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42. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juni 1996 i.S. Firma X. GmbH gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT) und Staat Peru (Direktprozess) | |
Regeste |
Art. 466 ff. OR. Anweisung. |
Umstände, unter denen von einer Annahme der Anweisung im Sinne von Art. 468 Abs. 1 OR auszugehen ist (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Im Dezember 1990 kam die peruanische Postverwaltung gegenüber den PTT auf ihr Schreiben vom 4. März 1987 zurück und forderte diese auf, künftige Guthaben nicht mehr an die Firma X. GmbH, sondern wiederum an sie zu bezahlen.
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B.- In einem direkt beim Bundesgericht anhängig gemachten Forderungsprozess stellte die Firma X. GmbH im wesentlichen die Begehren, die Schweizerische Eidgenossenschaft, PTT, sei zu verpflichten, die zur Zeit der Klageeinreichung vorhandenen und die später entstehenden Guthaben der peruanischen Postverwaltung aus internationalen Postabrechnungen der Klägerin auszuzahlen bis zur vollständigen Erlegung des vertragsgemäss geschuldeten Kaufpreises in der Höhe von DM 6'717'001.18 zuzüglich Zins und abzüglich der aus diversen Arresten erzielten Erlöse. Die Beklagte beantragte Nichteintreten auf die Klage, eventuell deren Abweisung.
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Dem Staat Peru wurde auf Antrag der Beklagten der Streit verkündet, worauf er dem Verfahren als Nebenintervenient beitrat.
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C.- Das Bundesgericht weist die Klage ab, soweit es darauf eintritt.
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b) Die Klägerin behauptet, gegen die Beklagte eine Forderung aus Anweisung zu haben. Durch die Anweisung wird der Angewiesene ermächtigt, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, und dieser, die Leistung von jenem in eigenem Namen zu erheben (Art. 466 OR). Es handelt sich somit um eine Doppelermächtigung, an der drei Personen beteiligt sind: der Anweisende, der Angewiesene und der Anweisungsempfänger. Zu unterscheiden sind dementsprechend drei Rechtsverhältnisse: dasjenige zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen (Deckungsverhältnis), dasjenige zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger (Valutaverhältnis) und dasjenige zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisungsempfänger (Anweisungsverhältnis bzw. Leistungsverhältnis oder Einlösungsverhältnis). Die drei Rechtsbeziehungen sind jeweils getrennt zu betrachten. Sie brauchen nicht alle ausschliesslich privatrechtlicher Natur zu sein und sie unterstehen im internationalen Verhältnis nicht notwendigerweise derselben Rechtsordnung. Unter dem Gesichtspunkt des internationalen Privatrechts ist für die Anknüpfung zu berücksichtigen, dass die Leistung des Angewiesenen als die charakteristische im Sinne von Art. 117 Abs. 3 lit. c IPRG (SR 291) gilt (KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, in: Heini et al., IPRG-Kommentar, Zürich 1993, N. 67 zu Art. 117; AMSTUTZ/VOGT/WANG, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 40 zu Art. 117 IPRG; PATOCCHI/GEISINGER, Code de droit international privé suisse annoté, N. 21 zu Art. 117; vgl. auch BGE 119 II 173 E. 2 S. 176 f.).
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c) Wären die Sachvorbringen der Klägerin begründet, so wäre sie als Anweisungsempfängerin gegenüber der Beklagten als Angewiesener aus einem Anweisungsverhältnis forderungsberechtigt. Der Kaufvertrag der Klägerin mit dem Nebenintervenienten beschlägt einzig das Valutaverhältnis und vermag daher die Rechtsnatur des behaupteten Anweisungsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht zu beeinflussen. Für die Qualifizierung der vorliegenden Streitsache kann deshalb keine Rolle spielen, ob der Kaufvertrag deutschem oder peruanischem Recht untersteht und ob er nach der massgebenden Rechtsordnung dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Ebensowenig kann massgebend sein, dass im Deckungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Nebenintervenienten ein öffentlichrechtliches Abrechnungssystem nach dem Weltpostvertrag (AS 1991 II 1693) besteht. Die Beklagte geht fehl, wenn sie unter Hinweis auf BGE 111 Ib 150 E. 1d S. 155 vorbringt, ihr Verhältnis zur Klägerin könne angesichts des Deckungsverhältnisses zum Nebenintervenienten nur öffentlichrechtlicher Natur sein. Das genannte Urteil betrifft den Fall einer Zession, während als Rechtsgrund der vorliegend eingeklagten Forderung eine Anweisung behauptet wird. Die Anweisung hat jedoch im Gegensatz zur Zession keine bereits bestehende Forderung zu Gegenstand, die übertragen würde und deren Rechtsnatur dabei unverändert bliebe; sie schafft vielmehr, wenn sie angenommen wird, erst eine Forderung des Anweisungsempfängers gegenüber dem Angewiesenen (BGE 92 II 335 E. 3 S. 338).
