![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
24. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 1. Juni 1984 i.S. KIMA Treilerservice (Rekurs) | |
Regeste |
Sicherung des Massevermögens. |
2. Die Konkurseröffnung ist der massgebliche Zeitpunkt, um zu bestimmen, wer an einer im Konkurs strittigen Sache den Gewahrsam hat (E. 2). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Mit Beschwerde vom 13. Februar 1984 stellte die KIMA folgende Begehren:
| 2 |
"1. Das Konkursamt Basel-Stadt sei anzuweisen, in Anwendung von Art. IV der Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beidseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826, die sieben Auflieger "Kögel" (Inv. Nr. V 7) zu admassieren;
| 3 |
2. Das Konkursamt Basel-Stadt sei anzuweisen, der Dritteigentumsansprecherin, Fa. Greyhound Financial & Leasing Corporation AG, Zug, gemäss Art. 242 SchKG Frist zur Geltendmachung ihres Aussonderungsanspruches anzusetzen;
| 4 |
3. Das Konkursamt Basel-Stadt sei unabhängig davon anzuhalten, die Vorgänge um den Verbleib der erwähnten Auflieger abzuklären."
| 5 |
Die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde mit Entscheid vom 2. April 1984 ab.
| 6 |
Mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts wiederholt die KIMA ihre Rechtsbegehren an die Basler Aufsichtsbehörden mit der Ergänzung in Ziffer 3, dass das Konkursamt anzuweisen sei, "bei Feststellen strafrechtlich relevanter Tatbestände die Akten an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten".
| 7 |
Das Konkursamt und die GAG schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung des Rekurses.
| 8 |
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. a) Die Rekurrentin macht zunächst eine Verletzung von Art. 221 SchKG geltend. Sie wirft dem Konkursamt vor, es habe die erforderlichen Massnahmen unterlassen, um den Ort ausfindig zu machen, wo sich die Lastwagen befanden. Es habe zudem unterlassen, sich um deren Rückführung in die Schweiz zu bemühen. Sie kritisiert auch, das Konkursamt habe das Strassenverkehrsamt nicht darauf aufmerksam gemacht, dass die Lastwagen zur Konkursmasse gehörten und dass deshalb das Konkursamt allein über die Fahrzeugausweise und Nummernschilder verfügen könne. Im weiteren hätte das Konkursamt beim Bekanntwerden, dass sich die Lastwagen auf dem Gebiete des ehemaligen Königreiches Württemberg befinden, diese durch die deutschen Behörden ![]() | 9 |
b) Soweit die Rekurrentin dem Konkursamt vorwirft, es habe in der Vergangenheit nicht richtig gehandelt, ist ihr Rekurs unzulässig. Der Rekurs kann nur bezwecken, dem Konkursamt gemäss Art. 21 SchKG ausführbare Anweisungen zu erteilen, nicht jedoch, allfällige, in der Vergangenheit liegende Fehler des Konkursamtes feststellen zu lassen, um so einer eventuellen Verantwortlichkeitsklage eine bessere Ausgangslage zu verschaffen (BGE 105 III 36 /37 mit Hinweisen).
| 10 |
c) Im übrigen ist eine Verletzung von Art. 221 SchKG keineswegs erstellt. Diese Bestimmung weist das Konkursamt ganz allgemein an, die erforderlichen Massnahmen zur Erhaltung des Vermögens des Konkursiten zu ergreifen. Sie wird ergänzt und präzisiert durch Art. 223 SchKG, der bestimmt, welche konkreten Sicherungsmassnahmen das Konkursamt ergreifen soll (BGE 99 III 16 E. 3; FRITZSCHE, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht nach schweizerischem Recht, 2. Aufl., Bd. II, S. 109/110). Das Amt hat nun aber Gegenstände, die im Besitze eines Dritten sind, der daran das Eigentum beansprucht, nicht in Gewahrsam zu nehmen. Es ist auch nicht befugt, sie herbeiführen zu lassen oder dem Dritten zu verbieten, darüber zu verfügen.
