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Informationen zum Dokument  BGE 116 III 66  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. a) Die Beschwerdeführerin hat sich dem Begehren um Erteil ...
4. Jeder an einer Pfändung teilnehmende Gläubiger erh&a ...
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15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. September 1990 i.S. J.-AG gegen F. M. (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 81 und Art. 265 Abs. 1 SchKG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 III, 66 (66)A.- Am 13. Januar 1989 leitete Franz M. mit Zahlungsbefehl Nr. 111 des Betreibungsamtes Zürich 6 Betreibung gegen die J.-AG für den Betrag von Fr. 2'426.80 nebst Zins ein. Nachdem die Betriebene Rechtsvorschlag erhoben hatte, ersuchte er am 1. November 1989 den Einzelrichter im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Franz M. begründete seine Forderung mit zwei rechtskräftigen Gerichtsurteilen, in denen er als Parteientschädigung in erster Instanz Fr. 1'547.80 und in zweiter Instanz Fr. 879.-- zugesprochen erhalten hatte.
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B.- Am 6. Dezember 1989 erteilte der Einzelrichter die definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 2'426.80 nebst Zins seit dem 3. Oktober 1989, während er die von der J.-AG erhobene Verrechnungseinrede verwarf.
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Mit Erledigungsbeschluss vom 28. Februar 1990 wies das Obergericht (III. Zivilkammer) des Kantons Zürich eine von der J.-AG dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ab.
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BGE 116 III, 66 (67)C.- Gegen diesen Entscheid hat die J.-AG am 4. April 1990 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Nebst der Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt sie die vollumfängliche Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs.
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Der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat dem Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 17. Mai 1990 entsprochen.
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Aus den Erwägungen:
 
2. a) Die Beschwerdeführerin hat sich dem Begehren um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung widersetzt, indem sie eigene mit Urkunden belegbare Gegenforderungen zur Verrechnung bringen wollte. Bei den aufgelegten Urkunden handelte es sich um Konkursverlustscheine, laut denen die Forderung vom Beschwerdegegner tatsächlich anerkannt worden war. Der Einzelrichter hat indessen die definitive Rechtsöffnung dennoch erteilt und dabei die Auffassung vertreten, dass auch der Konkursverlustschein nicht mit einer eigentlichen Schuldanerkennung gleichgesetzt werden könne und daher im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung nach Art. 81 SchKG als Beweismittel für den Bestand einer verrechenbaren Gegenforderung nicht in Frage komme. Das Zürcher Obergericht ist dieser Begründung insofern gefolgt, als es darin keine Verletzung klaren Rechts erblickt hat.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass Art. 4 BV verletzt worden sei, weil das Obergericht zu Unrecht die Verletzung klaren materiellen Rechts verworfen und die auf einen Konkursverlustschein gestützte Verrechnungseinrede zurückgewiesen habe. Im einzelnen wird beanstandet, dass die Gleichbehandlung von Pfändungs- und Konkursverlustscheinen willkürlich sei, zumal wenn sich letztere - wie im vorliegenden Fall - auf anerkannte Forderungen bezögen.
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a) Wie den kantonalen Instanzen nicht entgangen ist, hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, der Pfändungsverlustschein sei nichts anderes als eine amtliche Bestätigung darüber, dass in einer Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner keine oder nur ungenügende Deckung der Forderung erzielt werden konnte. Er habe weder die Neuerung der Schuld im Sinne von Art. 116 OR zur Folge (BGE 86 III 80), noch ergebe sich daraus ein neues Rechtsverhältnis, das zum bestehenden hinzutreten und als selbständiges Klagefundament dienen könne. Auch stelle der Pfändungsverlustschein nicht eine Schuldanerkennung im eigentlichen Sinne dar, da sich der Schuldner an seiner Ausstellung nicht beteilige und sich insbesondere nicht zum Rechtsgrund der Forderung verlauten lasse. Zwar bezeichne Art. 149 Abs. 2 SchKG den Verlustschein als Schuldanerkennung, jedoch mit der ausdrücklichen Einschränkung "im Sinne von Art. 82 SchKG", mithin nur als Titel für die Erlangung der provisorischen Rechtsöffnung. Das Bundesgericht ist daher zum Schluss gelangt, dass ein vom Betreibungsschuldner vorgelegter, gegen den Betreibungsgläubiger ausgestellter Pfändungsverlustschein für sich allein keinen urkundlichen Beweis für den Bestand einer Gegenforderung bilde, die dem Begehren um definitive Rechtsöffnung verrechnungsweise entgegengehalten oder mit der die Aufhebung einer Betreibung (Art. 85 SchKG) erwirkt werden könne (vgl. BGE 102 Ia 364 ff. E. 2a; BGE 98 Ia 355 f. E. 2, je mit Hinweisen).
