BGE 117 III 7 | |||
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4. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 26. April 1991 i.S. B. (Rekurs) | |
Regeste |
Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 64 und Art. 72 SchKG). | |
Sachverhalt | |
A.- Mit Eingabe vom 20. August 1990 erhob B. beim Bezirksgericht Uster als unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag, es sei festzustellen, dass die am 4. August 1990 durch das Betreibungsamt Schwerzenbach veranlasste Zustellung der Zahlungsbefehle in den Betreibungen Nrn. 439 und 449 nicht rechtswirksam sei; in diesen Betreibungen sei die Frist für den Rechtsvorschlag wiederherzustellen.
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Das Bezirksgericht wies die Beschwerde am 10. Januar 1991 ab, weil der Beschwerdeführer die Annahme der Zahlungsbefehle in schuldhafter Weise verweigert habe. Auf das Begehren um Wiederherstellung der Frist für den Rechtsvorschlag sei nicht näher einzutreten; denn der Beschwerdeführer habe den in Art. 77 Abs. 1 SchKG geforderten Nachweis der schuldlosen Verhinderung an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsvorschlags nicht erbracht.
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Den gegen den Beschluss der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde gerichteten Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 30. Januar 1991 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
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B.- Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hiess den von B. gegen den Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde eingereichten Rekurs gut, soweit darauf eingetreten werden konnte, und wies das Betreibungsamt an, dem Schuldner die Zahlungsbefehle in rechtsgültiger Form zuzustellen.
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Aus den Erwägungen: | |
3. a) Das Obergericht des Kantons Zürich hat den Beschluss der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs geschützt, worin davon ausgegangen wird, der Schuldner B. habe die Annahme der beiden Zahlungsbefehle schuldhaft verweigert. Er habe nämlich am 3. August 1990 in einem mit dem Zustellungsbeamten geführten Telefongespräch, in welchem er auf die Zahlungsbefehle aufmerksam gemacht worden sei und ihm die persönliche Überreichung der Betreibungsurkunden in seiner Wohnung angeboten worden sei, seinen klaren und unmissverständlichen Willen kundgegeben, dass er sich durch "solchen unangenehmen Besuch" nicht belästigen lassen wolle und seine Wohnungstüre nicht öffnen werde. Unter diesen Umständen betrachtete das Bezirksgericht Uster die Zustellung der Zahlungsbefehle mit dem Deponieren im leeren Briefkasten des Schuldners als rechtsgültig vollzogen, und das Obergericht des Kantons Zürich schloss sich dieser Auffassung an.
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b) Dieser Betrachtungsweise der kantonalen Instanzen kann nicht beigepflichtet werden. Gemäss Art. 72 SchKG geschieht die Zustellung des Zahlungsbefehls durch den Betreibungsbeamten oder einen Angestellten des Betreibungsamtes oder durch die Post in der nach der Postordnung für die Bestellung gerichtlicher Akte zu befolgenden Weise. Art. 64 Abs. 1 SchKG sodann schreibt - für alle Betreibungsurkunden, wozu insbesondere auch der Zahlungsbefehl gehört (BGE 97 III 109 E. 1) - vor, dass die Zustellung in der Wohnung des Schuldners oder an dem Ort, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, erfolgt. Wird der Schuldner daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen. Für den Fall, dass keine der erwähnten Personen angetroffen wird, sieht Art. 64 Abs. 2 SchKG vor, dass die Betreibungsurkunde zuhanden des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben sei.
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Die aus früheren Verfahren bekannte Renitenz des B. und im vorliegenden Fall die Ankündigung des Schuldners, dass er die Wohnungstüre nicht öffnen werde, hätten den Betreibungsbeamten veranlassen müssen, für die Zustellung der beiden Zahlungsbefehle die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen (BGE 112 III 84 E. 2a, BGE 97 III 110 E. 1). Keinesfalls aber durfte die voraussehbare Annahmeverweigerung des Schuldners den Betreibungsbeamten davon abhalten, den vom Gesetz vorgeschriebenen Weg der Zustellung zu befolgen. Es ist denn auch in der jüngsten Rechtsprechung gerade der Zustellung des Zahlungsbefehls - unter Hinweis darauf, dass an Ort und Stelle Rechtsvorschlag erhoben werden kann - eine besondere Bedeutung beigemessen und aus diesem Grund als unzulässig bezeichnet worden, dass der Zahlungsbefehl dem Schuldner ins Postfach gelegt wird (BGE 116 III 9 f. E. 1a). In gleicher Weise wird das Einwerfen des Zahlungsbefehls in den Briefkasten des Schuldners als unzulässig betrachtet (BRÜGGER, SchKG, Schweizerische Gerichtspraxis 1946-1984, N. 6 und 20 zu Art. 64 SchKG, mit Hinweisen; BlSchKG 1950, S. 142; 1969, S. 8).
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Es kann auch nicht etwa gefolgert werden, dass die Zahlungsbefehle als zugestellt gälten, weil der Schuldner deren Annahme verweigert habe (BGE 109 III 3 E. 2b mit Hinweisen); denn nur die Bemerkung des Schuldners am Telefon, dass er sich nicht belästigen lassen wolle und seine Wohnungstüre nicht öffnen werde, ist noch keine eigentliche Annahmeverweigerung. Dafür, dass der Rekurrent im Augenblick, wo ein Angestellter des Betreibungsamtes oder ein Postbote ihm die Zahlungsbefehle aushändigen wollte, deren Annahme tatsächlich verweigert hätte, finden sich im angefochtenen Entscheid keine Anhaltspunkte. Der Schuldner hat auf jeden Fall auch nicht genügend Kenntnis vom Inhalt der Zahlungsbefehle gehabt, damit zu seinen Ungunsten von einer rechtsgültig erfolgten Zustellung ausgegangen werden könnte (BGE 110 III 12 E. 3).
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c) Die fehlerhafte Zustellung der Zahlungsbefehle ist eine nichtige Betreibungshandlung, die von Amtes wegen jederzeit festgestellt werden kann und muss (BGE 110 III 11 E. 2; BlSchKG 1980, S. 138). Das Betreibungsamt hat für eine Zustellung in rechtsgültiger Form besorgt zu sein.
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