| 11 |
Im vorliegenden Fall befanden sich die strittigen Sattelschlepper nicht auf einer Liegenschaft der Konkursitin. Sie konnten daher weder in Gewahrsam genommen noch mit einem Siegel versehen werden. Vielmehr behauptete der einzige Verwaltungsrat der Konkursitin bei der Konkurseröffnung und Inventaraufnahme, er wisse nicht, wo sich die Lastwagen genau befänden und er könne die Lastwagenführer auch nicht erreichen. Die in Art. 223 SchKG vorgesehenen Massnahmen waren praktisch ausgeschlossen. Soweit der Verwalter der Konkursitin dem Konkursamt falsche Auskünfte erteilt haben sollte, wäre er gestützt auf die Art. 163, 169 und 323 Abs. 4 StGB strafrechtlich zu belangen. Nachdem jedoch das Konkursamt vergeblich die notwendigen Auskünfte zu erhalten ![]() | 12 |
13 | |
a) Art. 242 Abs. 2 SchKG ist nur anwendbar, wenn die Konkursmasse Gewahrsam über die Vermögenswerte hat, welche Gegenstand von Aussonderungsansprüchen bilden. Aus Art. 45 KOV, welcher die Anwendbarkeit der Art. 46 bis 54 KOV abgrenzt, ergibt sich ausdrücklich, dass diese Bestimmungen zur Anwendung gelangen, wenn sich die von einem Dritten zu Eigentum angesprochenen Sachen in der Verfügungsgewalt der Masse befinden. Hat die Masse die umstrittene Sache nicht in Gewahrsam, so obliegt es ihr oder ihrem Zessionar, gegen den gewahrsamhabenden Dritten auf Herausgabe der Sache zu klagen; dabei ist der Kläger an keine Frist gemäss SchKG gebunden (BGE 99 III 15 mit Hinweisen).
| 14 |
Unter Gewahrsam ist die ausschliessliche tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache zu verstehen (BGE 93 III 102 /103, BGE 85 III 51, 145, BGE 76 III 12). Diese Verfügungsgewalt ist auch massgebend für die Verteilung der Prozessrollen in einem Widerspruchsverfahren gemäss Art. 106 bis 109 SchKG (BGE 87 III 12 mit Hinweisen, BGE 60 III 219). Die Betreibungsbehörden haben grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die tatsächliche Verfügungsgewalt rechtens ist (BGE 87 III 12). Falls der Dritte den Gewahrsam durch ein anfechtbares Rechtsgeschäft erworben hat, fällt nur der obligatorische Anspruch auf Rückübertragung in die Konkursmasse (BGE 99 III 15 /16 mit Hinweisen).
| 15 |
b) Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Verwalter der Konkursitin im Zeitpunkt der Konkurseröffnung und Inventaraufnahme erklärt hat, er wisse nicht, wo sich die umstrittenen Lastwagen befänden. Die Vorinstanz hat diesbezüglich für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass sich die Lastwagenfahrer seit dem 2. Juli 1983 nicht mehr als Angestellte der Rytag AG betrachteten. Es kann demnach nicht ernstlich behauptet werden, die Konkursitin habe den Besitz an den Lastwagen nicht verloren, weil sie nur wegen einer der Natur nach vorübergehenden Verhinderung den Gewahrsam nicht ausüben konnte (Art. 921 ZGB). Hätte sie die Fahrzeuge verloren oder wären sie ihr sonstwie gegen ihren Willen abhanden gekommen, hätte sie diese gemäss Art. 934 ZGB zurückverlangen können.
| 16 |
17 | |
Die Rekurrentin macht geltend, die Konkursitin habe am Tage der Konkurseröffnung den Gewahrsam über die Lastwagen gehabt, weil ein solcher sich aus den Fahrzeugausweisen ergebe. Den Akten ist zu entnehmen, dass die GAG am 24. Januar 1984 die Nummernschilder und die Fahrzeugausweise dem Basler Strassenverkehrsamt übergeben hat. Es geht aus den Akten nicht hervor, auf welchen Namen die Fahrzeugausweise ausgestellt waren. Auch ist nicht bekannt, von wem die GAG die Wagenpapiere und die Nummernschilder hatte. Angesichts der Vorschrift von Art. 81 VZV (SR 741.51) könnte vermutet werden, dass, falls die GAG die Annullierung der Fahrzeugausweise veranlasst hat, sie auch als Fahrzeughalterin aufgeführt war. Das mag jedoch dahingestellt bleiben, denn die frühere Rechtsprechung, wonach der im Fahrzeugausweis aufgeführte Halter automatisch den Gewahrsam am Fahrzeug innehabe (BGE 60 III 219, BGE 64 III 138), wurde später abgeschwächt (BGE 80 III 28, BGE 76 III 38, BGE 67 III 144). Danach hat der in den Wagenpapieren aufgeführte Halter ungeachtet der Rechtslage jedenfalls dann keinen Gewahrsam mehr an seinem Fahrzeug, wenn dieses gestohlen wurde, verlorenging oder von ihm aufgegeben wurde.
