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5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Dezember 1995 i.S. Bank X. gegen U. AG (Berufung) | |
Regeste |
Allgemein gekreuzter Check; Haftung aus Missachtung von Kreuzungsvorschriften; Überwälzung des Fälschungsrisikos (Art. 1123 Abs. 3, 1124 und 1132 OR). |
Die Einreicherbank verstösst gegen Art. 1124 Abs. 3 OR, wenn sie einen gekreuzten Check an einen Nichtkunden bezahlt; Bedeutung der Kundenbeziehung (E. 3b und c). |
Keine Solidarhaftung der bezogenen Bank für das kreuzungswidrige Verhalten der Einreicherbank (E. 3d). |
Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit welchen das Risiko der Checkfälschung auf den Aussteller überwälzt wird; Verletzung von Sorgfalts- und Aufklärungspflichten durch die bezogene Bank verneint (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 21. Oktober 1993 klagte die U. AG beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen gegen die Bank X. auf Rückerstattung von Fr. 87'030.-- nebst Zins. Mit Urteil vom 25. August 1994 hiess das Handelsgericht die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, Fr. 79'030.-- mit Valuta vom 7. Juni 1993 dem Konto der Klägerin gutzuschreiben.
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Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht gutgeheissen wird.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Ein allgemein gekreuzter Check (Art. 1123 Abs. 3 OR) darf vom Bezogenen nur an einen Bankier oder an einen Kunden des Bezogenen bezahlt werden (Art. 1124 Abs. 1 OR). Ein Bankier darf einen gekreuzten Check nur von einem seiner Kunden oder von einem anderen Bankier erwerben; auch darf er ihn nicht für Rechnung anderer als dieser Personen einziehen (Art. 1124 Abs. 3 OR).
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Mit einer Kreuzung des Checks werden Anordnungen für den Vorgang der Einlösung getroffen, die zum Zweck haben, das Risiko der Zahlung an einen Nichtberechtigten zu vermindern. Dabei soll die Tatsache bestehender Kundenbeziehungen der am Inkasso beteiligten Banken genutzt werden. So können den Banken aus der Kenntnis ihrer Kunden allenfalls gewisse ![]() | 6 |
b) Die Vorinstanz wirft der Einreicherbank vor, im Gegensatz zum Beklagten unter Verletzung der im Check enthaltenen Anweisung, wonach nur an einen Kunden oder einen Bankier bezahlt werden darf, gehandelt zu haben. Die Einreicherbank sei nicht berechtigt gewesen, den ihr vom Nichtbankier S. vorgelegten Check einzulösen. Neben den Tatsachen, dass erst unmittelbar vor der Checkeinlösung ein Konto eröffnet worden sei und der einbezahlte Betrag von Fr. 150.-- in keinem Verhältnis zur Checksumme von Fr. 87'030.-- gestanden habe, hätten auch die weiteren Umstände der Einreicherbank Anlass zu Vorsicht geben müssen, zumal S. nicht in der Schweiz Wohnsitz hatte. Für die Einreicherbank hätte deshalb Anlass bestanden, den Check einer näheren Überprüfung zu unterziehen, was möglicherweise die Fälschung zutage gefördert hätte; denkbar gewesen wäre auch eine Rückfrage beim Beklagten oder der Klägerin selbst. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, indem die Einreicherbank den gekreuzten Check an einen Nichtkunden ausbezahlt habe, habe sie gegen Art. 1124 Abs. 1 (recte: 3) OR verstossen und sei damit für den entstandenen Schaden grundsätzlich haftbar. Sodann nimmt die Vorinstanz unter Hinweis auf JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ (a.a.O., S. 288 und 293 f.) an, aus dem allseitigen Pflichtnexus der Beteiligten im Checkverkehr ergebe sich, dass die Einreicherbank hinsichtlich der Prüfung der Berechtigung des Einreichers Hilfsperson der bezogenen Bank sei (Art. 101 OR). Mit der Überreichung der Checkformulare biete die bezogene Bank nicht nur ihre eigene, sondern auch die Leistung weiterer Banken an, mit der Folge, dass sich die Haftung bei ihr zentralisiere. Im vorliegenden Fall treffe daher die Haftung für die weisungswidrige Zahlung der Einreicherbank an einen Nichtkunden auch den Beklagten.
