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21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar 1997 i.S. B. AG gegen Z. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 257f Abs. 3 OR, Art. 101 OR, 102 ff. OR. Ausserordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses. |
Löst der Mieter die Bauhandwerkerpfandrechte auf Mahnung nicht ab, verletzt er den Mietvertrag und gerät in Schuldnerverzug. Dem Vermieter steht alsdann das Kündigungsrecht gemäss Art. 107/108 OR zu. Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung trotz irrtümlicher Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR als Rechtsgrundlage (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Der Mietvertrag bestimmt in seinen Allgemeinen Bedingungen u.a. was folgt:
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"Der Mieter gewährleistet, dass seitens der beteiligten Handwerker, Unternehmer und Lieferanten keine Bauhandwerkerpfandrechte angemeldet werden. Geschieht dies trotzdem, hat der Mieter dafür zu sorgen, dass diese Pfandrechte sofort auf seine Kosten im Grundbuch gelöscht werden. Im Unterlassungsfall haftet er für den dem Vermieter daraus entstandenen Schaden."
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Im Zusammenhang mit einem Umbau des Mietobjekts durch Y. bewilligte der Amtsgerichtspräsident I von Luzern die vorläufige Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten auf dem Mietobjekt im Betrage von vorerst Fr. 242'546.--. Z. setzte der B. AG mit Schreiben vom 19. März 1996 eine Frist von 30 Tagen, für deren Löschung besorgt zu sein, und drohte ihr für den Unterlassungsfall die fristlose Kündigung des Mietvertrages an. Mit Schreiben vom 2.April 1996 zeigte sie ihr die Vormerkung weiterer B auhandwerkerpfandrechte im Betrage von über Fr. 100'000.-- an und erneuerte ihre Kündigungsandrohung für den Fall deren Fortbestands. Am 22. April 1996 setzte sie ihr eine letzte Frist bis zum 3. Mai 1996, für die Löschung der Pfandrechte besorgt zu sein. Nach unbenütztem Ablauf dieser Frist kündigte sie den Mietvertrag am 7. Mai 1996 ![]() | 4 |
Mit Entscheid vom 6. August 1996 stellte der Amtsgerichtspräsident III von Luzern die Ungültigkeit der Kündigung vom 7. Mai 1996 fest und wies das Ausweisungsgesuch ab.
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Auf Rekurs von Z. hiess das Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer, das Ausweisungsbegehren gegen die B. AG mit Entscheid vom 15. Oktober 1996 gut.
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Die B. AG führt eidgenössische Berufung, welche vom Bundesgericht abgewiesen wird.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Art. 257f OR steht unter der Marginalie "Sorgfalt und Rücksichtnahme" und befasst sich mit den Pflichten des Mieters beim Gebrauch der Mietsache. Abs. 3 der Bestimmung sanktioniert dementsprechend nur Verletzungen von mieterseitigen Gebrauchspflichten, nicht von Vertragspflichten schlechthin (HIGI, Zürcher Kommentar, N. 9 zu Art. 257f OR; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 9 zu Art. 257f OR). Der Gesetzeswortlaut ist bloss insoweit zu eng, als Art. 257f OR nicht allein zu einem sorgfältigen und rücksichtsvollen, sondern allgemein zu einem vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache verpflichtet. Die Bestimmung untersagt daher beispielsweise auch vertragswidrige Nutzungsarten (etwa Umnutzungen von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten) oder verpflichtet zum vertraglichen Gebrauch (etwa bei der Geschäftsmiete), selbst wenn die Pflichtverletzung sich nicht in fehlender Sorgfalt oder Rücksichtnahme manifestiert (HIGI, a.a.O., N. 9 und 28 f. zu Art. 257f OR; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 7 zu Art. 257f OR; WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, ![]() | 9 |
b) Eine Verpflichtung des Mieters, allfällige Bauhandwerkerpfandrechte abzulösen, welche im Zuge vertragskonformer Bauarbeiten vorgemerkt oder eingetragen werden, fällt nicht unter den Regelungsbereich von Art. 257f OR. Sie hat nicht unmittelbar den Gebrauch der Mietsache, sondern die Freistellung des Vermieters von Verbindlichkeiten zum Gegenstand, die nicht aus vertragswidrigem Gebrauch, sondern aus gesetzlicher Dritthaftung für vertragskonform eingegangene Verbindlichkeiten entstanden sind. Inhaltlich ist sie auf Befriedigung oder Sicherstellung (Art. 839 Abs. 2 ZGB) der pfandgesicherten Forderungen gerichtet, und steht damit ausserhalb des Gebrauchsnexus im Sinne von Art. 257f OR (vgl. SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 9 zu Art. 257f OR). Die streitige Kündigung lässt sich daher nicht aus Art. 257f Abs. 3 OR begründen.
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a) Vorauszuschicken ist, dass die Beklagte nach den Grundsätzen von Art. 101 OR für das Verhalten ihres Untermieters wie für eigenes einzustehen hat (Art. 262 Abs. 3 OR; BGE 117 II E. 2 S. 66 f. mit Hinweisen). Mithin war sie nach richtigem Vertragsverständnis auch verpflichtet, Bauhandwerkerpfandrechte abzulösen, welche durch Arbeitsvergebungen des Untermieters bewirkt wurden.
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b) Indem die Beklagte die vorgemerkten Pfandrechte innert der ihr in zumutbarem Ausmass gesetzten und zusätzlich erstreckten Frist nicht ablöste, verletzte sie den Mietvertrag und geriet in Schuldnerverzug. Da nicht die rechtzeitige Tilgung einer Mietzins- oder Nebenkostenforderung ausblieb, findet darauf die mietrechtliche Sonderordnung des Schuldnerverzugs nach Art. 257d OR keine Anwendung (HIGI, a.a.O., N. 11 zu Art. 257d OR). Indessen konsumiert die Spezialregelung in Art. 257d OR das allgemeine Verzugsrecht nur im Umfang ihres Tatbestandes. Anderweitiger Schuldnerverzug untersteht den Bestimmungen des Art. 102 ff. OR (BGE 54 II 183 E. 3 S. 187; BGE 97 II 58 E. 3 S. 62/63; HIGI, a.a.O., N. 25 zu Art. 257d OR). Dabei tritt im Dauerschuldverhältnis, wie die Miete eines darstellt, an die Stelle des Rechts zum Vertragsrücktritt dasjenige zur Vertragskündigung (BGE 97 II 58 E. 7 S. 66; WIEGAND, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., N. 10 zu Art. 109 OR; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Rz. 3090 mit weiteren Hinweisen).
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Die Parteien haben die Verpflichtung der Beklagten, für die Ablösung allfälliger Bauhandwerkerpfandrechte besorgt zu sein, vertraglich ausdrücklich geregelt. Daraus und aus der wirtschaftlichen Bedeutung der Bestimmung kann jedenfalls nicht auf das Vorliegen einer blossen Nebenleistungspflicht geschlossen werden, deren Verletzung nach wohl herrschender Auffassung eine Aufhebung des Vertrages nicht rechtfertigen würde (vgl. Gauch/Schluep, a.a.O., Rz. 3081).
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d) Indessen bleibt zu prüfen, ob die zu Unrecht auf Art. 257f Abs. 3 OR gestützte Kündigung unter einem anderen Titel als zulässige - ausserordentliche - Kündigung wirksam geworden ist. Aus ![]() | 16 |
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