BGE 117 III 83 | |||
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24. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 18. Dezember 1991 i.S. Spar- und Leihkasse Thun (Rekurs) | |
Regeste |
Bankenstundung im Sinne von Art. 29 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen. |
2. Legitimation der Bank zum Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (E. 2). |
3. Der Umstand, dass die Eidgenössische Bankenkommission der Bank die Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit entzogen hat, bevor über das Gesuch um Bankenstundung entschieden war, durfte das Stundungsgericht nicht dazu veranlassen, dieses Gesuch abzuweisen. Die Bankenstundung ist auch nach dem Entzug der Bewilligung zulässig, sofern die Überschuldung noch nicht ausgewiesen ist (E. 3 und 4). | |
Sachverhalt | |
A.- Nachdem die Spar- und Leihkasse Thun (SLT) in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, verfügte der Präsident der Eidgenössischen Bankenkommission, aufgrund der Informationen der beigezogenen ATAG Ernst & Young AG, am 3. Oktober 1991 die einstweilige Schliessung der Schalter und Bancomat-Stellen der SLT und deren Niederlassungen bis 18. Oktober 1991 um 24.00 Uhr. Es wurde jegliche belastende Geschäftstätigkeit untersagt, die ATAG als Beobachterin im Sinne von Art. 23quater des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (vom 8. November 1934; SR 952.0; BankG) eingesetzt und die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet.
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Am 17. Oktober 1991 reichte die SLT bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern im Sinne von Art. 29 BankG ein Gesuch um Bankenstundung für ein Jahr ein. Eventuell ersuchte sie um Nachlassstundung (im Sinne von Art. 37 BankG und Art. 295 SchKG) mit der Begründung, dass eine Überschuldung - sollte eine solche vom Stundungsgericht wider Erwarten festgestellt werden - die Nachlasswürdigkeit der SLT nicht in Frage stellen würde.
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Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern wies mit Entscheid vom 4. November 1991 das Gesuch um Bankenstundung vollständig, jenes um Nachlassstundung "zur Zeit" ab.
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B.- Am 18. Oktober 1991 beschloss die Eidgenössische Bankenkommission, der SLT die Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit als Bank zu entziehen. Sie erklärte, die SLT sei aufgelöst und trete in Liquidation.
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Die ATAG wurde zur Liquidatorin ernannt und der Entscheid als sofort vollstreckbar erklärt.
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Die von der SLT hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde von der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts mit Urteil vom 20. November 1991 abgewiesen.
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C.- Am 6. November 1991 rekurrierte die SLT an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Hauptantrag, der Entscheid vom 4. November 1991 der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern als Stundungsgericht sei aufzuheben und es sei ihr für die Dauer eines Jahres Stundung im Sinne von Art. 29 BankG zu gewähren. Diesem Begehren wurde entsprochen.
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Erwägungen: | |
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b) Gemäss Art. 53 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, letzter Satz, können alle Entscheide des Konkursgerichts und der Nachlassbehörde auch wegen Unangemessenheit an das Bundesgericht weitergezogen werden. Im Gegensatz zum ersten Satz derselben Bestimmung wird das Stundungsgericht im letzten Satz nicht genannt, so dass von einer Prüfungsbefugnis der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer im Sinne von Art. 19 SchKG auszugehen ist; das heisst, sie prüft nur die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, sowie Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung.
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Diese Auffassung des Stundungsgerichts wird der Tatsache nicht gerecht, dass - wie die ATAG in ihrer Vernehmlassung zutreffend hervorhebt - am 6. November 1991, als der Rekurs eingereicht wurde, völlige Unklarheit über die rechtliche Situation und insbesondere die Handlungsfähigkeit der SLT herrschte (vgl. aber Art. 739 OR; BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N 13 zu Art. 23quinquies). Gewissheit über die Liquidation der SLT und die damit eingeschränkte Handlungsfähigkeit wurde erst geschaffen, als die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts am 20. November 1991 die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die sich gegen den Entzug der Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit gerichtet hatte, abwies.
