BGE 121 III 331 | |||
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67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. April 1995 i.S. E. gegen G. und ICC-Schiedsgericht (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 85 lit. c OG und Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Im Beschwerdeverfahren zulässige Rügen. | |
Sachverhalt | |
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Am 29. August 1989 schloss die G. mit der E. einen grundsätzlich auf drei Jahre befristeten Dienstleistungsvertrag bezüglich der von der E. in der Türkei zu realisierenden Bauprojekte "Anatepe", "Halkali" und "Eryaman".
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Darin wurde unter anderem vereinbart, dass bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags die kündigende Partei eine Entschädigung von höchstens sechs Monatshonoraren zu bezahlen habe. In der Folge wurden die Dienstleistungen der G. nicht in den im Vertrag vorgesehenen, sondern in anderen Projekten der E. beansprucht. Die in Rechnung gestellten Honorare wurden bis zum Juni 1991 bezahlt. Nachher verweigerte die E. weitere Zahlungen.
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Mit Eingabe vom 13. Februar 1992 verlangte die G. von der E. in einem ICC-Schiedsgerichtsverfahren die Zahlung von US $ 745'782.-- nebst Zins, womit sie Honorare für Dienstleistungen in der Zeit von Juli bis September 1991 sowie die vertragliche Entschädigung von sechs Monatshonoraren wegen vorzeitiger Vertragsauflösung beanspruchte. Der ICC-Schiedsgerichtshof ernannte Rechtsanwalt Dr. X. als Einzelschiedsrichter.
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Mit Schiedsentscheid vom 18. Mai 1994 hiess der Schiedsrichter die Klage im Betrag von US $ 486'564.-- nebst 6,5% Zins seit 7. Oktober 1991 gut. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die E. schulde über die bereits erbrachten Honorare hinaus keine weiteren Honorarzahlungen, dagegen wegen der Vertragskündigung die vereinbarte Entschädigung von sechs Monatshonoraren, wobei hinsichtlich der Betragshöhe auf die im zweiten Vertragsjahr erbrachten Honorare von monatlich US $ 81'094.-- abzustellen sei.
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Beide Parteien haben den Schiedsentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 85 lit. c OG angefochten. Die Beschwerde der E. hat das Bundesgericht abgewiesen; jene der G. gutgeheissen.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Die G. rügt mit ihrer Beschwerde eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG). Sie macht zudem eine Missachtung des Grundsatzes der Bindung des Schiedsrichters an die Parteibegehren und eine Verletzung des Ordre public geltend (Art. 190 Abs. 2 lit. c und e IPRG). Zur Begründung ihrer Rügen bringt sie vor, sie habe mit ihrer Klage sowohl das vertraglich geschuldete Honorar für die in den Monaten Juli bis September 1991 erbrachten Leistungen als auch die vereinbarte Entschädigung für die vorzeitige Vertragskündigung geltend gemacht; der Schiedsrichter habe ihr in Verletzung der erwähnten Verfahrensgarantien lediglich die Entschädigung zugesprochen, obschon die E. den der Honorarforderung zugrunde gelegten Sachverhalt anerkannt habe.
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Im angefochtenen Entscheid wird festgehalten, die G. habe ihre Tätigkeit für die E. im Juni 1991 eingestellt, ihre für deren Projekte eingesetzten Mitarbeiter aber bis Ende September 1991 entlöhnt. Sie habe jedoch mangels Leistungen keinen Anspruch auf zusätzliche Honorare, sondern bloss auf die Entschädigung für die vorzeitige Kündigung des Vertrags. In seiner Vernehmlassung räumt der Schiedsrichter ein, insoweit einem Irrtum unterlegen zu sein, als entgegen seinen Feststellungen beide Parteien im Schiedsgerichtsverfahren davon ausgegangen seien, die G. habe ihre Leistungen nicht lediglich bis Juni 1991, sondern noch bis Ende September 1991 erbracht. Dieser Irrtum ist nach Auffassung des Schiedsrichters indessen im Ergebnis ohne Bedeutung, weil die G. bereits im Juni 1991 aus der Einstellung der Honorarzahlungen auf eine Kündigung des Vertrags habe schliessen müssen; zudem sei im Schiedsentscheid nicht übersehen worden, dass die Löhne den Mitarbeitern der G. bis September 1991 bezahlt worden seien.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts reicht eine offensichtlich falsche oder aktenwidrige Feststellung für sich allein nicht aus, um einen internationalen Schiedsentscheid aufzuheben, da die materiellrechtliche Überprüfung durch das Bundesgericht auf die Frage beschränkt ist, ob der Schiedsentscheid mit dem Ordre public vereinbar ist, der nicht mit dem Begriff der Willkür übereinstimmt (BGE 120 II 155 E. 6a S. 166, BGE 117 II 604 E. 3, 116 II 634 E. 4 S. 636 mit Hinweisen). Insoweit sind den Anfechtungsmöglichkeiten wegen materieller Rechtsverweigerung enge Grenzen gesetzt.
