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41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. April 1997 i.S. G. gegen X. SA (Berufung) | |
Regeste |
Schadenersatz infolge fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Art. 337b Abs. 1 OR) oder infolge Vertragsverletzung (Art. 321e OR). | |
Sachverhalt | |
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Am 1. Oktober 1995 eröffnete G. in unmittelbarer Nähe des Geschäftslokals seiner ehemaligen Arbeitgeberin einen eigenen Coiffeurladen. Hier arbeiten seit dem 1. Oktober 1995 sämtliche ehemaligen Angestellten der X. SA, die am 23. August 1995 gekündigt hatten.
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In der Folge klagte G. auf Zahlung des Lohnes für den Monat September 1995, der Ferienentschädigung sowie einer infolge ungerechtfertigter fristloser Entlassung gerichtlich festzusetzenden Entschädigung von mindestens zwei Monatslöhnen. Die Beklagte anerkannte den geltend gemachten Feriengeldanspruch im Umfang von Fr. 4'363.60 abzüglich Sozialabgaben, beantragte im übrigen die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise Schadenersatz für die Umsatzeinbusse im Oktober 1995 von Fr. 19'990.-- ![]() | 3 |
Der Kläger gelangt mit Berufung an das Bundesgericht und beantragt im wesentlichen die Zusprechung einer Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung nach richterlichem Ermessen, jedoch mindestens zwei Monatslöhne von je Fr. 4'500. --. Die Beklagte erhebt Anschlussberufung mit dem Antrag, der Kläger sei zur Zahlung von Fr. 14'614.15 nebst Zins zu verpflichten.
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Das Bundesgericht weist die Berufung und Anschlussberufung ab
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aus folgender Erwägung: | |
5. a) Liegt der wichtige Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im vertragswidrigen Verhalten einer Partei, so hat diese gemäss Art. 337b Abs. 1 OR - unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Forderungen - der anderen vollen Schadenersatz zu leisten. Die kündigende Partei hat grundsätzlich Anspruch auf das Erfüllungsinteresse bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin (VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, III, S. 182). Der Schaden setzt sich aus allen finanziellen Nachteilen zusammen, welche adäquat kausal aus der berechtigten fristlosen Auflösung entstehen (STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., 1992, N. 3 zu Art. 337b OR). Entscheidend sind die Nachteile, die aus der sofortigen Vertragsauflösung entstanden sind (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2. Aufl., 1996, N. 1 zu Art. 337b OR). Art. 337b Abs. 1 OR betrifft aber nicht den Schaden, der auf jene Handlungen zurückzuführen ist, welche Anlass zur fristlosen Vertragsauflösung gegeben haben. War eine Vertragsverletzung Grund für die fristlose Entlassung des Arbeitnehmers, haftet dieser für den daraus resultierenden Schaden nach Art. 321e OR. Der Umstand, dass wegen der Vertragsverletzung eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, kann die Haftung für die Folgen dieser Vertragsverletzung weder verschärfen noch erleichtern. Für den Schaden nach Art. 321e OR haftet der Arbeitnehmer, wenn er ihn absichtlich oder fahrlässig verursacht ![]() | 6 |
b) Im angefochtenen Urteil hat die Vorinstanz den Schaden errechnet, indem sie die Differenz zwischen dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz in den Monaten bis zur fristlosen Entlassung des Klägers und dem Umsatz im Oktober 1995 - der auf den Weggang der abgeworbenen Mitarbeiterinnen folgende Monat - festgestellt und von diesem Betrag die Einsparung an Lohnkosten im Monat Oktober 1995 abgezogen hat. Den daraus resultierenden Betrag von Fr. 10'789.15 hat sie mit der unbestrittenen Forderung des Klägers aus Ferienabgeltung verrechnet und den Saldo von Fr. 6'425.55 der Beklagten zugesprochen.
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Der Kläger sieht darin eine unzulässige Schadensberechnung. Dieser Schaden gehe auf die mit den Mitarbeiterinnen vereinbarte - bzw. gesamtarbeitsvertraglich festgelegte - Kündigungsfrist von zwei bzw. fünf Wochen zurück und sei nicht auf sein vorzeitiges Ausscheiden zurückzuführen. Sinngemäss macht er damit geltend, dieser Schaden sei nicht auf die vorzeitige Vertragsauflösung mit ihm, sondern auf die unbestrittenermassen rechtmässigen Kündigungen der Mitarbeiterinnen der Beklagten zurückzuführen; ![]() | 8 |
c) Die Vorinstanz hat sich zur Festsetzung des Schadens auf Art. 337b OR gestützt. Sie hat der Beklagten aber nicht den durch die vorzeitige Vertragsauflösung mit dem Kläger entstandenen Schaden zugesprochen, sondern jenen, der die Folge der fristgerechten Kündigungen der übrigen Mitarbeiterinnen war. In tatsächlicher Hinsicht hat sie festgehalten, dass die Umsatzeinbusse im unmittelbar auf den Weggang des Klägers folgenden Monat unbedeutend war, während ein eigentlicher Einbruch erst stattgefunden habe, als die weiteren Mitarbeiterinnen ausgeschieden seien. Weiter hat sie ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Umsatzeinbruch des Monats Oktober 1995 im Weggang der erwähnten Mitarbeiterinnen begründet liege, die naturgemäss auch einen Teil der Kunden abziehen. Entgegen dieser Auffassung besteht die vom Kläger zu verantwortende Vertragsverletzung nicht im kollektiven Weggang der Mitarbeiterinnen, sondern im Zeitpunkt deren Ausscheidens. Dass der Weggang des Klägers zur Kündigung beinahe der gesamten Belegschaft geführt hat, ist nicht ihm anzulasten. Er ist nur dafür haftbar zu machen, dass er diese Kündigungen noch während seiner Tätigkeit bei der Beklagten gefördert hat. Zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsvertrages mit dem Kläger und dem von der Vorinstanz gestützt auf Art. 337b OR errechneten Schaden besteht somit kein adäquater Kausalzusammenhang. Insofern liegt eine Bundesrechtsverletzung vor.
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d) Vorliegend ist weder dargetan noch nachgewiesen, dass der Beklagten durch die fristlose Kündigung des Klägers ein Schaden entstanden wäre. Die Beklagte behauptet vielmehr einen durch das vertragswidrige Verhalten des Klägers entstandenen Schaden. Insofern macht sie eine Haftung nach Art. 321e OR und nicht nach Art. 337b OR geltend. Entsprechend kann nur der durch die Abwerbung während des Arbeitsverhältnisses entstandene Schaden berücksichtigt werden. Es muss folglich ermittelt werden, welcher Schaden eingetreten ist, weil der Kläger die Mitarbeiterinnen noch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses abgeworben hat. Es ist der tatsächliche Vermögensstand der Beklagten mit jenem zu vergleichen, den sie hätte, wenn die Mitarbeiterinnen vom Kläger erst nach Ablauf seiner Kündigungsfrist zur Vertragsauflösung verleitet worden wären. Eine gleichzeitige Kündigung der übrigen Angestellten der Beklagten hätte somit - geht man von der Zulässigkeit ![]() | 10 |
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