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Auf jeden Fall hat die Liquidatorin den für die SLT handelnden Rechtsvertreter gemeinsam mit dem Verwaltungsrat der SLT zum Rekurs bevollmächtigt und sich ausdrücklich dessen Anträgen und der entsprechenden Begründung angeschlossen. Zumindest bezüglich des Hauptantrags ist daher auf den Rekurs unter dem Gesichtswinkel der Legitimation einzutreten. Darüber hinaus ist aber auch nicht recht einzusehen, inwiefern - wie das Stundungsgericht ohne nähere Begründung behauptet - die Liquidatorin bezüglich des Eventualbegehrens, dass Nachlassstundung zu gewähren sei, nicht beschwert sein sollte. Das braucht indessen nicht näher untersucht zu werden, muss doch zumindest die SLT selber infolge der Abweisung (wenngleich nur "zur Zeit") des Eventualbegehrens als beschwert und zudem aufgrund der gesetzlichen Regelung (Art. 1 Abs. 3 der Verordnung betreffend das Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen vom 11. April 1935; SR 952.831) als legitimiert betrachtet werden.
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Entgegen der Auffassung des Stundungsgerichts ist indessen sehr wohl zu prüfen, ob nicht dennoch im Rahmen der nun unvermeidlichen Liquidation der SLT eine der von der Rechtsordnung vorgesehenen Massnahmen - nämlich die Bankenstundung im Sinne von Art. 29 BankG oder die Nachlassstundung im Sinne von Art. 37 BankG bzw. Art. 295 SchKG - angeordnet werden muss, um nicht nur im Interesse der SLT, sondern auch im Interesse ihrer zahlreichen Gläubiger und damit am Ende aus gesamtwirtschaftlichen Gründen einen überstürzten Konkurs zu vermeiden. Zu Recht haben die Rekurrentin und die Liquidatorin wie auch die Eidgenössische Bankenkommission und die Schweizerische Nationalbank nachdrücklich darauf hingewiesen, dass gegen einen der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, der seine Zahlungen eingestellt hat, ohne vorgängige Betreibung die Konkurseröffnung verlangt werden kann (Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG).
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Der Umstand, dass die Eidgenössische Bankenkommission der SLT die Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit entzogen hat, bevor über das Gesuch um Bankenstundung entschieden war, durfte deshalb die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern als Stundungsgericht nicht dazu veranlassen, dieses Gesuch abzuweisen. Dem angefochtenen Entscheid liegt ein zu enges Verständnis von Art. 29 BankG zugrunde.
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Das Stundungsgericht hat im angefochtenen Entscheid zutreffend festgestellt, dass die Bankenstundung (auch) eine besondere Massnahme zum Schutz illiquider Banken ist, weil sie einer zahlungsunfähigen, aber nicht überschuldeten Bank für die Dauer eines Jahres Betreibungsschutz gewährt, um unbehindert von drängenden und unruhigen Gläubigern eine momentane Notsituation bewältigen zu können (Art. 29 Abs. 2 BankG; BGE 100 III 72 E. 4; BODMER/KLEINER/LUTZ, N 1 zu Art. 29-35). Nachdem die Liquidation der SLT angeordnet worden ist, kann die Bankenstundung allerdings nicht mehr zur Bewältigung einer bloss vorübergehenden Krise dienen. Vielmehr geht es, was die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern offenbar übersehen hat, gerade im vorliegenden Fall der Liquidation einer mit Sparern, Anlegern und Kontokorrentinhabern aller sozialen Schichten verbundenen Lokalbank vordringlich um die Wahrung der Interessen der Bankgläubiger. Diese haben grössere Aussicht auf Befriedigung ihrer Ansprüche, wenn die Liquidation der SLT - dank der Bankenstundung - möglichst ungestört vorbereitet wird.
