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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Juni 1995 i.S. Y. U. gegen U. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 142 Abs. 1 ZGB; Scheidung einer Scheinehe. |
Der allgemeine Scheidungsgrund der tiefen Zerrüttung gemäss Art. 142 Abs. 1 ZGB kann nicht angerufen werden, um eine Scheinehe aufzulösen. | |
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2. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die von der Klägerin gestützt auf Art. 142 ZGB erhobene Scheidungsklage im wesentlichen mit der ![]() | 1 |
a) Von einer Scheinehe ist dann die Rede, wenn die Ehegatten von allem Anfang an keine eheliche Lebensgemeinschaft führen wollen, sondern das Institut der Ehe dazu benützen, ein zweckfremdes Ziel zu erreichen. Eine Scheinehe liegt etwa bei einer Ausländerrechtsehe vor, mit der die Ehegatten bezwecken, einem Ehepartner mit Wohnsitz im Ausland aufgrund des Eheschlusses mit einem in der Schweiz wohnhaften Ausländer zu einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG (SR 142.20) zu verhelfen (KOTTUSCH, Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, ZBl. 1983, S. 430 f.; KELLER, Die zweckwidrige Verwendung von Rechtsinstituten des Familienrechts, Diss. Zürich 1986, S. 61; HINDERLING/STECK, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Auflage, Zürich 1995, S. 7 Fn. 13; DESCHENAUX/TERCIER, Le mariage et le divorce, 3. Auflage, 1985, N. 267). Das Obergericht des Kantons Zürich hat gestützt auf die Ausführungen der Klägerin für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die vorliegende Ehe nur eingegangen worden sei, damit der Beklagte in der Schweiz bleiben könne. Die Ehe wurde von der Vorinstanz daher zutreffend als Scheinehe qualifiziert.
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b) Eine Scheinehe ist eine gültige Ehe mit allen gesetzlich vorgesehenen Rechtswirkungen (BGE 97 II 7 E. 3; DESCHENAUX/TERCIER, a.a.O., N. 268). Wie jede Ehe kann daher grundsätzlich auch eine Scheinehe geschieden werden. Die Klägerin beruft sich bei ihrer Scheidungsklage auf den Scheidungsgrund der tiefen und unheilbaren Zerrüttung. Gemäss Art. 142 Abs. 1 ZGB kann jeder Ehegatte auf Scheidung klagen, wenn eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses eingetreten ist, dass den Ehegatten die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Tatbestand dieser Bestimmung nur darauf ausgerichtet, die Auflösung der Ehe zu ermöglichen, wenn im Verlauf ihrer Dauer eine tiefe Zerrüttung eingetreten ist. Noch deutlicher bringt dies der französische Gesetzestext zum Ausdruck, wonach eine Scheidung gemäss ![]() | 3 |
Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der klare Gesetzeswortlaut, der an den "Eintritt der Zerrüttung" anknüpft, verbietet eine Scheidung einer Ehe gestützt auf den allgemeinen Scheidungsgrund von Art. 142 Abs. 1 ZGB, wenn die Ehe als Scheinehe von Anfang an gar nie von einem gemeinsamen Ehewillen der Ehegatten getragen war. Wo gar nie ein Wille zu einer ehelichen Lebensgemeinschaft vorhanden war, kann logischerweise auch keine Zerrüttung der ehelichen Verhältnisse eintreten. Die Argumente, welche die Klägerin gegen dieses Gesetzesverständnis vorbringt, sind nicht stichhaltig. Einerseits macht die Klägerin geltend, das Gesetz weise eine echte Lücke auf, wenn der allgemeine Scheidungsgrund gemäss Art. 142 ZGB nicht angerufen werden könne. Entgegen ihrer Auffassung erweist sich das Gesetz in diesem Bereich indessen keineswegs als unvollständig und ergänzungsbedürftig. Sie übersieht nämlich, dass die Scheinehe, die sie angeblich nur unter dem Druck ihres Vaters eingegangen war, im Vergleich zu einer wirklich gewollten Ehe durchaus unter erleichterten Voraussetzungen hätte aufgelöst werden können, wenn dies durch Anfechtung gemäss Art. 123 ff. ZGB rechtzeitig geltend gemacht worden wäre. Anderseits kann der Klägerin auch insofern nicht gefolgt werden, als sie auf Lehrmeinungen hinweist, die eine Scheidung einer Scheinehe gestützt auf Art. 142 ZGB befürworten. Tatsächlich wird in der Literatur lediglich die Auffassung vertreten, dass bei Scheinehen die Ehegatten nicht unter Berufung darauf, dass ihr Scheidungsbegehren rechtsmissbräuchlich sei, gegen ihren Willen in einer inhaltslosen Ehe festgehalten werden sollen (HINDERLING/STECK, a.a.O., S. 15; MERZ, Berner Kommentar, N. 292 ff. zu Art. 2 ZGB). Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Scheidungsklage indessen nicht wegen Rechtsmissbrauchs der Klägerin abgewiesen, sondern weil die Tatbestandsvoraussetzungen des angerufenen allgemeinen Scheidungsgrundes nicht erfüllt sind.
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c) Unter diesen Umständen ist daran festzuhalten, dass eine Scheinehe angesichts des Gesetzeswortlautes nicht nach Art. 142 ZGB geschieden werden ![]() | 5 |
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