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31. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Januar 1997 i.S. R. AG gegen Ehegatten F. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 187 Abs. 3 und 6 SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977/1991); Vergütungsanspruch des Unternehmers bei teilweisem Untergang des Werkes infolge höherer Gewalt. |
Der Unternehmer hat das Vorliegen von Billigkeitsgründen im Sinne von Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 zu behaupten und zu beweisen (E. 3d). Substanzierung des Wertes der vom teilweisen Untergang betroffenen Leistungen des Unternehmers (E. 3e). | |
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a) Gemäss Art. 363 OR schuldet der Unternehmer dem Besteller die Herstellung und Ablieferung des versprochenen Werkes. Der Unternehmer trägt damit bis zum Zeitpunkt der Ablieferung die Gefahr, was für den Fall des Untergangs des Werkes vor der Ablieferung in Art. 376 Abs. 1 OR festgehalten wird. Nach dieser Bestimmung kann der Unternehmer, sofern sich der Besteller nicht mit der Annahme im Verzug befindet, keine Vergütung verlangen, wenn das Werk vor der Übergabe durch Zufall zugrunde geht. Bei der Mängelhaftung gilt nach der gesetzlichen Regelung der entsprechende Grundsatz. Der Unternehmer haftet auch für einen Mangel, der vor der Ablieferung durch die Einwirkung von Zufall entstanden ist. Beseitigt er vorher den Mangel, wozu er grundsätzlich verpflichtet ist, kann er dafür keine zusätzliche Vergütung verlangen (GAUCH, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Rz. 1503 ff. und Rz. 2412 [nachfolgend zitiert als GAUCH, Werkvertrag]; JO KOLLER, Der "Untergang des Werkes" nach Art. 376 OR, Diss. Freiburg 1983, S. 62 f.). Davon ![]() | 2 |
b) Nach der Behauptung der Klägerin ist von allen Beteiligten anerkannt worden, dass die Mehraufwendungen gemäss Rechnung Nr. 1543 im Betrag von Fr. 15'715.70 kausale Folge eines Sturmwindes, mithin eines Elementarereignisses seien. Falls damit gemeint sein sollte, es sei vom Vorliegen höherer Gewalt im Sinne von Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 auszugehen, könnte ihrer Auffassung jedoch nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Wie die Erwähnung des Beispiels der "Naturkatastrophe" zeigt, genügt ein zwar heftiger, aber nicht aussergewöhnlicher Herbststurm wohl nicht, sondern es müsste nach dieser Bestimmung ein unvoraussehbares Elementarereignis grösseren Ausmasses und höherer Intensität vorliegen (vgl. dazu GAUCH, Kommentar zur SIA-Norm 118, Artikel 157-190, N. 20 zu Art. 187 [nachfolgend zitiert als GAUCH, Kommentar]). Diese - vom Obergericht nicht erörterte - Rechtsfrage kann indessen offenbleiben, da ihre Beantwortung am Ausgang des Verfahrens nichts zu ändern vermöchte, wie die folgenden Erwägungen zeigen.
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c) Das Obergericht hat die Anwendbarkeit von Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 verneint und darauf hingewiesen, dass die Klägerin gar nicht eine Vergütung für die untergegangenen Teile des Werkes, sondern eine Entschädigung für den zusätzlichen Aufwand bei der Erstellung des vertragsgemässen Werkes verlange. Eine Forderung gemäss Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 macht nach der Auffassung des Obergerichts nur Sinn, wenn das Werk oder der Werkteil nicht wiederhergestellt werden kann, das heisst der Werkvertrag erlischt oder auf Verlangen einer Vertragspartei aufgelöst wird und demgemäss der vertraglich vereinbarte Werklohn nicht geschuldet wird. Mit der Berufung rügt die Klägerin, das Obergericht habe Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 falsch ausgelegt.
