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42. Auszug aus den Urteilen der I. Zivilabteilung vom 10. Juni 1997 i.S. Rinsoz & Ormond Tabac SA und Fivaz & Cie SA gegen Homag AG (Berufung und staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 697a ff. OR. Sonderprüfung. |
Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt nach Art. 697a Abs. 1 OR die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts sowie ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus; Tragweite dieser Voraussetzungen (Entscheid über die Berufung, E. 3). |
Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR (Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde, E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Mit Schreiben vom 9. August 1995 wandten sich die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA an den Verwaltungsrat der Homag AG und beantragten im Hinblick auf die ordentliche Generalversammlung vom 8. September 1995 die Traktandierung eines Auskunftsbegehrens, mit dem der Verwaltungsrat unter anderem aufgefordert wurde, über seine Geschäftspolitik gegenüber Aktionären und Nichtaktionären sowie über die Bildung und Auflösung von stillen Reserven Bericht zu erstatten. Anlässlich der Generalversammlung erteilte der Verwaltungsrat den Aktionären schriftlich Auskunft zu den im Auskunftsbegehren gestellten Fragen. Im Anschluss daran beantragten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA die Einsetzung eines Sonderprüfers. Dieser Antrag wurde von der Generalversammlung bei einer Enthaltung mit 721 zu 225 Stimmen abgelehnt.
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B.- Mit Gesuch vom 6. Dezember 1995 stellten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA beim Handelsgericht ![]() | 3 |
C.- Die Klägerinnen haben gegen den Entscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist beide Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen des Entscheids über die Berufung: | |
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a) Das Institut der Sonderprüfung ist anlässlich der Aktienrechtsrevision von 1991 mit dem Ziel eingeführt worden, die Informationslage der Aktionäre zu verbessern (BBl 1983 II 834; vgl. auch BGE 120 II 393 E. 4 S. 396). Mit diesem Mittel der Informationsbeschaffung soll den Aktionären ermöglicht werden, in hinreichender Kenntnis der Sachlage darüber zu entscheiden, ob und wie sie von ihren Aktionärsrechten Gebrauch machen wollen (WEBER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 11 zu Art. 697a OR; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, S. 402 Rz. 8; Andreas Casutt, Die Sonderprüfung im ![]() | 6 |
b) Auf eine derartige Marktuntersuchung würde die von den Klägerinnen verlangte Erhebung der Konkurrenzpreise durch einen Sonderprüfer hinauslaufen. Dieser Untersuchungsgegenstand lässt sich daher entgegen der Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts nicht als Angelegenheit der Gesellschaft bezeichnen. Soweit die Klägerinnen Auskünfte über die Konkurrenzpreise erlangen möchten, ist ihr Gesuch um Sonderprüfung folglich zum vornherein unzulässig. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass es ihr nicht zumutbar wäre, eine Sonderprüfung über sich ergehen zu lassen und die entsprechenden Kosten zu tragen (Art. 697g OR), soweit der Sonderprüfer nicht Interna der Gesellschaft untersuchen, sondern die Preise der Konkurrenz in Erfahrung bringen soll.
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a) Eine Sonderprüfung kann ein Aktionär nach Art. 697a Abs. 1 OR nur beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht (Art. 697 OR) bereits ausgeübt hat. Insoweit ist der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers gegenüber dem Recht auf Auskunft und auf Einsicht subsidiär. Daraus folgt, dass das Sonderprüfungsbegehren thematisch vom vorgängigen Auskunfts- oder ![]() | 9 |
Durch das vorgängige Auskunfts- oder Einsichtsbegehren soll der Verwaltungsrat die Gelegenheit erhalten, das Informationsbedürfnis der Aktionäre von sich aus zu befriedigen, bevor das mit Aufwand und Umtrieben verbundene Verfahren auf Sonderprüfung eingeleitet wird. Massgebend für die thematische Begrenzung der Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist deshalb das Informationsbedürfnis der antragstellenden Aktionäre, wie es der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben aus dem vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren erkennen musste. Dabei darf sich der Verwaltungsrat zwar nicht hinter einer wortklauberischen Auslegung verschanzen und zum vornherein nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Auf der anderen Seite ist aber auch den Aktionären zuzumuten, bei der Formulierung ihres Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens eine gewisse Sorgfalt aufzuwenden und darin so klar, wie es ihnen aufgrund ihres Kenntnisstandes möglich ist, zum Ausdruck zu bringen, worüber sie weiteren Aufschluss zu erhalten wünschen.
