beisteuern könnte.
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Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
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