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62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. April 1998 i.S. W. X. gegen X. AG (Berufung) | |
Regeste |
Art. 401 Abs. 1 OR; Übergang von Forderungsrechten. | |
Sachverhalt | |
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Am 18. August 1995 wollte der Kläger an einer ausserordentlichen Generalversammlung teilnehmen. Der Verwaltungsratspräsident der Beklagten bestritt jedoch die Aktionärseigenschaft des Klägers und verwehrte ihm die Teilnahme.
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Mit Klage vom 18. Oktober 1995 beantragte der Kläger dem Handelsgericht des Kantons Aargau, die Beschlüsse der ausserordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 18. August 1995 seien aufzuheben, eventuell sei deren Nichtigkeit festzustellen. Ferner sei festzustellen, dass der Kläger mit einer Aktie Aktionär der Beklagten sei, und die ausserordentliche Generalversammlung sei korrekt zu wiederholen. Replicando beantragte der Kläger zusätzlich, die Beklagte sei zu verpflichten, ihn als Aktionär mit einer Namenaktie für nominal Fr. 1'000.-- im Aktienbuch einzutragen. Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. September 1997 ab.
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Die vom Kläger gegen diesen Entscheid erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Gemäss Art. 401 Abs. 1 OR gehen Forderungsrechte, die der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen gegen Dritte erworben hat, auf den Mandanten über, sobald dieser seinerseits allen Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis ![]() | 6 |
b) Dem Gesetzestext lässt sich eine eindeutige Antwort nicht entnehmen. Lautet die Marginalie der Bestimmung "Übergang der erworbenen Rechte" ("Transfert des droits acquis par le mandataire", "Trasmissione dei diritti acquistati"), spricht Absatz 1 enger von "Forderungsrechten" ("créances", "crediti"). Die Gesetzesmaterialien scheinen eher auf eine engere Auslegung hinzudeuten, wonach unter Forderungsrechten nur solche vermögensrechtlicher Natur zu verstehen sind (vgl. MAX G. H. WOLFF, Wesen und Voraussetzungen der Zession, Diss. Zürich 1917, S. 9). Das Gesetz muss aber in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist daher für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nach der Rechtsprechung nur ins Gewicht, wenn sie angesichts einer unklaren gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben und im Gesetzeswortlaut Niederschlag gefunden haben. Zu beachten ist überdies, dass ihnen umso weniger Bedeutung zukommt, je weiter die Entstehung des Gesetzes zeitlich zurückliegt (BGE 116 II 525 E. 2b S. 527).
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In der Literatur wird heute überwiegend die Ansicht vertreten, auch Mitgliedschaftsrechte würden von der Legalzession gemäss Art. 401 Abs. 1 OR erfasst (FELLMANN, Berner Kommentar, Bern 1992, N. 22 zu Art. 401 OR; Weber, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., Basel 1996, N. 8 zu Art. 401 OR; ders., AJP 1992 S. 181 f.; BÄR, ZBJV 127/1991 S. 271; a.M. HEINI, Der treuhänderische Gesellschafter und Art. 401 OR, in: FS 150 Jahre Obergericht Luzern, Bern 1991, S. 192 ff.). Begründet wird dies im allgemeinen mit dem Bestreben, weitere Fälle einer Spaltung der Rechtsposition in Mitwirkungsrechte einerseits und Vermögensrechte ![]() | 8 |
c) Der Einwand Heinis, die Gesellschaft müsse jederzeit wissen, wen sie als Mitglied zu behandeln habe, weshalb eine schriftliche Abtretungserklärung im Interesse der Rechtssicherheit unerlässlich sei (HEINI, a.a.O., S. 194 f.), überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Zunächst darf die Gesellschaft selbst nach erfolgter Legalzession den Fiduziar noch so lange als Aktionär betrachten, als ihr der Forderungsübergang nicht angezeigt worden ist (Art. 167 OR; BGE 115 II 468 E. 2c S. 472). Im Falle verbriefter Aktientitel ist ferner das Recht nur zusammen mit dem Papier übertragbar (Art. 967 Abs. 1 OR). Bei Inhaberaktien ist deshalb eine Legalzession von vornherein ausgeschlossen, weil der Besitz am Papier für den Nachweis der Legitimation erforderlich ist, bis zum Beweis des Gegenteils aber auch ausreicht (MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, Wertpapierrecht, Bern 1985, § 5 Rz. 204 S. 114 f.; DU PASQUIER/OERTLE, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1994, N. 7 zu Art. 683 OR). Verbriefte Namenaktien, bei denen es sich in der Regel um Ordrepapiere handelt, werden regelmässig durch Indossierung übertragen, können jedoch auch zediert werden. Auch hier ist aber die Besitzverschaffung am Papier Voraussetzung für den Übergang der Rechte (Art. 967 Abs. 2 OR; BGE 90 II 164 E. 6 S. 178 f., mit ![]() | 9 |
Für die Rechtszuständigkeit an der Aktie ist aber in jedem Falle die wahre Rechtslage massgeblich. Der Besitz des Papiers bei der Inhaberaktie oder der Eintrag im Aktienbuch bei der Namenaktie begründet jeweils nur eine widerlegbare Vermutung, dass der Betreffende auch tatsächlich Rechtsträger ist (BGE 90 II 164 E. 3 S. 174; MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, a.a.O., § 5 Rz. 204 S. 114 f.; WEBER, a.a.O., S. 181). Somit kann auch der von HEINI geforderte leicht feststellbare Übertragungsausweis lediglich Beweiszwecken dienen. Die Gesellschaft darf sich darauf nur so lange verlassen, als sie nicht weiss, dass in Wirklichkeit eine andere Rechtslage vorherrscht. Es rechtfertigt sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht, die Mitgliedschaftsrechte von der Legalzession auszunehmen.
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d) Im vorliegenden Fall wurden anlässlich der Gründung der Beklagten keine Aktientitel, sondern lediglich Zeichnungsscheine ausgestellt. Erst am 24. Januar 1994 wurden die Aktien in Ordrepapieren verurkundet. Die fragliche Aktie befindet sich seither bereits im Besitz von V.X. und ist auch an dessen Ordre ausgestellt. Dass die Zustimmung der Beklagten zur Übertragung von Aktien statutarisch erforderlich wäre, macht der Kläger nicht geltend und ist von der Vorinstanz auch nicht festgestellt worden. Unter diesen Umständen durfte das Handelsgericht aber von einem Übergang der fraglichen Aktie unter Einschluss der zugehörigen Mitgliedschaftsrechte gemäss Art. 401 Abs. 1 OR ausgehen, ohne Bundesrecht zu verletzen.
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