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c) Der Vorinstanz ist zunächst darin beizupflichten, dass der Beklagte Art. 1124 Abs. 1 OR eingehalten hat, indem er den gekreuzten Check der Einreicherbank honorierte. Ihm bleibt auch jeder Vorwurf bezüglich Abs. 3 dieser Bestimmung erspart, da dessen Adressat der vom Bezogenen verschiedene Bankier ist (ZIMMERMANN, Kommentar des Schweizerischen Scheckrechts, N. 1 zu Art. 1124 OR), im vorliegenden Fall also die Einreicherbank.
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Anders verhält es sich nach der Argumentation der Vorinstanz in bezug auf die Einreicherbank, welcher angelastet wird, an einen Nichtkunden bezahlt und dadurch gegen Art. 1124 Abs. 3 OR verstossen zu haben. Die Verneinung der Kundenbeziehung stimmt mit der in der Literatur vertretenen Auffassung überein, wonach die Beziehung eine gewisse Festigkeit aufweisen muss (PETITPIERRE-SAUVAIN, Check II, SJK 722, S. 17; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, a.a.O., S. 334). Sie steht im Einklang mit der ratio legis, wonach die Kreuzung dem Aussteller besonderen Schutz gewähren soll. Dieser Zweck lässt sich nicht verfolgen, wenn ein rein formales Kriterium, die Eröffnung eines Kontos bei der Einreicherbank, in jedem Fall genügen soll (vgl. ALBISETTI und andere, a.a.O., S. 310).
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d) Ob das der Einreicherbank anzulastende Verhalten haftungsrechtlich der bezogenen Bank zuzurechnen ist, ist aus Art. 1124 Abs. 5 OR herzuleiten. Dabei ist durch Auslegung zu bestimmen, ob diese checkrechtliche Norm die Haftung aus Missachtung von Kreuzungsvorschriften abschliessend regelt oder nicht.
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aa) Eine Gesetzesnorm ist unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. An den klaren und unzweideutigen Wortlaut ist die rechtsanwendende Behörde in der Regel gebunden (BGE 121 III 214 E. 3b mit Hinweisen).
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bb) Nach Art. 1124 Abs. 5 OR haftet der Bezogene oder der Bankier, der den Bestimmungen über die Kreuzung zuwiderhandelt, für den entstandenen Schaden bis zur Höhe der Checksumme. Aus der bloss disjunktiven Verwendung der ![]() | 13 |
Gleiches folgt aus dem Wesen dieser Haftung. Bei der Kreuzung wird auf den Bezogenen keine Rücksicht genommen, da ohne sein Wissen Aussteller wie auch Inhaber den Vermerk auf den Check setzen können (Art. 1123 Abs. 1 OR). Demzufolge ist der Bezogene auch ohne Einwilligung verpflichtet, die Zahlung nicht an den Einreicher, sondern an den durch Kreuzung Bezeichneten zu leisten (ZOLLER, a.a.O., S. 47); bei Nichteinhaltung wird er schadenersatzpflichtig. Die Haftung nach Art. 1124 Abs. 5 OR stellt mithin eine Legalhaftung dar (BGE vom 12. Januar 1994, publiziert in SJ 1994, S. 564 E. 2c/cc), die ihrem Wesen und Gehalt nach zivilrechtlicher Natur ist (ZIMMERMANN, a.a.O., N. 16 zu Art. 1124 OR; HIPPELE, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 13 zu Art. 1124 OR). Aus der Vertragsfreiheit folgt zwar, dass eine weitergehende Haftung des Bezogenen vereinbart werden kann. Diese lässt sich jedoch nicht aus der blossen Kreuzung des Checks durch den Aussteller ableiten, da Art. 1124 OR deren "Wirkungen" (Marginalie) für die Banken umfassend und damit abschliessend regelt (vgl. ZIMMERMANN, a.a.O., der in N. 14 zu Art. 1124 OR von einem geschlossenen System der Regelung der Kreuzung spricht).