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d) Die Anweisung gehört dem Privatrecht an. Die vorliegende Streitsache ist jedoch auch dann als zivilrechtliche zu qualifizieren, wenn die Anweisung als Rechtsinstitut allgemeiner Natur aufgefasst wird, das im Bereich des öffentlichen Rechts ebenfalls vorkommt. Dass die Beklagte mit der Gewährleistung der Post- und Telefonverbindungen im Inland und ins Ausland einen öffentlichen Dienst versieht und öffentlichrechtlich verfasst ist, schliesst nicht aus, dass sie privatrechtlich handeln kann. Nach der ![]() | 11 |
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a) Zum Beweis ihrer eigenen Ermächtigung, Auszahlungen von Guthaben des Nebenintervenienten aus dem internationalen Postverkehr von anderen Postverwaltungen entgegenzunehmen, beruft sich die Klägerin zunächst auf ein sogenanntes "Vertragsratifizierungsübereinkommen" vom 17. bzw. 22. Mai 1990 zwischen dem Nebenintervenienten und ihr, worin die Vertragsparteien unter anderem bestimmt hätten, dass die Klägerin die Zahlungen für die ausstehenden DM 6'717'001.18 samt Zins zu Lasten der Ausgleichskonten der Post erhalte und die peruanische Post dies den ausländischen Postverwaltungen mitteile. Der Nebenintervenient bestreitet nicht ausdrücklich, die Klägerin damals ermächtigt zu haben, entsprechende Teilzahlungen anderer Postverwaltungen in eigenem Namen entgegenzunehmen; er macht jedoch sinngemäss geltend, die Ermächtigung sei nach dem anwendbaren peruanischen Recht nicht rechtsgültig. Ob eine rechtsgültige Ermächtigung zur Entgegennahme von Zahlungen in eigenem Namen vorliegt oder ob mangels einer solchen zum vornherein nur die Angabe einer Zahlstelle in Betracht fällt (vgl. BGE 117 II 404 E. 3d S. 407; BGE 92 II 335 E. 2 S. 337), kann offenbleiben, wenn die eingeklagte Forderung aus Anweisung aus anderen Gründen nicht besteht.
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Der Beweis dafür, dass das umstrittene Schreiben der Beklagten zugegangen ist, obliegt der Klägerin. Sie kann sich jedoch einzig auf die Aussage ihres Geschäftsführers berufen, der am 31. Juli 1990 einen Brief an die Beklagte gerichtet und dabei das Schreiben des Nebenintervenienten vom 19. Juli 1990 beigelegt haben will. Dieser Behauptung stehen die Aussagen der Auskunftsperson D. (Beamter der Beklagten) und des Zeugen A. (pensionierter Beamter der Beklagten) entgegen, dass sie sich an diese Schreiben nicht zu erinnern vermögen und dass trotz Recherchen in den Archiven der Beklagten nichts gefunden worden ist, obwohl angesichts des formellen internen Dienstweges bei der Beklagten Spuren davon vorhanden sein müssten. Unter diesen Umständen ist der der Klägerin obliegende Beweis als gescheitert zu betrachten, zumal diese keinerlei Indizien für den Zugang ihres Briefs vom 31. Juli 1990 nennt und insbesondere auch ihr Geschäftsführer sich nicht an eine Reaktion der Beklagten auf die behauptete Sendung zu erinnern vermag. Es erübrigt sich daher auch, auf die Fragen der Echtheit und der allfälligen Tragweite des Schreibens vom 19. Juli 1990 näher einzugehen. Zu prüfen ist allein, ob die Klägerin die von ihr behauptete Anweisung aus dem Schreiben des Nebenintervenienten vom 4. März 1987 abzuleiten vermag, dessen Echtheit und Massgeblichkeit alle Parteien anerkennen.
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Ausgehend davon ist zu beurteilen, ob die Beklagte, wie die Klägerin geltend macht, die Anweisung im Sinne von Art. 468 Abs. 1 OR ohne Vorbehalt angenommen hat. Die Annahme bedarf der Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung gegenüber dem Anweisungsempfänger. Diese Erklärung kann zwar auch durch konkludentes Verhalten erfolgen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Anweisungsempfänger aufgrund des Erklärungsverhaltens des Angewiesenen in guten Treuen davon ausgehen durfte, dieser habe sich ihm gegenüber zur Zahlung verpflichten wollen (BGE 92 II 335 E. 4 S. 339, mit ![]() | 16 |
c) Das Schreiben des Nebenintervenienten an die Beklagte vom 4. März 1987 lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
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"Mit diesem Schreiben möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die peruanische Postverwaltung von der deutschen Gesellschaft X. GMBH Einrichtungen bestehend aus einer Briefmarkendruckmaschine und einem automatischen Briefsortiersystem gekauft hat, um ihre Einrichtungen zu modernisieren.
