BGE 121 III 252 | |||
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50. Urteil des Kassationshofes vom 14. Juli 1995 i.S. R., T., D. und G. gegen M. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 47 OR; Bemessung der Genugtuung. | |
Sachverhalt | |
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- Für R.(Witwe) Fr. 20'000.--
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- für die 3 Kinder T. (geb. Dezember 1987),
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D. (geb. März 1989) und G. (geb. Juni 1993)
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je Fr. 15'000.-- Fr. 45'000.--
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total somit Fr. 65'000.--
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nebst 5% Zins seit dem 10. Januar 1993.
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B.- Die Geschädigten erheben eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts in bezug auf die Genugtuungssummen aufzuheben; M. sei zu verpflichten, folgende Genugtuungssummen zu bezahlen:
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- Für R. Fr. 40'000.--
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- für die 3 Kinder T., D. und G. je Fr. 30'000.-- Fr. 90'000.--
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total somit Fr. 130'000.--
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nebst 5% Zins seit dem 10. Januar 1993.
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C.- Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen, M. auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen: | |
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Am 10. Januar 1993, um ca. 00.30 Uhr, betrat der Beschwerdegegner seine Wohnung in X. und stellte fest, dass seine Kinder noch im Wohnzimmer spielten. In der Folge wollte er seinen Sohn und seine Tochter im Kinderzimmer zu Bett bringen. Die Türe des Kinderzimmers war jedoch verschlossen. Er begab sich deshalb mit den Kindern ins Elternschlafzimmer und rief nach seiner Ehefrau. Da sich niemand meldete, drückte er mit Gewalt die Türe zum Kinderzimmer auf. Darauf sah er seine Ehefrau nackt hinter der Türe stehen und einen nackten unbekannten Mann (B.), der soeben im Begriffe war, durch das geöffnete Fenster des Kinderzimmers ins Freie zu springen. Der Beschwerdegegner begab sich unverzüglich ins Elternschlafzimmer, behändigte einen Revolver und nahm die Verfolgung des nackten B. auf. Er entdeckte ihn, nachdem er ihn zwischendurch aus den Augen verloren hatte, in einem Hinterhof. B. stand dem Beschwerdegegner gegenüber und blickte ihn an. Der Beschwerdegegner hob den Revolver, richtete ihn gegen B. und gab aus einer Distanz von ca. 5-7 m mindestens einen Schuss gegen ihn ab. Eine Kugel traf B. unterhalb der 7. Rippe. B. brach zusammen, worauf sich der Beschwerdegegner zu ihm begab und aus einer Distanz von ca. 1 m noch mindestens zwei Schüsse gegen den Kopf und den Oberkörper des am Boden Liegenden bzw. Kauernden abfeuerte. Dies führte zum Tod von B.
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b) Die Vorinstanz qualifizierte die Tat mit einlässlicher Begründung als vorsätzliche Tötung. Bei der Strafzumessung berücksichtigte sie eine Persönlichkeitsstörung und eine Zuckerkrankheit des Beschwerdegegners, welche die emotionale Instabilität akzentuiere. Er sei zur Zeit der Tat leicht alkoholisiert gewesen und habe sich in einem akuten Erregungszustand befunden. Seine heftigen Affekte hätten sein Bewusstsein stark eingeengt, weshalb er nur noch begrenzt imstande gewesen sei, die Situation wirklichkeitsgerecht einzuschätzen bzw. entsprechend zu handeln. Die Tat liege näher beim Tatbestand des Totschlages als bei jenem des Mordes. Das Verschulden wiege jedoch schwer. Die Vorinstanz folgt dem psychiatrischen Gutachten, wonach die Zurechnungsfähigkeit schwer vermindert war.
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Zu den von den Beschwerdeführern bereits im kantonalen Verfahren in gleicher Höhe wie in der Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemachten Genugtuungsansprüchen bemerkt die Vorinstanz, diese Summen wären angemessen, wenn die Beschwerdeführer in der Schweiz wohnen würden. Nachdem sie jedoch in Kosovo lebten, müsse den dort wesentlich tieferen Lebenshaltungskosten Rechnung getragen werden. Aus diesem Grunde sprach die Vorinstanz nur die Hälfte der eingeklagten Genugtuungssummen zu.