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Aus der Entstehungsgeschichte geht hervor, dass nach einem ersten Entwurf des Bundesrats lediglich die kreuzungswidrige Zahlung an eine Nichtbank "auf Gefahr des Bezogenen" geschehen sollte (BBl 1928 I 485). Dieser Entwurf wurde gestützt auf das internationale Genfer Abkommen über die Vereinheitlichung des Wechsel- und Checkrechts vom 19. März 1931 (vgl. BBl 1931 II 341) noch modifiziert. Für den gekreuzten Check ergaben sich verschiedene Änderungen, von denen jedoch nur die Beschränkung der Haftung des Bezogenen auf die Checksumme in der Botschaft besondere Erwähnung fand (BBl 1931 II 353). Die Einführung einer Solidarhaft von Bezogenem und Einreicherbank wäre aber kaum kommentarlos hingenommen worden. Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers, eine Mithaftung des ![]() | 15 |
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich eine Zentralisierung der Haftung aus Art. 1124 OR bei der bezogenen Bank auch nicht auf die dafür angeführte Literatur stützen. JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ (a.a.O.) äussern sich unter den Überschriften "Checkinkasso" (§ 38) und "Einlösung" (§ 39) zwar ausführlich zur multilateralen Pflichtlage der bezogenen Bank (S. 288 bzw. 292-294), nehmen diese These jedoch unter der Überschrift "Gekreuzter Check und Verrechnungscheck" (§ 42) nicht wieder auf. Die Vorinstanz übergeht namentlich den Hinweis im zuletzt genannten Paragraphen, wonach die Schadenersatzpflicht die Adressaten der durch die Kreuzungsklausel entstandenen Vorschriften trifft (S. 330). In diesem Sinne richtet sich der hier als verletzt ausgegebene Art. 1124 Abs. 3 OR aber ausschliesslich an die Einreicherbank (ZIMMERMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 1124 OR).
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cc) Nach dem Gesagten steht fest, dass Art. 1124 OR die Subjekte der Haftpflicht umfassend bestimmt, indem die einzelnen Verletzungshandlungen jener Bank zugeordnet werden, die sie begangen hat. Folglich kann das der Einreicherbank angelastete Verhalten haftungsrechtlich nicht dem Beklagten zugerechnet werden. Es geht mithin auch nicht an, aus der Tatsache der Übergabe der Checkformulare allein zu schliessen, der Beklagte habe eine Solidarhaftung für das kreuzungswidrige Verhalten der Einreicherbank übernommen. Besondere Umstände, die für eine solche Haftungsübernahme sprechen, hat die Vorinstanz nicht festgestellt.
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4. Da der Beklagte durch Bezahlung an die Einreicherbank den Check kreuzungsgemäss eingelöst hat (Art. 1124 Abs. 1 OR), bleibt zu prüfen, ob ![]() | 18 |
a) Gemäss Art. 1132 OR trifft der aus der Einlösung eines falschen oder verfälschten Checks sich ergebende Schaden den Bezogenen, sofern nicht dem im Check genannten Aussteller ein Verschulden zur Last fällt, wie namentlich eine nachlässige Verwahrung der ihm überlassenen Checkformulare. Diese Risikoverteilung zwischen Aussteller und Bezogenem ist allerdings dispositiver Natur (JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, a.a.O., S. 274; MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, a.a.O., S. 237 Rz. 16; HIPPELE, a.a.O., N. 6 zu Art. 1132 OR; SCHLUEP, in: Schweizerisches Privatrecht, Basel, VII/2, S. 881 Anm. 23; vgl. auch BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 19. Aufl., München 1995, N. 13 zu Art. 3 SchG). Im vorliegenden Fall bleibt unangefochten, dass die für die Parteien verbindlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten in Ziffer 3 "in Bezug auf das Nichterkennen von Fälschungen" das Risiko in zulässiger Weise auf die Klägerin abgewälzt haben. Inwiefern die darin zusätzlich vorgesehene Haftungsbeschränkung auf "grobes Verschulden der Bank" unter dem Gesichtswinkel von Art. 100 f. OR zulässig ist (vgl. dazu BGE 112 II 450 E. 3a und BGE 109 II 116 E. 3), braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da der Beklagte - wie sich aus nachstehenden Erwägungen ergibt (E. 4a/aa und bb) - entgegen der Auffassung der Klägerin keine Sorgfalts- und Aufklärungspflichten verletzt hat.