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b) In rechtlicher Hinsicht hat das Stundungsgericht verkannt, dass die Vorschriften über die Bankenstundung diese besondere Massnahme nicht auf Banken beschränken, die im Zeitpunkt der Gesuchstellung noch nicht in Liquidation stehen. Weder der Wortlaut von Art. 29 BankG noch Sinn und Zweck dieser Bestimmung setzen voraus, dass die Liquidation noch nicht angeordnet sei; und auch den weiteren Vorschriften zur Bankenstundung lässt sich keine solche Voraussetzung entnehmen. Mit Recht hat daher die Schweizerische Nationalbank auf Art. 32 Abs. 2 BankG hingewiesen, wonach die Bank während der Stundung unter der Aufsicht des Kommissärs und nach dessen Weisungen "ihr Geschäft" weiterführt, jedoch keine Rechtsgeschäfte vornehmen darf, durch welche die berechtigten Interessen der Gläubiger beeinträchtigt oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer begünstigt werden.
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Aus der soeben angerufenen Bestimmung folgt klar, dass eine Bankenstundung auch noch zulässig ist, nachdem die Eidgenössische Bankenkommission die Liquidation angeordnet hat, sofern die Überschuldung noch nicht ausgewiesen ist. Die Bankenstundung mag als Vorstufe für Sanierungen, Bilanzbereinigungen und Liquidationen dienen (BODMER/KLEINER/LUTZ, N 2 zu Art. 29-35), kann aber auch - wie Art. 35 Abs. 2 BankG erkennen lässt - einer Nachlassstundung vorangehen, obgleich die Wirkungen beider Verfahren grundsätzlich dieselben sind (BGE 100 III 69 E. 2; BODMER/KLEINER/LUTZ, N 10 zu Art. 29-35). Sollte sich während der Dauer der Bankenstundung entgegen bisherigen Erwartungen herausstellen, dass die SLT überschuldet ist, kann sie - worin dem Stundungsgericht beizupflichten ist - noch immer ein Gesuch um Nachlassstundung im Sinne von Art. 37 BankG bzw. Art. 295 SchKG stellen (BODMER/KLEINER/LUTZ, N 19 zu Art. 29-35).
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5. Die ATAG als Liquidatorin und provisorische Kommissärin ist davon ausgegangen, dass die SLT nicht überschuldet sei, wenngleich die Forderungen der Gläubiger nur noch zu mindestens 90 Prozent gedeckt seien. Sie hat deshalb gestützt auf Art. 32 Abs. 2 BankG Teile der Sparguthaben und 45 Prozent der Kurrentguthaben zur Auszahlung freigegeben. Der Betreibungsschutz, den die Bankenstundung verschafft, soll den Weg dafür offenhalten, dass - vor allem im Interesse der Bankgläubiger - in einem beruhigten Umfeld die weiteren Schritte zur Liquidation der SLT angeordnet werden können. Weitere Massnahmen sind unter anderem, wie die Schweizerische Nationalbank hervorhebt, die Plazierung der Hypothekaranlagen der SLT bei anderen Banken und die Verwertung nicht plazierbarer Hypotheken.
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Im übrigen ist es nicht Sache der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, die konkreten Massnahmen aufzulisten, welche das Stundungsgericht bzw. der von ihm bestellte Kommissär nach der Bewilligung der Bankenstundung zu ergreifen haben (vgl. Art. 30 ff. BankG, Art. 55 ff. BankV). ...
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6. Da heute nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die SLT überschuldet ist, die von der Eidgenössischen Bankenkommission angeordnete Liquidation der SLT der Gewährung der Bankenstundung nicht entgegensteht und der durch die Bankenstundung bewirkte Betreibungsschutz als geeignet erscheint, den Interessen der Bankgläubiger zu dienen, ist dem Hauptantrag der Rekurrentin zu entsprechen und ihr für die Dauer eines Jahres Bankenstundung im Sinne von Art. 29 BankG zu bewilligen.
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