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b) Es spricht jedenfalls unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür nichts dagegen, diese im Zusammenhang mit dem Pfändungsverlustschein entwickelte Rechtsprechung gleichermassen auf den Verlustschein im Sinne von Art. 265 Abs. 1 SchKG anzuwenden. Bereits das Gesetz selbst legt diese Gleichbehandlung nahe, indem sowohl in Art. 149 Abs. 2 SchKG als auch in Art. 265 Abs. 1 SchKG dieselbe Formulierung verwendet wird und überdies Art. 265 Abs. 2 SchKG ausdrücklich festhält, dass der Konkursverlustschein die in Art. 149 SchKG bezeichneten Rechtswirkungen entfalte.
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In der Beschwerde fehlt es an überzeugenden Vorbringen, inwiefern der Konkursverlustschein eine grundsätzlich andere Behandlung erfahren soll als der Verlustschein im Sinne von Art. 149 SchKG. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Tatsachen beruft, die den Rechtsgrund der Forderung dartun sollen, kann darauf im BGE 116 III, 66 (69)Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zum vornherein nicht eingetreten werden (BGE 114 Ia 205 E. 1a). Im übrigen trifft es zwar zu, dass der im Konkursverfahren erlangbare Verlustschein gemäss Art. 265 Abs. 1 SchKG angibt, ob der Gemeinschuldner die Forderung anerkannt hat, gegebenenfalls in welchem Betrag (vgl. Formular Nr. 11). Diese anlässlich der "Erwahrung" der Konkursforderungen abgegebene Erklärung des Gemeinschuldners vermag indessen bereits für die Konkursverwaltung keine verbindliche Wirkung zu entfalten (Art. 245 SchKG), zumal der Gemeinschuldner angesichts der besonderen Umstände durchaus in Versuchung geraten könnte, gut ausgewiesene Forderungen zu bestreiten, derweil er zweifelhafte Ansprüche ihm nahestehender Gläubiger anerkennt (vgl. FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. A. Zürich 1968, § 49 I, S. 143). Trotz der darin vermerkten Forderungsanerkennung unterscheidet sich der Konkursverlustschein qualitativ nicht vom Pfändungsverlustschein. Auch im Pfändungsverfahren findet eine durchaus vergleichbare Anerkennung der Forderung insofern statt, als es nur zur Pfändung kommen kann, wenn der Betriebene die Forderung durch Unterlassung des Rechtsvorschlages anerkannt oder der Richter diese durch Beseitigung des Rechtsvorschlages als begründet erklärt hat.
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Wenn folglich der Gemeinschuldner gegenüber der Konkursverwaltung eine bestimmte Konkursforderung anerkannt hat (Art. 244 SchKG), vermag eine solche Anerkennung nicht stärkere Wirkung zu entfalten als ein Pfändungsverlustschein, dem die Erteilung einer provisorischen Rechtsöffnung vorausgegangen ist. Es kann daher jedenfalls im Lichte von Art. 4 BV nicht beanstandet werden, wenn die vom Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Pfändungsverlustschein entwickelten Grundsätze (BGE 102 Ia 364 ff. E. 2a), von denen abzuweichen keine Veranlassung besteht, auch auf den Verlustschein im Sinne von Art. 265 SchKG angewendet werden. Damit ergibt sich, dass sich die Beschwerde - soweit darauf überhaupt einzutreten ist - als unbegründet erweist, und sie daher abgewiesen werden muss.
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