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Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn unser gegenwärtiger Saldo per 31. Dezember 1986 dieser Gesellschaft als Teilzahlung des per 31.12.1986 fälligen Betrages überwiesen würde. Ausserdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn unsere künftigen Saldi gleich behandelt würden, wobei Sie uns über die überwiesenen Beträge informieren würden, bis zur Erfüllung unseres Vertrages, was Ihnen von unserer Verwaltung mitgeteilt würde."
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Daraus ergibt sich, dass der Nebenintervenient die Beklagte zwar einerseits zur Überweisung künftiger Saldi an die Klägerin bis zur Erfüllung des Vertrages, also bis zur Bezahlung des Kaufpreises ermächtigt hat, dass er aber anderseits auch ausdrücklich erklärt hat, er selbst werde der Beklagten mitteilen, wenn diese Bezahlung erfolgt sei. Das kann nur bedeuten, dass der Nebenintervenient sich den Widerruf der Ermächtigung für künftige, noch nicht ausgeführte Zahlungen ausdrücklich vorbehielt. Der Widerruf wird im Schreiben zwar mit der Erfüllung des Kaufvertrages in Verbindung gebracht. Dies ist jedoch bloss als Erklärung für das Ersuchen aufzufassen, nicht nur das gegenwärtige, sondern auch künftige Guthaben an die Klägerin zu bezahlen. Eine Beschränkung des Widerrufsvorbehalts kann darin entgegen der Ansicht der Klägerin in guten Treuen nicht gesehen werden. Der Bezug zur Erfüllung des Kaufvertrages kann insbesondere nicht in dem Sinne verstanden werden, dass damit die Beklagte verpflichtet oder auch nur ermächtigt worden wäre, sich bei einem Widerruf der ![]() | 20 |
d) Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Behauptung der Klägerin als unhaltbar, die Beklagte habe die Anweisung zur Zahlung künftiger Guthaben gemäss Art. 468 Abs. 1 OR angenommen. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung der Beklagten behauptet die Klägerin selbst nicht. Sie stellt sich jedoch auf den Standpunkt, die Beklagte habe die Annahme der Anweisung durch konkludentes Verhalten erklärt, indem sie im Zeitraum vom 27. März 1987 bis zum 7. Juni 1990 gestützt auf das Schreiben des Nebenintervenienten vom 4. März 1987 acht Überweisungen in der Höhe von insgesamt Fr. 499'527.-- vorgenommen habe. Dieser Argumentation kann indessen nicht gefolgt werden. Der Klägerin musste klar sein, dass die Beklagte gar nicht wissen konnte, wie hoch die noch nicht beglichene Kaufpreisforderung war. Nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens beschränkten sich die Kontakte unter den Parteien denn auch auf Anfragen der Klägerin, ob und allenfalls in welcher Höhe bei der Beklagten Guthaben des Nebenintervenienten beständen und wann mit der Überweisung zu rechnen sei; über den Stand der Vertragsabwicklung mit dem Nebenintervenienten wurde die Beklagte offenbar in keiner Weise auf ![]() | 21 |
e) Schliesslich musste der Klägerin bewusst sein, dass die Beklagte als Postverwaltung einen öffentlichen Dienst versieht. Dazu gehört auch der Abrechnungsverkehr mit anderen Postverwaltungen gemäss den Satzungen des Weltpostvereins (AS 1966 I 167) und dem gestützt darauf geschlossenen Weltpostvertrag (AS 1991 II 1693) sowie den diesen näher ausführenden zwischenstaatlichen Abkommen. Die öffentliche Funktion der internationalen Postabrechnung schliesst zwar Anweisungen zur Zahlung bestimmter Guthaben aus Ausgleichsrechnungen an Dritte grundsätzlich nicht aus, und nach Aussage des Zeugen A. (pensionierter Beamter der Beklagten) kommt es auch öfters vor, dass eine Postverwaltung Zahlung an Dritte wünscht. Fraglich erscheint jedoch, wieweit dies auch für Überweisungen von Abrechnungsguthaben an Private gilt, die nach Aussage der Auskunftsperson D. (Beamter der Beklagten) jedenfalls eine sehr seltene Ausnahme bilden. Solche Überweisungen entsprechen nicht dem eigentlichen Zweck des Abrechnungsverkehrs unter den Postverwaltungen. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt berechtigt gewesen wäre, eine Anweisung anzunehmen und auszuführen, die über eine reine Zahlungsmodalität ![]() | 22 |
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