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Art. 187 SIA-Norm 118 gehört zwar wie Art. 376 OR, dem er im Prinzip folgt, nach der Systematik zum Abschnitt über die vorzeitige ![]() | 5 |
Ein teilweiser Untergang des Werks liegt vor, wenn nur einzelne Teile zerstört werden (KOLLER, a.a.O., S. 3). Dieser durch ein quantitatives Kriterium bestimmte Sachverhalt ist abzugrenzen von der Verschlechterung des Werks in qualitativer Hinsicht, welche dessen umfangmässigen Bestand nicht verändert (GAUCH, Werkvertrag, Rz. 1184; ders., Kommentar, N 39 zu Art. 197 SIA-Norm 118; KOLLER, a.a.O., S. 3). Nach den Feststellungen des Bezirksgerichts, die auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegen, wurden Teile der zum Unterdach gehörenden Dachfolie vom Sturm weggerissen. Damit wurde ein Teil des Dachaufbaus vom Werk getrennt und zerstört. Es liegt der Sachverhalt eines Teiluntergangs des Werkes vor, womit Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 zur Anwendung kommt. Davon ist auch das Bezirksgericht ausgegangen. Es hat den Vergütungsanspruch aber mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die zu vergütenden Leistungen nicht ausreichend substanziert. Anzumerken ist im übrigen, dass unter den gegebenen Umständen nicht erörtert zu werden braucht, ob die Bestimmungen über den Untergang auch im Fall blosser Verschlechterung des Werks durch Zufall während der Erstellung unmittelbar oder ergänzend zu den Vorschriften über die Mängelhaftung anwendbar sind (vgl. zu dieser kontroversen Frage: GAUCH, Werkvertrag, Rz. 1184 und 2411; KOLLER, a.a.O., S. 61 ff.).
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e) Das Bezirksgericht hat den Anspruch auf Vergütung für den untergegangen Teil des Werks als ungenügend substanziert betrachtet, weil die Klägerin sich darauf beschränkt hatte, den Aufwand für die Wiederherstellung des Daches, berechnet nach Arbeitszeit und Materialaufwand, auszuweisen. Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, der ihr zu ersetzende Schaden entspreche dem Aufwand für die Reparatur- und Aufräumarbeiten; dafür sei in Regie Rechnung zu stellen, was sie getan habe. Damit ficht sie sinngemäss den Vorwurf ungenügender Substanzierung an.
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Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 bemisst die nach Billigkeit geschuldete Vergütung klar nach den vor dem Untergang erbrachten Leistungen bzw. den vom Untergang betroffenen Leistungen. Das gilt auch für den Fall der Fortführung des Vertrags. Dem widerspricht das Vorgehen der Klägerin, die auf den Aufwand für die Wiederherstellung des Zustandes abgestellt hat, wie er vor dem Eintritt des zerstörerischen Ereignisses bestand. Ob diese Lösung sachgerechter wäre, braucht nicht weiter erörtert zu werden, da der Wortlaut von Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 eindeutig ist und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die eine andere Auslegung nahelegen würden. Das Bezirksgericht ist demnach zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Angaben zum Wert ihrer vom Untergang betroffenen Leistungen hätte machen müssen.
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Die Verrechnung nach Regie lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass in den vereinbarten Einheitspreisen keine separate Position für die Dachfolie ausgewiesen war, sondern sich der Preisansatz auf den gesamten Dachaufbau (Deckmaterial und Unterdach) bezog. Von diesem Einheitspreis ausgehend hätte auch der auf die Dachfolie und deren Anbringung entfallende Teil ermittelt werden können. Diese Art der Preisermittlung gilt gemäss Art. 87 Abs. 2 SIA-Norm 118 auch, falls bei Bestellungsänderungen für bestimmte Leistungen ein ursprünglich vereinbarter Einheitspreis fehlt. Im weiteren hätte ohne weiteres die Fläche bestimmt werden können, auf welcher die bereits angebrachte Dachfolie vom Sturm weggerissen worden war. Wenn die Klägerin demgegenüber nur die für die Neuerstellung aufgewendeten Arbeitsstunden und das dabei verwendete Material ausgewiesen hat, ist es nach Bundesrecht nicht zu beanstanden, dass diese Angaben für die Substanzierung des Wertes der untergegangenen Leistungen als ungenügend betrachtet wurden. Der Vergütungsanspruch ist demnach auch mangels ausreichender Substanzierung zu Recht abgewiesen worden.
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