BGE 117 III 10 | |||
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5. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 25. April 1991 i.S. Gruen Marketing Corporation (Rekurs) | |
Regeste |
Zustellung eines Zahlungsbefehls an eine juristische Person oder eine Gesellschaft im Ausland (Art. 65 SchKG). |
2. Die Behörde trägt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden; ihr obliegt insbesondere auch der Nachweis der Voraussetzungen für die Ersatzzustellung gemäss Art. 65 Abs. 2 SchKG (E. 5c-e). | |
Sachverhalt | |
In einer von der Jaques Bénédict SA gegen die Gruen Marketing Corporation angehobenen Betreibung liess das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl der Schuldnerin am 30. Mai 1990 durch einen Beamten des schweizerischen Generalkonsulates in New York zustellen. Der Empfang der Betreibungsurkunde wurde für die Schuldnerin von Edward Lau bestätigt. Nachdem die Gruen Marketing Corporation innert Frist keinen Rechtsvorschlag erhoben hatte, beschwerte sie sich gegen diese Zustellung bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern. Zur Begründung brachte sie vor, dass Edward Lau bei ihr weder die Stellung eines Mitgliedes der Geschäftsleitung noch diejenige eines Prokuristen bekleide; da sich im massgeblichen Zeitpunkt aber solche Personen in den Firmenräumen aufgehalten hätten, verstosse die Zustellung an den Angestellten Lau gegen das Gesetz. Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern wies die Beschwerde am 9. Januar 1991 ab. Mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts verlangt die Gruen Marketing Corporation die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Anweisung an das Betreibungsamt, den Zahlungsbefehl neu zuzustellen. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts heisst den Rekurs gut.
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Erwägungen: | |
4. Die Art und Weise der Zustellung eines schweizerischen Zahlungsbefehls im Ausland bestimmen sich nach Art. 66 Abs. 3 SchKG. Wie im einzelnen zu verfahren ist, wenn sich die Betreibung gegen eine im Ausland ansässige juristische Person oder eine Gesellschaft richtet, lässt sich dieser Bestimmung freilich nicht entnehmen (vgl. BGE 109 III 100 a. E.). Fehlt es wie vorliegend an einer anwendbaren staatsvertraglichen Regelung, liesse sich gar fragen, ob für die im Ausland erfolgende Zustellung überhaupt eine besondere Form zu beachten sei; es scheint tatsächlich Autoren zu geben, die dies verneinen (vgl. ERNST JEKER, Berner Diss. 1943, S. 120).
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Auf diese nicht weiter begründete Meinung ist indessen nicht weiter einzugehen. Immerhin besteht nach dem Gesetz die Möglichkeit, unter Umständen auch gegen den im Ausland wohnhaften Schuldner ein in der Schweiz ablaufendes Vollstreckungsverfahren einzuleiten. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat denn auch in einem jüngeren Entscheid zur im Ausland erfolgten Zustellung die Auffassung vertreten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Zustellung (Art. 64 bis 66 SchKG) eine Einheit bilden (BGE 109 III 100 f.). Damit hat sie die Voraussetzung als gegeben erachtet, unter anderem Art. 64 Abs. 1 zweiter Satz SchKG (Zustellung an eine zum Haushalt des Schuldners gehörende Person) wenigstens sinngemäss anzuwenden, wenn der Schuldner an seinem ausländischen Wohnsitz persönlich nicht angetroffen wird. Damit wird auch klar, dass die Anwendung der Art. 64 ff. SchKG mit den darin vorgesehenen Möglichkeiten der Ersatzzustellung in aller Regel durchaus auch im Interesse des Betreibungsamtes liegen dürfte.
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a) Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, dass die für eine betriebene juristische Person oder Gesellschaft bestimmte Betreibungsurkunde in die Hände jener natürlichen Personen gelangt, die in Betreibungssachen für sie handeln, insbesondere Rechtsvorschlag erheben können. Um die Aufgabe der zustellenden Behörde nicht übermässig zu erschweren, lässt Art. 65 Abs. 2 SchKG ausnahmsweise die Zustellung an einen (andern) Angestellten zu, der bei der Wahrung der Interessen der Betriebenen aber nur eine Hilfsfunktion ausüben, d.h. die Urkunde an die zum Handeln berufene Person weiterleiten kann. Dieser Angestellte muss in den gleichen Räumlichkeiten wie der Vertreter der juristischen Person oder Gesellschaft arbeiten; nur so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er die Betreibungsurkunde unverzüglich an diesen weiterzuleiten vermag. Wie die Rechtsprechung betont hat, soll diese Ausnahme hingegen nicht zur Regel werden und die Zustellung an einen solchen untergeordneten Beamten oder Angestellten nur dann erfolgen dürfen, nachdem die Zustellung an ein Organ im Sinne von Art. 65 Abs. 1 SchKG erfolglos versucht worden ist (BGE 88 III 17 f.; vgl. auch BGE 96 III 6).
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b) Damit eine juristische Person oder eine Gesellschaft betrieben werden kann, muss das Betreibungsamt den Namen eines berechtigten Vertreters kennen. Die blosse Angabe des Schuldners ohne Nennung eines berechtigten Vertreters auf dem Betreibungsbegehren vermag die ordnungsgemässe Zustellung nicht zu gewährleisten. Liegt ein Betreibungsbegehren vor, welches die Anforderungen von Art. 67 SchKG zwar erfüllt, die unverzügliche Zustellung nach Art. 65 SchKG aber nicht gestattet (wie dies offenbar vorliegend zutraf), hat das Betreibungsamt - so will es die Rechtsprechung - sich beim Betreibenden zu erkundigen, an welche natürliche Person der Zahlungsbefehl zu übergeben ist (BGE 109 III 6; bestätigt in BGE 116 III 10).
