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59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Juni 1998 i.S. A. AG gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (Direktprozess) | |
Regeste |
Art. 839 Abs. 3 ZGB; Sicherheitsleistung. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die A. AG beantragt dem Bundesgericht mit Klage, das Grundbuchamt St. Gallen anzuweisen, das provisorisch eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht im Betrag von Fr. 41'743.60 nebst Zins von 6% seit dem 15. November 1995 und von 51/2% seit dem 1. Januar 1996 zuzüglich 1/4% Kommissionsgebühr pro Quartal definitiv einzutragen; eventuell sei die schweizerische Eidgenossenschaft stattdessen zur Sicherstellung dieses Betrages samt Kosten innert vom Gericht zu bestimmender Frist zu verpflichten.
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C.- Das Bundesgericht weist die Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts ab und verwirft auch den Eventualstandpunkt der Klägerin
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aus folgenden Erwägungen: | |
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a) In Rechtsprechung und Lehre wird als unbefriedigend empfunden, dass der Bauhandwerker, wenn er für den Staat gebaut hat, schlechter dasteht, als wenn er für einen privaten Bauherrn tätig geworden ist (BGE 108 II 305 E. 1 S. 309; BGE 95 I 97 E. 4 S. 101 f.; P. GAUCH, Der Werkvertrag, 4. Aufl. Zürich 1996, Rz. 187 S. 57; P. LIVER, Rechtsprechungsbericht, Nachtrag, ZBJV 120/1984 S. 277 ![]() | 6 |
b) aa) Dass der vorleistungspflichtige Vertragspartner grundsätzlich das Risiko für das Ausbleiben der Gegenleistung trägt, bildet im Vertragsrecht die Regel (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336), auf der z.B. auch Art. 171 Abs. 2 OR beruht, wonach der Abtretende ohne anderslautende Abmachung für die Zahlungsfähigkeit seines Schuldners nicht haftet. Das Bauhandwerkerpfandrecht bildet eine Ausnahme von der geschilderten Regel: Es privilegiert die Forderung des Bauhandwerkers dadurch, dass er diese dinglich absichern kann, und das zu Lasten eines Grundstückes, das nicht seinem Vertragspartner und Schuldner zu gehören braucht (W. WIEGAND, Bauhandwerkerpfandrechte an öffentlichen Grundstücken, Anmerkung zu BGE 108 II 305 f., recht 1/1983 S. 102 und 105; vgl. Votum Gauch, ZSR 101/1982 II S. 696). Wenn der Richter dieses Privileg, das der Gesetzgeber für den privaten Bereich mit Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB geschaffen hat, im öffentlichen zumeist nicht gelten lässt, so trägt er damit bloss dem privatrechtlichen Grundsatz Rechnung, wonach der Gläubiger, der für seine Forderung keine Sicherheit erlangen kann, das Risiko des Ausbleibens der Gegenleistung ![]() | 7 |
Nach Liver (ZBJV 120/1984 S. 279 f., 115/1979 S. 262 und 111/1975 S. 69) ist der bauende Staat, auf dessen Liegenschaften ein Bauhandwerkerpfandrecht nicht eingetragen werden kann, verpflichtet, den Subunternehmer als mittelbaren Baugläubiger zu entschädigen, weil die Regelung von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB, die auf dem Gedanken der Absicherung einer bestehenden vertraglichen Schuld durch eine entsprechende Grundpfandverschreibung beruhe, auf ein gesetzliches Forderungsrecht des Bauhandwerkers gegenüber dem Gemeinwesen reduziert werde; aus diesem Recht könne auch die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit nach Art. 839 Abs. 3 ZGB abgeleitet werden. Wollte das Bundesgericht diese rechtliche Konstruktion übernehmen, müsste es unweigerlich neue Ungleichheiten in Kauf nehmen: Weshalb dieses gesetzliche Forderungsrecht nicht auch einem für einen privaten Bauherrn tätig gewesenen Handwerker zustehen sollte, falls dessen Eintragungsanspruch scheitert, begründet Liver nicht. Zudem sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb das bauende Gemeinwesen (im Gegensatz zum privaten Grundeigentümer) trotz Verneinung des Pfandrechts eine Sicherheit leisten und die in Art. 839 Abs. 3 ZGB dem Grundeigentümer unmissverständlich als Alternative eingeräumte Möglichkeit, die Grundpfandverschreibung durch Leistung einer Sicherheit abzuwenden, zu einer Pflicht des Gemeinwesens werden soll.
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Weiter kann entgegen der Ansicht von Ch. Schroff (Das Bauhandwerkerpfandrecht auf öffentlichen Grundstücken, ZBJV 117/1981, S. 145 f.) auch Art. 11 SchGG nicht zur Füllung einer Lücke herangezogen werden, weil nach dieser Bestimmung die Umwidmung einer mit einem Pfand belasteten Liegenschaft aus dem Finanzvermögen in das Verwaltungsvermögen vorausgesetzt wird, während in Fällen wie dem vorliegenden die Zweckbestimmung bereits vorlag, als das Bauhandwerkerpfandrecht beansprucht wurde (ZOBL, a.a.O. S. 140; diesem beipflichtend WIEGAND, a.a.O. S. 103 in Fn 8).
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c) Das Vorliegen einer Lücke kann schliesslich auch nicht damit begründet werden, der Gesetzgeber habe bei Liegenschaften der öffentlichen Hand nicht das Pfandrecht, sondern bloss die Zwangsverwertung verhindern wollen (SCHUMACHER, a.a.O. Rz. 568 bis 570 S. 162; derselbe, Votum, ZSR 101/1982 II S. 679). Dass die Expertenkommission den Antrag auf Ausschluss des Pfandrechts für öffentliche Bauten verwarf (SCHUMACHER, a.a.O. Rz. 570 S. 162), mag für den Erlass des Zivilgesetzbuches von Belang gewesen sein. Indessen ergibt sich die Nichtanwendbarkeit des Privatrechts aus dessen Abgrenzung vom öffentlichen Recht mit der Folge, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts und die Anwendbarkeit weiterer damit verbundener Rechte auf Verwaltungsvermögen des Bundes positiv hätte anordnen müssen. An der Meinung, Änderungen der Rechtslage würden dem Gesetzgeber obliegen, ist festzuhalten (BGE 108 II 305 E. 1 S. 309; ZOBL, a.a.O. S. 141 vor Fn 588; M. RENTSCH, Öffentliche Sachen, ZBGR 61/1980 S. 345; vgl. so zum Mehrfachzahlungsrisiko des Grundeigentümers auch BGE 95 II 87 E. 4 S. 92).
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