BGE 123 III 67 | |||
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10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1996 i.S. M. gegen G. (Berufung) | |
Regeste |
Mietstreitigkeit; Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht bei der Bemessung der Klage- oder Anfechtungsfrist im Anschluss an Entscheide der Schlichtungsbehörde (Art. 274f Abs. 1 OR). |
Die Bemessung der Anfechtungsfrist von Art. 274f Abs. 1 OR richtet sich ausschliesslich nach Bundesrecht. Kantonale Vorschriften über den Friststillstand während der Gerichtsferien kommen nicht zur Anwendung (E. 2). | |
Sachverhalt | |
Frau M. mietete von Frau G. mit Vertrag vom 1. Dezember 1992 das Restaurant S. in D.. Differenzen unter den Parteien mündeten im Jahre 1995 in insgesamt fünf Verfahren vor der Schlichtungsbehörde des Bezirks Oberlandquart. Diese stellte am 29. November/13. Dezember 1995 fest, über die nicht in ihre Entscheidungskompetenz fallenden Begehren der Parteien sei keine Einigung erzielt worden, entschied daneben, dass zwei angefochtene Kündigungen der Vermieterin nichtig, eine dritte dagegen gültig sei, und erstreckte das Mietverhältnis erstmalig bis zum 30. April 1996. Alle diese Erkenntnisse wurden den Parteien am 14. Dezember 1995 eröffnet und von der Mieterin nach ihren eigenen Angaben am 18. Dezember 1995 in Empfang genommen.
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M. gelangte mit Eingabe vom 1. Februar 1996 an das Bezirksgericht Oberlandquart mit den Anträgen, die Entscheide der Schlichtungsbehörde aufzuheben und ihre Begehren gutzuheissen.
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Das Bezirksgericht trat am 22. Februar 1996 mit der Begründung auf die Klage nicht ein, die bundesrechtliche Klagefrist nach Art. 274f Abs. 1 OR sei verwirkt, da die kantonalen Bestimmungen über die Gerichtsferien darauf keine Anwendung fänden.
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Eine dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 23. April 1996 ab. Die Klägerin hat dieses Urteil mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
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Aus den Erwägungen: | |
1. a) Der angefochtene Entscheid ist von einem oberen kantonalen Gericht gefällt worden und mit keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel anfechtbar. Soweit er die Rechtskraft von Entscheiden der Schlichtungsbehörde zur Folge hat (Art. 274f Abs. 1 Satz 1 OR), stellt er einen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG dar. Soweit er der Klägerin bloss die Prosequierung der von der Schlichtungsbehörde nicht beurteilten Ansprüche mit der angehobenen Klage verwehrt, deren Geltendmachung aber in einem weiteren, bei der Schlichtungsbehörde erneut anhängig zu machenden Verfahren nicht ausschliesst, ist er als Zwischenentscheid nach Massgabe von Art. 49 OG selbständig anfechtbar, da die sachliche Zuständigkeit im Sinne dieser Bestimmung ebenfalls eine funktionelle ist, das heisst die Aufteilung der Rechtspflegeinstanzen in ein und demselben Rechtsstreit auf verschiedene Organe erfasst (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N. 1.6.2 zu Art. 49 OG; zur funktionellen Zuständigkeit KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 49). Auch in dieser Richtung deckt der Zuständigkeitsbegriff aber alle bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen, welche die Zulässigkeit eines Rechtswegs oder die Zuständigkeit eines Rechtspflegeorgans zum Gegenstand haben (POUDRET, a.a.O., N. 1.6.1 zu Art. 49 OG).
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b) Obgleich das Kantonsgericht sich entgegen Art. 51 Abs. 1 lit. a OG zum Streitwert nicht äussert, ist die Berufungssumme (Art. 46 OG) offensichtlich erreicht, standen im kantonalen Verfahren doch unter anderem Rückforderungsansprüche der Klägerin von über Fr. 200'000.-- und die Fortsetzung eines jährlich mit Fr. 180'000.-- zu entschädigenden Mietverhältnisses im Streit.
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a) Aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung folgt, dass die Berechnung einer Frist sich nach dem Recht richtet, welches die Frist setzt (JdT 1988 III 43 Ziff. 12; POUDRET, JdT 1990 III 114). Dies gilt auch für den Bereich des Bundesrechts, das gesamtschweizerisch einheitlich anzuwenden ist. Damit kann nicht den Kantonen überlassen werden, den Lauf einer bundesrechtlichen Frist eigenständig zu bestimmen, ergäben sich daraus doch Rechtsungleichheiten nach Massgabe des jeweils anwendbaren kantonalen Prozessrechts. Bundesrechtliche Klagefristen werden daher durch kantonale Regelungen über laufhemmende Gerichtsferien nicht erstreckt (BGE 119 II 434 E. 2a; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 234 Rz. 110a). Für die Klagefrist nach Art. 274f Abs. 1 OR gilt nichts anderes.
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b) Zwar hat das Bundesgericht in BGE 114 Ia 296 für die Rechtsmittelfrist nach Schiedsgerichtskonkordat abweichend von diesem Grundsatz entschieden, doch ist die dort beurteilte Konstellation der vorliegenden von vornherein nicht vergleichbar, weil Konkordatsfristen kantonale Fristen sind und daher mit guten Gründen auch einer jeweils zusätzlich anwendbaren kantonalen Regelung unterstellt werden können. Hinzu kommt, dass der Entscheid auf Kritik gestossen ist (POUDRET, JdT 1990 III 114), mit der sich im vorliegenden Verfahren indessen bereits wegen der unterschiedlichen Regelungszuständigkeit über die in Frage stehenden Fristen eine Auseinandersetzung erübrigt. Für bundesrechtliche Fristen bleibt es dabei, dass sie durch kantonale Stillstandsvorschriften nicht gehemmt werden.
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d) Begann die bundesrechtliche Klagefrist aber am 19. Dezember 1995, das heisst am Tag nach Empfangnahme der Erkenntnisse der Schlichtungsbehörde durch die Klägerin zu laufen, und wurde sie durch das kantonale Fristenrecht nicht gehemmt, endete sie am 17. Januar 1996. Die Klage wurde demzufolge am 1. Februar 1996 verspätet eingereicht, so dass das Kantonsgericht zutreffend entschieden hat, das Bezirksgericht Oberlandquart sei bundesrechtskonform auf die Klage nicht eingetreten.
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