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b) Im vorliegenden Fall hat nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid der Verwaltungsrat zu den Verrechnungspreisen der beklagtischen Produkte an Aktionäre und an Dritte in der Generalversammlung umfassend Auskunft erteilt. Den Klägerinnen ist es im kantonalen Verfahren - wie die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat (E. 3 des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde) - nicht gelungen, Zweifel an den Preisangaben des Verwaltungsrats glaubhaft zu machen. Damit ist davon auszugehen, dass die Frage, zu welchen Preisen die Beklagte im massgeblichen Zeitraum an Aktionäre und an Dritte geliefert hat, bereits zweifelsfrei geklärt ist. Bei dieser Sachlage aber hat der Vizepräsident des Handelsgerichts in bezug auf die Verrechnungspreise ein aktuelles Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an einer Sonderprüfung zu Recht verneint.
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Soweit die Klägerinnen behaupten, die Herstellungskosten seien seit mehreren Jahren Gegenstand von Diskussionen und von Korrespondenz gewesen, scheitern ihre Berufungsvorbringen im übrigen auch daran, dass darüber im angefochtenen Entscheid keine tatsächlichen Feststellungen zu finden sind; die Klägerinnen verkennen, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz an den vom kantonalen Sachrichter festgestellten Sachverhalt gebunden ist. Schliesslich erscheint entgegen den Ausführungen in der Berufung auch als zweifelhaft, ob die Klägerinnen in der Tat auf eine Sonderprüfung angewiesen sind, um sich ein Bild über die Herstellungskosten zu machen, ist doch schon aus den Auskünften des Verwaltungsrats über die Bilanzierung und über den Geschäftsgang erkennbar, dass und in welchem Gesamtumfang die Produktion der Beklagten im fraglichen Zeitraum nicht kostendeckend sein konnte.
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Aus den Erwägungen des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde:
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4.- Die Beschwerdevorbringen gegen den Sachentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts erweisen sich somit als unbegründet, soweit es nicht ohnehin bereits an den Eintretensvoraussetzungen fehlt. Zu prüfen bleiben die Rügen, welche die Beschwerdeführerinnen ![]() | 16 |
a) Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass beim Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen eines Verfahrens auf dessen Gegenstand und auf dessen Natur Rücksicht zu nehmen ist. Sie bringen in diesem Zusammenhang an sich zutreffend vor, dass Streitgegenstand des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR nicht die Verpflichtung der Gesellschaft oder Dritter zu Schadenersatz ist. Es geht vorerst vielmehr einzig um die Frage, ob bestimmte Sachverhalte, die als mögliches Klagefundament für eine spätere Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Betracht kommen, mittels Sonderprüfung abgeklärt werden sollen oder nicht (FELIX HORBER, Die Informationsrechte des Aktionärs, S. 399, Rz. 1228). Der Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers zielt lediglich auf die Beschaffung von Informationen ab. Die beantragte Sonderprüfung soll den Aktionären diejenigen Informationen liefern, die sie als Grundlagen für ihren Entscheid benötigen, ob und wie sie ihre Aktionärsrechte ausüben wollen (Treuhand-Kammer, Revisionshandbuch der Schweiz, 1992 Bd. II, S. 586), während es gerade nicht Sache des Sonderprüfers ist, darüber zu befinden, ob bestimmte Ansprüche, die einzelne Aktionäre zu besitzen glauben oder vermuten, bestehen oder nicht bestehen, hat er doch nur bestimmte Sachverhalte zu untersuchen, ohne sich über Rechtsfragen auszusprechen (BÖCKLI, a.a.O. S. 993 Rz. 1872 und S. 998 Rz. 1884, WEBER, a.a.O., N 16 zu Art. 697a OR, PREDROJA, Die Sonderprüfung im neuen Aktienrecht, AJP 1992, S. 779, CASUTT, a.a.O., Diss., S. 46 f. und ST 1991, S. 576). Mittels Sonderprüfung sollen sich die Aktionäre die nötigen Informationen beschaffen können, bevor sie sich zu einer Leistungsklage mit den entsprechenden Kostenrisiken entschliessen. Das Kostenrisiko eines Gesuchs um Sonderprüfung sollte daher im Vergleich zu jenem einer Leistungsklage ![]() | 17 |