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c) Mit der Vorinstanz muss davon ausgegangen werden, dass im Anfechtungsfall in erster Linie das Betreibungsamt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden trägt (vgl. Amonn, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. A. Bern 1988, § 12 Rz. 19; BlSchK 49/1985, S. 184; BGE 50 III 183 ff.). Dazu dient ihm namentlich die gemäss Art. 72 Abs. 2 SchKG vorgeschriebene Bescheinigung des Zustellungsbeamten, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist; als öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 9 ZGB kommt ihr, Gegenbeweis vorbehalten, für ihren Inhalt volle Beweiskraft zu (vgl. BGE 107 III 3; im übrigen BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, S. 221). Auch im vorliegenden Fall liegt eine solche Bescheinigung vor, die den Empfang der Betreibungsurkunde durch den Angestellten Edward Lau am 30. Mai 1990 bestätigt. Damit steht jedenfalls fest - zumal Gegenteilig auch gar nicht behauptet wird -, dass die Zustellung zumindest an einen Angestellten gemäss Art. 65 Abs. 2 SchKG erfolgt ist. Hingegen scheint in der Tat fraglich, ob es damit bereits sein Bewenden hat und damit das Fehlen der Voraussetzungen für die Ersatzzustellung im Sinne dieser Bestimmung von der Rekurrentin nachzuweisen wäre.
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d) Die Vorinstanz hat sich diese Auffassung zu eigen gemacht. Anders zu entscheiden würde im Ergebnis nach einer Auslegung von Art. 72 Abs. 2 SchKG verlangen, gemäss der die Bescheinigung im Falle einer Ersatzzustellung (Art. 65 Abs. 2 SchKG) zugleich Aufschluss über den erfolglosen Zustellungsversuch an eine nach Art. 65 Abs. 1 SchKG qualifizierte Person vermitteln müsste. Der Wortlaut der Bestimmung bietet indessen für eine solche Auslegung keinerlei Anhaltspunkte; soweit ersichtlich, haben auch weder die bisherige Rechtsprechung noch die Lehre dergleichen je vertreten. Auf der anderen Seite muss diese Bestimmung in ihrem gesamten Zusammenhang betrachtet werden. Hier gilt es die unmissverständliche Regelung des bei der Zustellung von Betreibungsurkunden gemäss Art. 65 SchKG zu beachtenden Vorgehens, insbesondere die klare Subsidiarität der Ersatzzustellung an "andere Angestellte", zu erwähnen, die von der bisherigen Rechtsprechung durchaus wörtlich genommen worden ist (vgl. BGE 88 III 17 f.). Wenn das Gesetz der Behörde zum Schutze des Schuldners die Einhaltung solcher Formen schon vorschreibt, so läge es an sich nahe, ihr auch den Nachweis für deren Einhaltung aufzuerlegen. Andernfalls wäre in der Tat zu befürchten, dass die ausnahmsweise zulässige Ersatzzustellung (Abs. 2) zur Regel werden könnte, was mit dem Schutzgedanken von Art. 65 SchKG nicht zu vereinbaren wäre. Gerade die bei juristischen Personen und Gesellschaften mitunter nur schwer überschaubaren Verhältnisse verlangen nach einer strengen Einhaltung der Form, denn anders als in Art. 64 SchKG ist hier die Gefahr ungleich grösser, dass eine Betreibungsurkunde verlorengehen und niemals in die Hände der zuständigen Person gelangen könnte. Zieht man endlich in Betracht, dass bereits das Betreibungsbegehren angeben sollte, an wen die Zustellung zu erfolgen hätte und der Gläubiger sich diese Information - sollte er nicht bereits aufgrund seiner geschäftlichen Beziehung über sie verfügen - in der Regel beim Handelsregister beschaffen kann, sieht sich der Zustellungsbeamte nicht einer unzumutbaren Aufgabe ausgesetzt. Es ist deshalb unter allen Umständen darauf zu achten, dass es erst dann zur Ersatzzustellung gemäss Art. 65 Abs. 2 SchKG kommen soll, wenn die zum Empfang in erster Linie berechtigten Personen (vgl. Art. 65 Abs. 1 SchKG) im Geschäftslokal nicht angetroffen werden. Um die Einhaltung dieser Form zu gewährleisten, drängt es sich auf, die Beweislast für die in diesem Sinne korrekte Zustellung dem Betreibungsamt aufzuerlegen, zumal den Schuldner auch nicht eine besondere Mitwirkungspflicht trifft, die eine gegenteilige Auffassung zu rechtfertigen vermöchte.
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e) Es ergibt sich somit, dass die Vorinstanz von der Rekurrentin zu Unrecht verlangt hat, den Nachweis der Anwesenheit von entsprechend qualifizierten Personen im massgeblichen Zeitpunkt der Zustellung zu erbringen. Soweit sie in diesem Zusammenhang tatsächliche Feststellungen getroffen hat, sind bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt worden. Nur am Rande sei abschliessend erwähnt, dass sich das Betreibungsamt nicht um die Klärung bemüht hat, wer auf seiten der Rekurrentin in erster Linie zum Empfang des Zahlungsbefehls befugt gewesen wäre (BGE 116 III 10). Inwieweit es hier zu Nachfragen und die Gläubigerin zur Mitwirkung gehalten gewesen wäre, lässt sich angesichts der besonderen Umstände - namentlich des Zustellungsortes im Ausland - nicht leicht sagen. Es versteht sich indessen, dass sich allfällige Versäumnisse und Unklarheiten nicht zu Ungunsten der Rekurrentin auswirken dürften.
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