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b) Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass in der offensichtlich falschen oder aktenwidrigen Feststellung eine formelle Rechtsverweigerung liegt (vgl. HEINI, IPRG-Kommentar, N. 36 zu Art. 190). Aus dem Äusserungsrecht der Parteien folgt zwingend auch deren Anspruch, mit rechtserheblichen Vorbringen gehört zu werden. Die urteilende Instanz hat daher die im Rahmen der Anhörung und Mitwirkung bei der Sachverhaltsabklärung von den Beteiligten beigebrachten Informationen, Argumente, Beweise und Beweisanträge zu prüfen und zu würdigen, soweit sie für die Entscheidfindung bedeutsam sind (MÜLLER, in Kommentar BV, N. 112 zu Art. 4). Was in diesem Sinne entscheiderheblich ist, ergibt sich entweder aus der Begründung des angefochtenen Entscheids oder aus einer davon abweichenden Auffassung der Rechtsmittelinstanz.
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Eine formelle Rechtsverweigerung in diesem Sinne kann namentlich darin liegen, dass Parteivorbringen versehentlich übersehen oder missverstanden worden sind. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Im angefochtenen Entscheid ging der Schiedsrichter davon aus, die G. habe nach ihren eigenen Angaben die Tätigkeit für die E. im Juni 1991 eingestellt, woraus er schloss, mangels Leistungen seien nach diesem Zeitpunkt auch keine Gegenleistungen mehr geschuldet. Damit begründete er die Verweigerung des für Juli bis September 1991 beanspruchten Honorars aus dem nach seiner Auffassung entscheiderheblichen Begriff des Synallagmas. Wie er in seiner Vernehmlassung selbst festhält, ist ihm dabei ein Versehen unterlaufen, indem er übersah, dass beide Parteien davon ausgingen, auch nach dem Juni 1991 seien noch Leistungen erbracht worden. Damit hat er im Schiedsverfahren der G. das rechtliche Gehör dadurch verweigert, dass er ihre entsprechende Behauptung nicht zur Kenntnis nahm.
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c) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 119 Ia 136 E. 2b S. 138 mit Hinweisen). Das Nachschieben von Motiven im Beschwerdeverfahren genügt in der Regel nicht, die Gehörsverletzung zu heilen, weil damit die Zwecke der Begründungspflicht - aber auch der Prüfungspflicht - nicht erfüllt werden (MÜLLER, a.a.O., N. 114 zu Art. 4 BV). Das gilt in vermehrtem Masse für das Beschwerdeverfahren der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, wo die Sachverhaltsfeststellungen und die Rechtsanwendung lediglich im eng begrenzten Rahmen der Rügen gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG überprüft werden und dementsprechend das Bundesgericht kaum die Möglichkeit hat, den vom Schiedsgericht festgestellten Sachverhalt selbst zu ergänzen oder zu berichtigen, um so die Gehörsverweigerung zu heilen.
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Gegen eine Gehörsverletzung als formelle Rechtsverweigerung lässt sich sodann nicht einwenden, sie sei solange unbeachtlich, als der angefochtene Entscheid im Ergebnis nicht gegen den Ordre public verstosse, und insoweit sei nicht auf die Begründung abzustellen. Dieser zur materiellen Rechtsverweigerung entwickelte Grundsatz (BGE 116 II 634 E. 4 S. 636 f.) ist nicht auf den Bereich der formellen Verfahrensgarantien übertragbar, da deren eigentliche Bedeutung nicht darin liegt, einen nach Massgabe der Kognition der Rechtsmittelinstanz fehlerfreien Entscheid in der Sache sicherzustellen, sondern darin, den Parteien eine unabhängige Beurteilung der dem Gericht prozesskonform unterbreiteten Begehren und Sachbehauptungen zu gewährleisten.
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