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der von den antragstellenden Aktionären geltend gemachte mutmassliche Schaden für die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens zwingend in jeder Hinsicht bedeutungslos bleiben müsste. Sonderprüfungen werden nicht um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf eine sachgerechte Ausübung von Aktionärsrechten durchgeführt. Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt denn nach Art. 697b Abs. 2 OR auch voraus, dass eine Schädigung der Gesellschaft oder von Aktionären glaubhaft gemacht wird. Es liegt daher auf der Hand, dass der Vermögenswert der Informationen, welche die antragstellenden Aktionäre mit der beantragten Sonderprüfung zu erlangen suchen, vom mutmasslichen Schaden abhängig ist. Der Zusammenhang mit dem mutmasslichen Schaden ist allerdings insofern nur ein indirekter, als vorerst offen ist, ob die beantragte Sonderprüfung die Verdachtsmomente, aus denen die antragstellenden Aktionäre die Glaubhaftigkeit einer Schädigung ableiten, bestätigt oder entkräftet; die Sonderprüfung soll die Aktionäre erst in die Lage versetzen zu beurteilen, ob es sich tatsächlich lohnt, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Im weiteren ist zu beachten, dass das eigene geldwerte Interesse, das die antragstellenden Aktionäre an der Durchführung der beantragten Sonderprüfung haben, nicht einfach dem mutmasslichen Gesamtschaden entsprechen kann, sondern höchstens dem Wertzuwachs ihrer Beteiligung am Aktienkapital, zu dem eine erfolgreiche Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen führen könnte. Schliesslich deckt sich auch das geldwerte Interesse, das die betroffene Gesellschaft an der Verhinderung einer Sonderprüfung haben kann, nicht ohne weiteres mit dem mutmasslichen Schaden, würde sich doch eine gestützt auf die Ergebnisse der Sonderprüfung erhobene Schadenersatzklage gar nicht gegen sie, sondern gegen Gründer, Organe oder Aktionäre richten; geklagt würde zudem auf Leistung an die Gesellschaft (Art. 678 Abs. 3 Satz 2 und Art. 756 Abs. 1 Satz 2 OR).
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Dennoch kann es nicht ohne weiteres als willkürlich bezeichnet werden, wenn ein Gericht für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR zunächst vom glaubhaft zu machenden mutmasslichen Schaden ausgeht, wie dies der Vizepräsident des Handelsgerichts im vorliegenden Fall getan hat. Von Willkür kann vielmehr erst die Rede sein, ![]() | 19 |
b) Eine derartige Darlegung lässt die vorliegende Beschwerde vermissen. Die Beschwerdeführerinnen nennen nicht einmal die Gesetzes- und Tarifvorschriften, bei deren Anwendung der Vizepräsident des Handelsgerichts in Willkür verfallen sein soll. Vor allem aber führen sie nicht näher aus, inwiefern die Gerichtsgebühr und die Parteientschädigung, die im angefochtenen Entscheid festgesetzt sind, im Ergebnis unhaltbar sein sollen. Sie behaupten zwar beiläufig, der Kostenentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts führe dazu, dass das Kostenrisiko des Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers bereits gleich hoch sei wie dasjenige einer Leistungsklage; sie belegen diese Behauptung jedoch nicht näher. Ebensowenig lässt sich den Ausführungen in der Beschwerde entnehmen, dass die vom Vizepräsidenten des Handelsgerichts festgesetzten Gerichts- und Parteikosten im Verhältnis zum Aufwand, den die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Begehren verursacht hatten, derart hoch wären, dass sie sich mit dem Willkürverbot nicht mehr vereinbaren liessen.
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