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28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1995 i.S. Kerr Dürrenmatt gegen Diogenes Verlag AG (Berufung) | |
Regeste |
Aktivlegitimation des Mitglieds einer Erbengemeinschaft zur prozessualen Durchsetzung ererbter Urheberrechte (Art. 7, 16 URG; Art. 8, 602 Abs. 2 ZGB; Art. 18 OR; Art. 64 Abs. 1 OG). |
Die Aktivlegitimation kann im vorliegenden Fall auch nicht aus den Bestimmungen des ZGB über die Erbengemeinschaft abgeleitet werden (E. 3). Ob sie sich aus einem von den Erben abgeschlossenen Erbteilungsvertrag ergibt, hängt von dessen Auslegung ab (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Dürrenmatt hinterliess als Erben seine Ehefrau Charlotte Kerr Dürrenmatt sowie drei Kinder aus erster Ehe, Barbara Meyer-Dürrenmatt, Ruth Dürrenmatt und Peter Dürrenmatt. Sie schlossen am 18. Oktober 1991 einen Erbteilungsvertrag, in dem hinsichtlich des Werkes "Midas" folgendes festgehalten wurde:
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"Für die Werke des Erblassers "Rollenspiele", "Durcheinandertal",
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"Turmbau (Stoffe IV-IX)" und "Midas" werden folgende Spezialregelungen getroffen: In den für jedes dieser Werke abgeschlossenen Zusatzverträgen werden die Senderechte für Funk und Fernsehen, sowie Verfilmungen oder Bearbeitungen als Drama, Fernseh- oder Hörspiel von der Nebenrechtsübertragung im Generalvertrag Dürrenmatt-Diogenes vom 17.12. 1986 ausgenommen. Die Erben sind übereingekommen, dass die genannten Rechte von der Diogenes Verlag AG vertreten und verwertet werden, wobei jedoch der Ehegattin ein Mitsprache- und Zustimmungsrecht bei deren Vergabe an Dritte zusteht; dieses Mitsprache- und Zustimmungsrecht fällt mit dem Ableben der Ehegattin an die Nachkommen zurück, die dann einen neuen Erbenvertreter bestimmen müssen, dem das Mitsprache- und Zustimmungsrecht zukommt..."
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Mit Vertrag vom 12./17. Juni 1992 übertrug die Diogenes Verlag AG dem Südostbayerischen Städtetheater in Landshut das Recht zur bühnenmässigen Aufführung des Werkes "Midas", ohne das Einverständnis von Charlotte Kerr Dürrenmatt eingeholt zu haben.
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Mit Klage vom 15. März 1993 begehrte Charlotte Kerr Dürrenmatt gegenüber der Diogenes Verlag AG die Feststellung der Ungültigkeit der Rechtsübertragungen an das Südostbayerische Städtetheater, im Laufe des Verfahrens zusätzlich ein Verbot jeder bühnenmässigen Auswertung von "Midas" ohne ihre Zustimmung.
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Die Klägerin hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Miturheberschaft im Sinne von Art. 7 URG beruht auf dem Gedanken der kollektiven Werkschöpfung, der Mitwirkung mehrerer Personen an einem neugeschöpften, im Gegensatz zum bearbeiteten (Art. 3 URG), verbundenen oder durch Kompilation (Art. 4 URG) geschaffenen Werk. Die einzelnen Miturheber oder Miturheberinnen stehen in einer Rechtsgemeinschaft, einer Gesamthandschaft sui generis (BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht, N. 2 zu Art. 7 URG), die durch einen gemeinsamen, originären Rechtserwerb gekennzeichnet ist. Das als solches unteilbare Kollektivwerk (vgl. Art. 7 Abs. 4 URG) ist durch die schöpferische Leistung mehrerer Personen geprägt, denen das Gesetz je einzeln die Befugnis einräumt, die absolute Rechtsstellung aus der Urheberschaft durchzusetzen. Die verselbständigte Rechtszuständigkeit folgt dabei aus der eigenen schöpferischen Leistung.