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aa) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass die bezogene Bank angesichts des Massenverkehrs mit Checks von vornherein nur begrenzte Prüfungsmöglichkeiten hat und ihr deshalb nicht zugemutet werden darf, sämtliche Checkeinlösungen eingehend zu prüfen. Eine weitergehende Prüfungspflicht trifft die Bank nur, wenn besondere Verdachtsmomente vorliegen (BGE 121 II 69 E. 3c S. 72; BGE 111 II 263 E. 2b). Die Vorinstanz kommt zum Schluss, da es sich im vorliegenden Fall um eine äusserst raffinierte Fälschung handle und der Check äusserlich unverdächtig erscheine, hätten sich keine weiteren Prüfungsmassnahmen aufgedrängt.
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Was die Klägerin dagegen vorbringt, erschöpft sich in unzulässiger Kritik an der Beweiswürdigung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 120 II 97 E. 2b S. 99). Das gilt insbesondere für ihren Einwand, die Polizei sei imstande gewesen, die Fälschung auf Anhieb zu erkennen, was daher auch der Bank möglich sein sollte. Darauf ist nicht einzutreten.
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Von einer umfassenden Aufklärungspflicht der Banken gegenüber ihren Kunden, wie sie der Klägerin vorschwebt, ist die Vorinstanz mit Recht nicht ausgegangen (vgl. BGE 119 II 333 E. 5a mit Hinweisen). Es trifft zwar zu, dass der Checkverkehr besondere Risiken für den Bankkunden mit sich bringt, vor allem wenn das Fälschungsrisiko vertraglich auf ihn überwälzt wurde. Das konnte aber der Klägerin, die nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz eine geschäftserfahrene Unternehmung ist und Praxis im Umgang mit Checks besitzt, nicht verborgen bleiben. Zudem legt die Klägerin nicht dar, inwiefern die von ihr vorgeschlagenen Mahnungen, welche der Beklagte der Klägerin hätte erteilen sollen (Missbrauchsgefahr trotz Kreuzung, Ausfüllen mit Kugelschreiber statt Schreibmaschine, Übermittlung durch Einschreibebrief, Empfangsbestätigung verlangen), im vorliegenden Fall die Fälschung verhindert hätte. Dass eine solche Warnung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet gewesen wäre, eine Checkfälschung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGE 115 II 440 E. 5a und 6a) zu verhindern, ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Urteil lässt sich ein hypothetischer Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Unterlassung und dem eingetretenen Schaden (BGE 117 Ib 197 E. 5c S. 208; 115 II 440 E. 5a) nicht herleiten. Von einer Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz kann auch unter diesem Gesichtswinkel keine Rede sein.
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b) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Klägerin mangels Pflichtverletzung durch den Beklagten das Fälschungsrisiko aufgrund von Ziffer 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten allein zu tragen und dieser seinerseits nicht für eine Missachtung von Kreuzungsvorschriften durch die Einreicherbank einzustehen hatte. Der Beklagte durfte daher die bezahlte Checksumme dem Konto der Klägerin belasten. Folglich ist die Klage in Gutheissung der Berufung abzuweisen.
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