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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. November 1998 i.S. L.T. gegen I.T. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 209 Abs. 3 ZGB und Art. 211 ZGB; Erfassung und Bewertung bestimmter Vermögensgegenstände als Berechnungsgrundlage der Ersatzforderung. |
Es verletzt kein Bundesrecht, bei Berechnung der Ersatzforderung eine Arztpraxis als einen einzigen Vermögensgegenstand zu erfassen und zu bewerten (E. 4). |
Der Verkehrswert eines überbauten Grundstückes ist in differenzierender Kombination von Real- und Ertragswert zu ermitteln (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Auf Antrag beider Parteien schied das Kantonsgericht Nidwalden (Zivilabteilung Grosse Kammer II) die Ehe. Es verpflichtete L.T., I.T. monatliche Unterhaltsbeiträge gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB von Fr. 6'000.-- während zehn Jahren ab Rechtskraft des Scheidungsurteils und von Fr. 3'000.- während weiteren zehn Jahren sowie aus Güterrecht den Betrag von Fr. 284'625.50 zu bezahlen. Die Gerichts- und Parteikosten wurden zu zwei Dritteln L.T. belastet (Urteil vom 9. Dezember 1996).
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Das von beiden Parteien angerufene Obergericht (Zivilabteilung Grosse Kammer) des Kantons Nidwalden legte die Güterrechtsforderung auf Fr. 280'495.50 fest und wies unter dem gleichen Rechtstitel die Vorsorgeeinrichtung von L.T. an, auf das Konto derjenigen von I.T. den Betrag von Fr. 23'608.65 zu überweisen. Im Übrigen wurden die Appellation von L.T., der unter anderem die Abweisung des Unterhaltsanspruchs verlangt hatte, und die - von I.T. auf die Güterrechtsfrage insgesamt bezogene - Anschlussappellation abgewiesen. Das Obergericht auferlegte den Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte und schlug die Parteikosten wett (Urteil vom 18. November 1997).
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Das Bundesgericht hat die Berufung von L.T. und die Anschlussberufung von I.T. abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte, und das obergerichtliche Urteil bestätigt, was die erwähnte Güterrechtsforderung angeht.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die kantonsgerichtlichen Hervorhebungen über Unbestrittenes und ausdrücklich Zugestandenes legen nahe, dass die vom Kläger als "vergessen" behaupteten Restbeträge - Differenz zwischen ererbten und verwendeten Beträgen - bestritten und daher zu seinen Lasten beweislos geblieben sind. Anderweitiges wäre vom Kläger zu belegen gewesen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG). Eine Verletzung von Art. 154 Abs. 1 ZGB vermag er damit nicht darzutun.
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a) Haben Mittel der einen Vermögensmasse zum Erwerb, zur Verbesserung oder zur Erhaltung von Vermögensgegenständen der andern beigetragen und ist ein Mehr- oder ein Minderwert eingetreten, ![]() | 9 |
b) Im Unterschied zu den vorausgehenden und nachfolgenden Bestimmungen über die Errungenschaftsbeteiligung, in denen jeweilen von Vermögenswerten (z.B. in Art. 197-201 und Art. 205 sowie in Art. 214 ZGB) die Rede ist, sprechen die Art. 206, Art. 209 und Art. 211 ZGB von "Vermögensgegenständen". Die lateinischen Gesetzestexte verwenden durchwegs die Worte "bien/biens" bzw. "bene/beni". Weder den Materialien noch der einschlägigen Literatur lässt sich entnehmen, welche andere Bedeutung "Vermögensgegenstand" als "Vermögenswert" beanspruchen könnte. Entgegen der Behauptung der Beklagten kann aus dem Gesetzeswortlaut für die zu beurteilende Frage der Investitionen in eine Arztpraxis somit nichts abgeleitet werden. Ihre diesbezügliche Annahme wird auch durch die angeführten Literaturhinweise nicht bestätigt: An den zitierten Stellen wird das Erfordernis der Objektbezogenheit der Beiträge gemäss Art. 206 Abs. 1 und Art. 209 Abs. 3 ZGB hervorgehoben ("im Hinblick auf einen bestimmten Vermögensgegenstand"), ohne dass inhaltlich verdeutlicht würde, was unter den Begriff "Vermögensgegenstände" fallen könnte (HAUSHEER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1996, N. 3 zu Art. 206 ZGB; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 16 zu Art. 206 und N. 49 zu Art. 209 ZGB; PIOTET, Die Errungenschaftsbeteiligung nach schweizerischem Ehegüterrecht, Bern 1987, § 12/II S. 101). Vereinzelt finden sich zur aufgeworfenen Frage unterschiedliche Stellungnahmen (BÄR, Die kaufmännische Unternehmung im neuen Ehe- und Erbrecht, BTJP 1987, Bern 1988, S. 179 ff., S. 190 f.; ESCHER, Wertveränderung und eheliches Güterrecht, Diss. ![]() | 10 |
c) Die Antwort lässt sich dem Gesetz selbst entnehmen. Nach Art. 212 Abs. 1 ZGB ist ein "landwirtschaftliches Gewerbe" unter bestimmten Voraussetzungen "bei Berechnung des Mehrwertanteils ... zum Ertragswert einzusetzen". Aus der Berechnungsgrundlage darf umgekehrt geschlossen werden, dass Investitionen, die an Wertveränderungen teilnehmen, in ein landwirtschaftliches Gewerbe als Ganzes erfolgen können. Es ist denn auch das naheliegende Beispiel der Hofübernahme unter Beteiligung mehrerer Vermögensmassen desselben oder beider Ehegatten, die dies veranschaulicht; mit Einschränkungen für die «Fahrhabe» soll aber auch für mehrwert- oder/und minderwertbeteiligte Investitionen in Einzelbestandteile (z.B. Scheune) gelten, dass das landwirtschaftliche Gewerbe als Ganzes zu bewerten ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 36 f. zu Art. 212 ZGB; DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987, S. 424 ff.). Davon geht im Ergebnis auch das Bundesgericht aus (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. K. c/ K. vom 23. Februar 1994, E. 1 und 2). Mit Blick auf diese Entscheidung des Gesetzgebers sind an sich keine stichhaltigen Gründe ersichtlich, Investitionen in ein landwirtschaftliches Gewerbe verschieden von solchen in ein nicht landwirtschaftliches Gewerbe, in ein Unternehmen oder in eine Sachgesamtheit zu behandeln. Gleichlaufend hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Wert der "Vermögensgegenstände" gemäss Art. 211 ZGB festgehalten, dass das Bewertungsobjekt eines Unternehmens immer seine rechtlich finanzielle Einheit sein muss (BGE 121 III 152 E. 3c S. 155); jene Erwägungen standen übrigens vor dem Hintergrund von Art. 209 Abs. 3 ZGB (a.a.O., E. 3b S. 154 f.). Die Vorgehensweise der kantonalen Instanzen verstösst deshalb nicht gegen Bundesrecht. Die Arztpraxis darf als ein einziger Vermögensgegenstand erfasst werden. Den Beweis, dass die mehrere Jahre zurückliegende Investition des Klägers (Eigengut) in einzelne Bestandteile der Arztpraxis (Errungenschaft) getätigt worden wäre, hat zudem keine Partei erst anzutreten versucht. Die Frage nach Ersatzanschaffungen stellt sich daher nicht. Der Bewertungsmassstab schliesslich wird von der Beklagten in diesem Zusammenhang nicht angefochten.
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5. Streitig ist hingegen der Massstab zur Ermittlung des anrechenbaren Wertes der Liegenschaft "X." in Z., den die kantonalen ![]() | 12 |
a) Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass dem Bundesgericht die Hände gebunden sind, was die Schätzung des tatsächlichen Wertes angeht (Art. 63 Abs. 2 OG), und als Rechtsfrage im Berufungsverfahren einzig überprüft werden kann, nach welchem Massstab ein Gegenstand zu bewerten ist (BGE 121 III 152 E. 3c S. 155).
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b) Nach Art. 211 ZGB sind bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung die Vermögensgegenstände, abgesehen von landwirtschaftlichen Gewerben, zu ihrem "Verkehrswert" (in den lateinischen Gesetzestexten: "valeur vénale" bzw. "valore venale") einzusetzen. Dieser Grundsatz wird wiedergegeben, wenn das Kantonsgericht von "Verkehrswert" schreibt, wie es dem deutschen Gesetzestext entspricht, und das Obergericht zusätzlich den Wert erwähnt, welcher bei einem Verkauf auf dem freien Markt realisierbar wäre, und damit den "Verkehrswert" so umschreibt, wie er durch die lateinischen Gesetzesfassungen tatsächlich verdeutlicht wird (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 12 zu Art. 211 ZGB; SCHAUFELBERGER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1998, N. 3 zu Art. 617 ZGB, je mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Unterstellung der Beklagten ist darin keine Aussage zu dem im Gutachten tatsächlich verwendeten Bemessungsmassstab zu erblicken. Dazu haben sich die kantonalen Gerichte - soweit ersichtlich - nicht geäussert, doch spielt dies keine Rolle, wie sogleich zu zeigen sein wird.
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c) Mit Recht hebt die Beklagte hervor, dass der Verkehrswert je nach Vermögensgegenstand anders zu ermitteln sein kann. So gilt für überbaute Grundstücke eine je nach den Verhältnissen zu gewichtende Kombination von Real- und Ertragswert, für Unternehmen unter Umständen der Fortführungswert, errechnet aufgrund der zukünftig zu erwartenden Gewinne, usw. (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 16 und N. 19 zu Art. 211 ZGB; nur für Grundstücke: SCHAUFELBERGER, N. 5-8 zu Art. 617 ZGB, je mit weiteren Nachweisen). Der Massstab der Bewertung des Vermögensgegenstandes «X.» ist damit klar. Renditeüberlegungen spielen dabei unbestreitbar eine Rolle (Ertragswert).
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Aus bisherigem Recht, an das mit Art. 211 ZGB angeknüpft wird (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 3 f. zu Art. 211 ZGB), folgt nichts ![]() | 16 |
Auf diesem Eigeninteresse des Klägers baut die Beklagte ihre Argumentation auf, derzufolge der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Gesamtbetrag der Investitionen in die Liegenschaft «X.» zugrunde zu legen sei. Sie muss dabei aber einräumen, dass die Gutachter nicht übersehen und einbezogen hatten, für den Eigentümer einer solchen Wohn- und Geschäftsliegenschaft stünden in erster Linie Renditeüberlegungen und somit wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund; sie gibt damit selber zu, dass die Gutachter durchaus vorgegangen sind, wie sie dies heute fordert, und mit Blick darauf laufen ihre sich wiederholenden Rechtserörterungen im Ergebnis auf eine blosse Kritik an der Schätzung des tatsächlichen Wertes hinaus (Art. 63 Abs. 2 OG), der aufgrund des allgemein bekannten Zusammenbruchs der Preise im Immobiliensektor beinahe zwangsläufig tiefer als die ursprünglichen Aufwendungen zu liegen kommen musste. Zu den entscheiderheblichen Absichten des Klägers (z.B. Verkauf einzelner Wohnungen) haben die kantonalen Instanzen zudem keine Feststellungen getroffen, ohne dass die Beklagte dies mit ausnahmsweise zulässigen Sachverhaltsrügen bemängelte, und zu beachten gewesen ist offenbar auch die Eigennutzung der Liegenschaft durch den Kläger (z.B. Arztpraxis). Die kantonalen Gerichte haben somit auf ein Gutachten abgestellt, dessen Schätzung auf dem zutreffenden Bewertungsmassstab beruht (Kombination von Real- und Ertragswert).
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