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Das Urheberrecht ist vererblich (Art. 16 Abs. 1 URG). Die Erbfolge beurteilt sich hinsichtlich Voraussetzungen und Wirkungen ausschliesslich nach den Bestimmungen des Erbrechts. Unter mehreren Erben entsteht von Gesetzes wegen eine Erbengemeinschaft (Art. 602 ff. ZGB). Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, diese unterstehe in bezug auf das durch Universalsukzession übergegangene Urheberrecht den Bestimmungen über die Miturheberschaft (REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, S. 132). Dies entspricht der Regelung des österreichischen ![]() | 11 |
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Im Gegensatz zum deutschen Recht (vgl. § 2039 BGB) ist ein Erbe sodann nach herrschender schweizerischer Lehre und bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch nicht ohne weiteres befugt, auf eigene Gefahr für die Erbengemeinschaft tätig zu werden (PIOTET, Schweiz. Privatrecht, Bd. IV/2, S. 667 mit Hinweisen; a.A. JOST, Die Aktivlegitimation des Miterben zu erbrechtlichen Klagen, SJZ 46/1950, S. 149 ff.). Selbständiges ![]() | 13 |
Weiter ist zu beachten, dass der eingeklagte Unterlassungsanspruch im wesentlichen vertraglicher Natur ist und bei seiner Beurteilung unter anderem der Generalvertrag vom 17. Dezember 1986 und der Zusatzvertrag vom 17. Januar 1991 eine Rolle spielen. Der im Vordergrund stehende Zusatzvertrag wurde jedoch erst nach dem Tode von Friedrich Dürrenmatt, das heisst mit dessen Erben als materiellen Vertragsparteien abgeschlossen. Ist aber die Klägerin nach dem Gesagten kraft ihrer Erbenstellung selbst an einem ausservertraglichen Unterlassungsanspruch nicht allein aktivlegitimiert, so gilt das in noch stärkerem Masse für die Durchsetzung von Ansprüchen aus vertraglicher Rechtsgemeinschaft. Insoweit kann somit dem Obergericht ebenfalls keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden.
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a) Das Obergericht ist der Auffassung, der Klägerin sei im Erbteilungsvertrag bloss die Stellung einer Erbenvertreterin eingeräumt worden. Es schliesst dies aus dem Umstand, dass für den Fall ihres Todes die Ernennung eines neuen Erbenvertreters vorgesehen wurde, und dem ihr in Ziff. 20 des Erbteilungsvertrags erteilten Auftrag mit Vollmacht, die ![]() | 16 |
b) Das Obergericht legt den Erbteilungsvertrag ausgehend von dessen Wortlaut normativ aus und schliesst auf ein blosses Vertretungsverhältnis, welches der Klägerin keine Aktivlegitimation verschaffe. Die Klägerin beruft sich demgegenüber auf einen abweichenden tatsächlichen Parteiwillen und wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 8 ZGB, ein offensichtliches Versehen, eine bundesrechtswidrige Anwendung von Art. 18 OR und allenfalls eine unrichtige normative Vertragsauslegung vor. Im Ergebnis beansprucht sie eine - offenbar fiduziarische - Übertragung der hier streitigen Rechte von den Erben an sich auf Lebenszeit.
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aa) Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG der bundesgerichtlichen Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen ist (BGE 119 II 368 E. 4b S. 372 f., BGE 118 II 365 ff.). Der Vorrang der empirischen oder subjektiven vor der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung, ergibt sich aus Art. 18 OR als Auslegungsregel. Die Verletzung dieses Grundsatzes kann deshalb mit der Berufung gerügt werden (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, N. 76 zu Art. 18 OR).
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Die Behauptungs- und Beweislast für Bestand und Inhalt eines vom normativen Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 33 und 42 zu Art. 18 OR). Die Klägerin ![]() | 19 |
bb) Daran ändert der Umstand nichts, dass der Erbteilungsvertrag gemäss Art. 634 Abs. 2 ZGB zur Gültigkeit der schriftlichen Form bedarf. Die in Art. 18 Abs. 1 OR verankerte Auslegung nach dem Willensprinzip gilt uneingeschränkt auch für formbedürftige Verträge. Auch bei ihnen ist der Wille der Parteien ohne Begrenzung durch den Vertragswortlaut zu erforschen und erst danach die Frage zu stellen, ob das Rechtsgeschäft den gesetzlichen Formvorschriften entspricht (KRAMER, Berner Kommentar, N. 59 zu Art. 18 OR; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 477 zu Art. 18 OR). Die Form bestimmt nicht die Auslegung, sondern die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Ungültigkeit ist erst dann gegeben, wenn der Geschäftswille nicht formgenüglich verurkundet ist und nicht bereits dann, wenn das subjektive Vertragsverständnis der Parteien nicht mit dem objektiven Wortsinn ihrer Erklärungen übereinstimmt. Auf dieser Grundlage aber ist im vorliegenden Fall ohne weiteres davon auszugehen, dass auch der von der Klägerin behauptete subjektive Wille der Vertragsparteien formgenüglich erklärt worden wäre.
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cc) Die Berufung ist demnach insoweit begründet, als darin geltend gemacht wird, das Obergericht hätte zum behaupteten tatsächlichen Parteiwillen Feststellungen treffen müssen. In dieser Hinsicht ist der rechtserhebliche Sachverhalt im Sinne von Art. 64 Abs. 1 OG ergänzungsbedürftig. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen, die sich zum behaupteten tatsächlichen Parteiwillen zu äussern hat.
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