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86. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. November 1998 i.S. A. gegen B. (Berufung) | |
Regeste |
Kartellgesetz. Übergangsrecht; sachlicher Anwendungsbereich. |
Begriff der Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 f. KG: Anwendbarkeit des Kartellrechts auf einseitige vertragliche Konkurrenzverbote (E. 2)? | |
Sachverhalt | |
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Am 24. Juli 1995 reichte A. beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen B. ein, mit dem Hauptantrag, er sei von der Einhaltung des Konkurrenzverbots gemäss der Vereinbarung vom 13. Dezember 1984 zu befreien. Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. September 1997 ab.
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Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Der Kläger stellt sich auf den Standpunkt, das Konkurrenzverbot gemäss der Vereinbarung vom 13. Dezember 1984 sei zufolge kartellrechtlicher Unzulässigkeit untergegangen. Er wirft dem Handelsgericht in diesem Zusammenhang zunächst vor, zu Unrecht nicht das am 1. Juli 1996 in Kraft getretene neue Kartellgesetz (KG; SR 251) angewendet zu haben. Das Handelsgericht verweist zur Begründung seiner Auffassung, dass der vorliegende Fall noch nach dem alten Recht zu beurteilen sei, auf das Rückwirkungsverbot von Art. 1 SchlT ZGB. Aus dem Rückwirkungsverbot lässt sich indessen lediglich ableiten, dass das neue Kartellgesetz auf Wettbewerbsbeschränkungen, ![]() | 4 |
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a) Das neue Kartellgesetz enthält in Art. 4 Abs. 1 eine Legaldefinition der Wettbewerbsabrede. Danach gelten als Wettbewerbsabreden rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Der Kläger weist darauf hin, dass diese Definition - im Gegensatz zur Umschreibung des Kartellbegriffs im früheren Recht (Art. 2 Abs. 1 aKG) - das Erfordernis einer gemeinsamen Beschränkung des Wettbewerbs nicht mehr enthält. Seiner Auffassung nach sind deshalb auch einseitige Konkurrenzverbote Wettbewerbsabreden im kartellrechtlichen Sinne. Diese Ansicht wird zum Teil auch in der Literatur vertreten (MICHAEL LEUPOLD, Die Beurteilung von Konkurrenzverboten bei Unternehmensverkäufen im Lichte des neuen schweizerischen ![]() | 6 |
Die umschriebene Konzeption lässt sich indessen nicht ohne weiteres auch auf das schweizerische Recht übertragen. Der Gesetzgeber hat bei der Revision des Kartellgesetzes zwar eine gewisse Annäherung an das Recht der Europäischen Union angestrebt, jedoch - namentlich mit Rücksicht auf die andere verfassungsrechtliche Ausgangslage - bewusst auf eine vollständige Angleichung verzichtet (vgl. BBl 1995 I 471 und 632 ff.). Der Anwendungsbereich des schweizerischen Kartellgesetzes ist ausgehend von der einschlägigen Kompetenznorm in der Bundesverfassung zu bestimmen (vgl. HOFFET, a.a.O., N. 17 ff. zu Art. 1). Art. 31bis Abs. 3 lit. d BV trägt dem Bundesgesetzgeber auf, Vorschriften gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und ähnlichen Organisationen zu erlassen. Damit wird der Anwendungsbereich des Kartellgesetzes abgesteckt: Wettbewerbsbeschränkungen ![]() | 7 |
Für marktbeherrschende Unternehmen (vgl. Art. 4 Abs. 2 KG) geht das Gesetz, indem es ihr Verhalten (Art. 7 KG) und ihre Entstehung durch Unternehmenszusammenschluss (Art. 9 ff. KG) besonderen Regelungen unterstellt, davon aus, dass sie das Erfordernis der Kartell-Ähnlichkeit bereits für sich allein erfüllen (HOFFET, a.a.O., N. 20 zu Art. 1, Fn. 58). Abgesehen davon setzt das Vorliegen einer kartellistischen oder wenigstens kartellähnlichen Organisation aber immer ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer Unternehmen voraus (HOFFET, a.a.O., N. 20 und 60 zu Art. 1; vgl. auch BBl 1995 I 545). Die gegen wettbewerbsbeschränkende oder -beseitigende Abreden gerichteten Vorschriften des Kartellgesetzes (insbesondere Art. 5 f.) greifen nur, wenn diese Voraussetzung gegeben ist. Aus den Materialien ergibt sich im Übrigen, dass es dem Gesetzgeber vor allem darum ging, sowohl horizontale, d.h. zwischen Konkurrenten bestehende als auch vertikale, von Unternehmen verschiedener Marktstufen getroffene Wettbewerbsabreden zu erfassen; deshalb verzichtete er auf das Gemeinsamkeitserfordernis, wie es das frühere Recht kannte (BBl 1995 I 544 f.). Das bedeutet indessen nicht, dass der Gesetzgeber im gleichen Atemzug "jedes schlichte Konkurrenzverbot" (vgl. KUMMER, Der Begriff des Kartells, S. 79) zum Kartell hätte erheben wollen. Ein Kartell oder eine kartellähnliche Organisation liegt - abgesehen vom Spezialfall der marktbeherrschenden Unternehmen - nur dort vor, wo zwei oder mehrere Unternehmen im Hinblick auf die Ausübung von Marktmacht bewusst und gewollt zusammenwirken. Ein derartiges Zusammenwirken fehlt bei einem einseitigen Konkurrenzverbot, das als Nebenverpflichtung im Rahmen eines Austauschvertrages zur Sicherung des Werts der vertraglichen Hauptleistung vereinbart wird. Ein solches Konkurrenzverbot beruht nicht ![]() | 8 |
b) Das zwischen den Parteien streitige Konkurrenzverbot ist Bestandteil eines Vergleichs, mit welchem der Beklagte gegen Bezahlung die Rechte an der gemeinsam entwickelten Entgratmaschine "E." erworben hat. Die vom Kläger übernommene Verpflichtung, den Beklagten bei der Herstellung und beim Vertrieb der "E." in keiner Weise zu konkurrenzieren, diente und dient der Sicherung des Werts der Rechte, die der Kläger dem Beklagten überlassen hat. Es handelt sich um ein im Rahmen eines Interessengegensatz-Vertrages als Nebenpflicht eingegangenes Konkurrenzverbot. Die Parteien haben kein Zusammenwirken im Hinblick auf die Ausübung von Marktmacht vereinbart, sondern im Gegenteil ihre vorherige Zusammenarbeit beendet, wobei sich der Kläger auszahlen liess und dem Beklagten dafür die alleinige Weiterführung der gemeinsam begonnenen Tätigkeit vorbehalten bleiben sollte. Darin kann weder ein Kartell noch eine kartellähnliche Organisation gesehen werden. Es fehlt daher an einer Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 f. KG. Aber auch eine nach Art. 7 KG unzulässige Verhaltensweise kommt nicht in Betracht, kann doch weder davon gesprochen werden, dass der Beklagte das Konkurrenzverbot dem Kläger aufgezwungen hätte, noch ist behauptet, geschweige denn bewiesen, dass der Beklagte auf dem einschlägigen Markt eine beherrschende Stellung einnehmen würde. Das Konkurrenzverbot, das die Parteien in ihrem Vergleich vereinbart haben, fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes. Der Kläger versucht vergeblich, mit Hilfe des Kartellrechts den Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, aus den Angeln zu heben.
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