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c) Die Beschwerdeführer machen geltend, es verletze Bundesrecht, die Lebenshaltungskosten bei der Bemessung der Genugtuung zu berücksichtigen. Die Auffassung der Vorinstanz könne sich weder auf Lehrmeinungen noch auf Präjudizien stützen. Eventualiter machen die Beschwerdeführer geltend, dass die Vorinstanz dann, wenn das von ihr angewandte Rechtsprinzip bundesrechtmässig wäre, konkret Beweis über die Lebenshaltungskosten in Kosovo hätte erheben müssen. Die Lebenshaltungskosten seien in Kosovo seit dem Zerfall des alten Jugoslawien unter dem Einfluss der Kriegswirtschaft dramatisch angestiegen. Auch deshalb verletze die Vorinstanz Bundesrecht, wenn sie nur die Hälfte der an sich angemessenen Summen zuspreche.
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a) Die Frage, ob die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Genugtuungsberechtigten für die Bemessung der Genugtuung eine Rolle spielen können, ist bisher in der Rechtsprechung und im Schrifttum nur am Rande angesprochen worden. Hütte (Die Genugtuung, 2. Aufl., Stand Juli 1994, I/24) bemerkt, die Lebenshaltungskosten im Heimatland seien kein Grund, die Genugtuungsansätze anders zu bemessen als in der Schweiz, das heisst sie zu reduzieren oder zu erhöhen. Er bezieht sich dabei auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des Zürcher Obergerichtes vom 19. Dezember 1985 und legt dar, anders habe noch das Bundesgericht in BGE 97 II 123 E. 10 (S. 135 am Schluss) entschieden. Zutreffend ist, dass das Bundesgericht in jener Erwägung zur Höhe einer Genugtuungsforderung bemerkt, der Kaufkraftschwund des Geldes in der Schweiz sei im konkreten Fall ohne Auswirkungen im Hinblick darauf, dass die Ansprecher in Italien lebten und die ihnen zugesprochenen Beträge voraussichtlich in ihrem Lande ausgeben würden. Die Entscheidung ist also entgegen Hütte für die hier erörterte Frage nicht einschlägig.
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In der übrigen Literatur wird das Problem nicht angesprochen (vgl. ANTON K. SCHNYDER, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Basel 1992, Art. 47 N. 11; BREHM, Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, 1990, Art. 47 N. 62 ff.; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 5. Aufl., Zürich 1995, S. 429 ff.). Daraus ist zu schliessen, dass der Gesichtspunkt der Lebenshaltungskosten am ausländischen Wohnsitz des Berechtigten bisher für die Bemessung der Genugtuung keine Rolle gespielt hat.
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b) Bei der Bemessung der Genugtuung sind die Lebenshaltungskosten des Berechtigten an seinem ausländischen Wohnsitz nicht zu berücksichtigen. Die Genugtuung stellt im Unterschied zur Schadenersatzleistung nicht einen Ausgleich für eine Vermögensminderung dar. Sie soll vielmehr den Schmerz durch eine Geldsumme aufwiegen. Diese Geldsumme ist nach dem am Gerichtsstand geltenden Recht zu bemessen ohne Rücksicht darauf, wo der Kläger leben und was er mit dem Geld machen wird. Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, dass nicht nur bei ausländischem Wohnsitz die Frage einer Reduktion geprüft werden müsste, sondern gegebenenfalls auch bei schweizerischem Wohnsitz an einem Ort mit geringen Lebenshaltungskosten. Es wäre schwer nachvollziehbar, wenn bei der Bemessung der Genugtuung danach unterschieden werden müsste, ob der Ansprecher in einer Grossstadt oder in einer ländlichen Gegend mit niedrigen Lebenshaltungskosten wohnt. Die Auffassung der Vorinstanz würde auch dazu führen, dass der Ansprecher mit ausländischem Wohnsitz gegebenenfalls mehr verlangen könnte, wenn er in einer ausländischen Metropole mit höheren Lebenshaltungskosten als in der Schweiz wohnt. Würde man der Ansicht der Vorinstanz folgen, würde im übrigen in Fällen wie hier die Freiheit des Genugtuungsberechtigten, sich anderswo niederzulassen, faktisch beeinträchtigt. So könnten die Beschwerdeführer in der Schweiz nur wieder leben, wenn sie bereit wären, sich mit der Hälfte der Genugtuung abzufinden.
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Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.
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Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Genugtuungssummen sind angesichts der oben (E. 1a) dargelegten Tatumstände angemessen. Der Beschwerdegegner hat weder vor Vorinstanz noch vor Bundesgericht Gesichtspunkte genannt, die zu einer Reduktion führen müssten. Da die Sache somit spruchreif ist, entscheidet das Bundesgericht selbst. Die geltend gemachten Beträge sind zuzusprechen.
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