| 18 |
c) Die kantonale Aufsichtsbehörde ist davon ausgegangen, dass der Gewahrsam an den strittigen Lastwagen jedenfalls im Dezember 1983 an die GAG übergegangen war, als diese sie in eine Reparaturwerkstätte hatte führen lassen. Sie vertritt demnach die Meinung, dass die GAG die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Lastwagen noch vor dem Entscheid der Konkursverwaltung über die Anerkennung der Eigentumsansprache hatte und dass die Gewährsverhältnisse in diesem Zeitpunkt massgebend seien. Sie beruft sich dabei auf BGE 24 I 723 und auf FRITZSCHE, a.a.O., Bd. II, S. 135. FAVRE (Droit des poursuites, S. 324, Ziff. 2, lit. A, b, beta) vertritt die gleiche Auffassung. Auch JAEGER (Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, N. 3A zu Art. 242 SchKG) meint, auf den Moment des Konkursausbruches komme es nicht an, vielmehr sei der Augenblick des Entscheides über den Aussonderungsanspruch massgebend. Immerhin meint dieser Autor, dass der Drittansprecher sich nicht auf eine durch ihn willkürlich herbeigeführte Veränderung des Gewahrsams nach der Konkurseröffnung berufen dürfe, genausowenig wie auf eine gemäss Art. 204 SchKG für die Konkursgläubiger ungültige Übertragung ![]() | 19 |
Die Rechtsprechung hatte bisher keine Veranlassung, diese Frage wieder aufzugreifen. In BGE 85 III 144 hat das Bundesgericht geprüft, ob der Gewahrsam an einer von einem Dritten beanspruchten Sache im Zeitpunkt der Konkurseröffnung auf die Masse übergegangen sei, beziehungsweise, ob die ausgeschlagene Erbschaft Gewahrsam innehabe. Es hat in diesem Entscheid implizit anerkannt, dass der massgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, wer Gewahrsam habe, jener der Konkurseröffnung sei und nicht jener des Entscheides über die Drittansprache. In BGE 93 III 103 hat es erwogen, dass die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Sache bis zur Eröffnung des Konkurses dem Gemeinschuldner zukomme, nachher gehe sie auf die Konkursmasse über. Beim Streit um die Prozessrollenverteilung im Widerspruchsverfahren nach Art. 106 bis 109 SchKG hat sich die Rechtsprechung im Falle einer Drittansprache bei einer Pfändung ganz klar dafür ausgesprochen, dass sich der Gewahrsam nach dem Zeitpunkt der Pfändung bestimme (BGE 80 III 115 mit Hinweisen). Gegebenenfalls müsse man auf einen früheren Zeitpunkt abstellen, nämlich auf den Zeitpunkt der Arrestierung, wenn die Pfändung infolge einer Arrestbetreibung erfolgt sei. Im Grunde komme es nur auf den Zeitpunkt an, in dem der Betriebene die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache verliere, sei es aufgrund der Pfändung (Art. 96 SchKG), sei es aufgrund eines Arrestes (Art. 275 SchKG, welcher für den Vollzug des Arrests auf die Vorschriften bei der ![]() | 20 |
Die Rekurrentin macht daher zu Recht geltend, die Vorinstanz hätte nicht auf Umstände, die nach der Konkurseröffnung eingetreten sind, abstellen dürfen, um zu bestimmen, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die strittigen Sattelschlepper hatte. Die unzutreffende Rechtsauffassung der Vorinstanz ändert allerdings im vorliegenden Fall nichts am Ergebnis; denn die Konkursitin hatte bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung den Gewahrsam an den Lastwagen verloren. Da sie die Verfügungsgewalt im Sinne von Art. 45 KOV in diesem massgebenden Zeitpunkt nicht hatte, konnte sie die Konkursmasse von ihr auch nicht erwerben.
| 21 |
22 | |
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
| 23 |
24 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |