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13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Oktober 1998 i.S. A. gegen B. (Berufung) | |
Regeste |
Mobbing; missbräuchliche Kündigung; Persönlichkeitsverletzung; Genugtuung (Art. 336 OR, Art. 328 OR und Art. 49 OR). |
Die Aufforderung an eine arbeitsunfähige Arbeitnehmerin, sich bei einem Psychiater vertrauensärztlich begutachten zu lassen, verletzt deren Persönlichkeit ohne besondere Umstände nicht schwer (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht weist die von der Klägerin dagegen erhobene Berufung ab, soweit es darauf eintritt,
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aus folgenden Erwägungen: | |
2. Die Klägerin hatte im kantonalen Verfahren behauptet, ihre Entlassung sei der Höhepunkt und Abschluss eines ausgeklügelten Mobbing-Plans ihrer Vorgesetzten und einiger Mitarbeiter gewesen. Sie sei zurückgesetzt, systematisch gemieden und einem Psychoterror ausgesetzt worden (vgl. zum sog. '«Mobbing'» WAEBER, Le mobbing ou harcèlement psychologique au travail, quelles solutions?, AJP 1998 S. 792 ff.; REHBINDER/KRAUSZ, Psychoterror am Arbeitsplatz, in: Mitteilungen des Instituts für schweizerisches Arbeitsrecht (ArbR) 1996, S. 17 ff.). Die Vorinstanz hat diese Behauptung im angefochtenen Urteil nicht als erwiesen angesehen und insbesondere gewisse von der Klägerin für ein systematisches Vorgehen der Vorgesetzten und Mitarbeiter angeführte Indizien als unbewiesen verworfen. Die Klägerin stellt diese auf Beweiswürdigung beruhende Schlussfolgerung der Vorinstanz im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr in Frage. Sie hält jedoch an ihrer Ansicht fest, die Beklagte habe sie in ihrer Persönlichkeit schwer verletzt, denn die Beklagte habe dafür einzustehen, dass ihre unmittelbaren Vorgesetzten ![]() | 3 |
a) Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht auch nach der Revision von 1988 vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht (STAEHELIN/VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 336 OR; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, S. 159). Missbräuchlich ist eine Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, die in Art. 336 OR umschrieben werden (GEISER, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, BJM 1994 S. 174). Die Aufzählung in
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Art. 336 OR ist allerdings nicht abschliessend (BGE 123 III 246 E. 3b S. 251, BGE 121 III 60 E. 3b S. 61; vgl. auch BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Ziff. II zu Art. 336; GEISER, a.a.O., S. 183; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 10 zu Art. 336 OR; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, N. 3 zu Art. 336). Sie konkretisiert vielmehr das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot und gestaltet dieses mit für den Arbeitsvertrag geeigneten Rechtsfolgen aus. So hat die Rechtsprechung etwa im Zusammenhang mit Änderungskündigungen erwogen, Missbrauch könne vorliegen, wenn eine unbillige Änderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden soll, für die weder marktbedingte noch betriebliche Gründe bestehen, und die Kündigung als Druckmittel verwendet wird, um die Arbeitnehmerin zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (BGE 123 III 246 E. 3b S. 250 f., BGE 118 II 157 E. 4b/bb S. 165 f.). Sogenanntes Mobbing an sich begründet den Missbrauch des Kündigungsrechts nicht ohne weiteres (REHBINDER/KRAUSZ, a.a.O., S. 42). Denkbar ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass eine Kündigung etwa dann missbräuchlich sein kann, wenn sie wegen einer Leistungseinbusse ![]() | 5 |
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist der Klägerin der Nachweis des Mobbing nicht gelungen. Vielmehr wurde die Kündigung ausgesprochen, weil die Klägerin sich nicht an Weisungen gehalten und sich im Umgang mit Vorgesetzten und Mitarbeitern als unverträglich erwiesen hatte. Dieses Verhalten hatte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil im Jahre 1990 begonnen, weil die Klägerin die Beförderung einer Mitarbeiterin nicht verkraftet habe. Die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung war nach Ansicht der Vorinstanz nicht kausal für die Kündigung. Zur Kündigung hat sich die Beklagte vielmehr erst einige Monate später entschieden, als die Situation am Arbeitsplatz nicht mehr haltbar war. Eine allfällige Persönlichkeitsverletzung, die für die Kündigung nicht kausal ist, kann keinen Missbrauch begründen.
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b) Der Missbrauch einer Kündigung kann sich aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt (BGE 118 II 157 E. 4b/bb S. 166). Selbst wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das Treu und Glauben krass widerspricht (BGE 118 II 157 E. 4b/cc S. 166 f.). Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, kann diese als missbräuchlich erscheinen lassen, auch wenn das Verhalten für die Kündigung nicht kausal war. Dass die Klägerin allerdings tatsächlich in ihrer Persönlichkeit verletzt worden sein soll, um sie von einem arbeitsrechtlichen Prozess im Anschluss an die Kündigung abzuhalten, wie sie behauptet, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Auch fehlt insofern der erforderliche zeitliche Zusammenhang, wurde doch die von der Klägerin beanstandete psychiatrische Begutachtung im Februar und März 1993 angeordnet, während die Kündigung Ende Oktober 1993 ausgesprochen wurde.
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c) Weiter macht die Klägerin geltend, die Kündigung sei missbräuchlich, weil ihr wegen einer Eigenschaft gekündigt worden sei, ![]() | 8 |
Soweit der Kündigungsgrund tatsächlich auf Eigenschaften der Klägerin zurückzuführen ist, haben diese nach den Feststellungen der Vorinstanz allerdings nicht nur das Betriebsklima gestört, sondern vielmehr zu Fehlverhalten der Klägerin geführt, indem diese gewissen Weisungen nicht nachgekommen ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Kündigung nicht als missbräuchlich.
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a) Die Beklagte ist nach Art. 328 OR als Arbeitgeberin verpflichtet, im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit der Klägerin als Arbeitnehmerin zu achten und zu schützen. Sie hat für das Verhalten ihrer Mitarbeiter einzustehen (Art. 101 OR) und ihren Betrieb angemessen zu organisieren (REHBINDER, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 328 OR; STAEHELIN/VISCHER, a.a.O., N. 41 zu Art. 328 OR). Sie haftet insbesondere für allfällige Persönlichkeitsverletzungen im Sinne von Art. 49 OR, wenn solche durch Vorgesetzte oder zuständige Personalverantwortliche begangen worden sind. Genugtuung nach Art. 49 OR ist allerdings nur geschuldet, wenn die Schwere der Verletzung es rechtfertigt (und diese nicht anders wieder gutgemacht ![]() | 11 |
b) Nach dem angefochtenen Urteil wurde der Klägerin am Vormittag des 12. Februar 1993 mündlich ein Verweis erteilt, worauf sie am Nachmittag nicht zur Arbeit erschien. Am 15. Februar 1993 wurde dieser Verweis schriftlich bestätigt, worauf die Klägerin am 16. Februar 1993 wiederum der Arbeit fern blieb. Die Vorgesetzten verlangten tags darauf die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung. Die Vorinstanz stellte fest, dass zu diesem Zeitpunkt die Ursache der Erkrankung nicht bekannt war und namentlich die Vorgesetzten auch nicht im Besitz des Arztzeugnisses waren, das von einer Gynäkologin ausgestellt war. Im Übrigen hielt die Vorinstanz für glaubhaft, dass die Klägerin bei der telefonischen Krankmeldung psychische Probleme angegeben hatte, und sie nahm überdies an, dass den Vorgesetzten die massive psychische Belastung der Klägerin nach Erhalt des Verweises nicht verborgen geblieben sei. Die Vorinstanz hielt unter diesen Umständen für vertretbar, dass die Vorgesetzten die Abwesenheit der Klägerin auf psychische Ursachen zurückgeführt und aus diesem Grund der Geschäftsleitung der Beklagten eine entsprechende Begutachtung beantragt hätten. Sie stellte fest, es deute nichts darauf hin, dass die Vorgesetzten damit den Ruf der Klägerin hätten untergraben wollen.
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Gestützt auf diese Feststellungen der Vorinstanz ist der Schluss bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass im intern an die Geschäftsleitung der Beklagten gerichteten Antrag der Vorgesetzten der Klägerin auf psychiatrische Begutachtung keine objektiv schwere Persönlichkeitsverletzung zu sehen ist. Unabhängig davon, ob in einem solchen Antrag überhaupt eine hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung der Persönlichkeit zu sehen wäre, bestand für die Vorgesetzten auf Grund der von der Vorinstanz festgestellten Umstände begründeter Anlass, die Abwesenheit der Klägerin als psychische Reaktion auf den Verweis zu verstehen und entsprechend überprüfen zu lassen. Das Vorgehen der Vorgesetzten kann insofern ![]() | 13 |
c) Der Personalchef der Beklagten beauftragte am 15. März 1993 den Vertrauensarzt mit der psychiatrischen Begutachtung der Klägerin und forderte sie am 19. März 1993 auf, sich von diesem Arzt begutachten zu lassen. In diesem Zeitpunkt lagen der Beklagten mindestens zwei der insgesamt drei Arztzeugnisse vor, in denen die behandelnde Gynäkologin der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, wobei sich in den Feststellungen der Vorinstanz nichts darüber findet und auch die Klägerin nicht behauptet, in diesen Zeugnissen sei die - in einer späteren ärztlichen Auskunft als physisch bezeichnete - Ursache der Erkrankung genannt worden. Die Klägerin war am 19. März 1993 noch krank und arbeitsunfähig, und dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass damals schon feststand, dass die Klägerin ihre Arbeit am 22. März 1993 wieder aufnehmen werde, zumal die in den beiden früheren Arbeitszeugnissen (wohl ebenfalls befristete) Arbeitsunfähigkeit schon zweimal verlängert worden war.
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Ob die Arbeitgeberin ihre Lohnfortzahlung mindestens bei begründeten Zweifeln von einer vertrauensärztlichen Untersuchung abhängig machen kann oder ob eine Obliegenheit der Arbeitnehmer, sich auf entsprechende Aufforderung hin einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ausdrücklich vereinbart sein muss, ist in der Lehre umstritten (vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 12 zu Art. 324a/b OR). Jedenfalls war die Klägerin für ihre unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf die Lohnfortzahlung beweisbelastet (STAEHELIN/VISCHER, a.a.O., N. 9 zu Art. 324a OR; REHBINDER, Basler Kommentar, N. 3 zu Art. 324a OR). Die Beklagte konnte daher der Klägerin mitteilen, dass sie an ihrer Arbeitsunfähigkeit zweifelte und ihre Lohnfortzahlung von einer vertrauensärztlichen Untersuchung abhängig machen wolle. Die Aufforderung an die im massgebenden Zeitpunkt noch krankheitsabwesende Klägerin, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, kann grundsätzlich nicht als Persönlichkeitsverletzung qualifiziert werden. Die Klägerin sieht denn auch die Persönlichkeitsverletzung ![]() | 15 |
Im Übrigen ist nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil davon auszugehen, dass die Klägerin die Anordnung der vertrauensärztlichen Untersuchung durch den Psychiater nicht als schwer empfunden hat und auch aus diesem Grund der Anspruch auf Genugtuung entfällt (BGE 120 II 97 E. 2 S. 98 f.; BREHM, a.a.O., N. 30 zu Art. 49 OR). Die Klägerin hat nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz in die vertrauensärztliche Untersuchung eingewilligt und die Zuweisung an den Vertrauensarzt erstmals mit Schreiben ihres Ehemanns an die Beklagte vom 27. Dezember 1993 in Frage gestellt.
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