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46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1999 i.S. Lobos Informatik AG gegen Debita AG (Berufung) | |
Regeste |
Software-Lizenzvertrag. |
Wurde vertraglich vereinbart, dass die Installation der Software im Object Code erfolge, in der Folge aber auch der Source Code installiert, darf die Lizenznehmerin darin nach Treu und Glauben keine Offerte zur Vertragsänderung, mit der ihr ein unentgeltliches Nutzungsrecht am Source Code eingeräumt werden soll, erblicken (E. 4c). | |
Sachverhalt | |
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Am 25. Januar 1996 ersuchte die Debita AG die Lobos Informatik AG um Support per Modem. Letztere stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass das Programmmaterial seit dem 3. Mai 1993, d.h. seit der letzten von ihr selbst vorgenommenen Änderung, modifiziert worden war. Sie remonstrierte dagegen bei der Debita AG, doch kam es in der Folge zu keiner Einigung.
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B.- Mit Klage vom 6. November 1996 beantragte die Lobos Informatik AG dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz unter anderem, die Debita AG zur Herausgabe der im Source Code abgespeicherten Programme und Programmteile sowie zur Rückgängigmachung der seit 4. Mai 1993 vorgenommenen Änderungen an diesen, eventuell zu deren ausschliesslicher Verwendung im Zustand vom 3. Mai 1993 ![]() | 3 |
C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 4. August 1998 insoweit auf, als es die genannten Begehren der Klägerin abweist, und weist die Streitsache insoweit zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Klägerin macht geltend, der Source Code werde weder im Lizenzvertrag noch im Nachtrag je erwähnt und sei damit nicht Gegenstand der der Beklagten eingeräumten Rechte. Entgegen der Annahme der Vorinstanz hätte die Beklagte die Einschränkung ihres Änderungsrechts aufgrund der Formulierung «Die Installation erfolgt im Object-Code» auch ohne entsprechende Aufklärung seitens der Klägerin erkennen müssen. Zudem seien Lizenzverträge nach einer allgemeinen Regel in dem Sinne restriktiv auszulegen, als im Zweifel die Nichtübertragung einzelner Teilrechte anzunehmen sei; dies gelte vorliegend bezogen auf den Source Code umso mehr, als dieser allgemein nur ausnahmsweise an Dritte weitergegeben werde. Da gemäss Ziff. 5.1, 10.1 und 10.5 des Lizenzvertrages alle nachträglichen Vertragsänderungen der Schriftlichkeit bedürften, dürfe auch nicht von einer stillschweigenden Ausdehnung des Lizenzvertrages auf den Source Code ausgegangen werden. Dieser Auffassung stehe das im Lizenzvertrag statuierte Änderungsrecht nicht entgegen, weil Programmänderungen auch dann möglich seien, wenn das Programm allein in Form des Object Code zur Verfügung stehe. Es bestehe demnach kein Rechtsgrund für die Verweigerung ![]() | 6 |
a) Ein Nutzungsrecht an Software kann auf verschiedenen Rechtsgrundlagen erworben werden. In der Regel wird entweder ein - durch die vertraglichen Bestimmungen eingeschränktes - Eigentumsrecht an einer Programmkopie übertragen oder aber, im Falle eines echten Lizenzvertrages, die Software unter Einräumung eines Nutzungsrechts bloss leihweise überlassen (THOMANN, Grundriss des Softwareschutzes, Zürich 1992, S. 51 f.). Der Umfang des Nutzungsrechtes des Nehmers ergibt sich aus den Parteivereinbarungen, welche grundsätzlich nicht formpflichtig sind (Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Auflage, Bern 1996, S. 132). Dies gilt auch für die Frage, ob dem Lizenznehmer der Source Code zur Verfügung gestellt wird oder nicht (BLICKENSTORFER, Der Sourcecode-Escrow, in: Thomann/Rauber (Hrsg.), Softwareschutz, Bern 1998, S. 213 f.).
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Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist bezüglich der Frage, ob die Beklagte aufgrund des Lizenzvertrages auch den Source Code nutzen, insbesondere diesen verändern dürfe, kein übereinstimmender tatsächlicher Parteiwille festzustellen. In diesem Fall sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzipes so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht prüft diese objektivierte Vertragsauslegung im Berufungsverfahren als Rechtsfrage (BGE 123 III 165 E. 3a S. 168; 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen).
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b) aa) Die massgebliche Parteivereinbarung besteht aus einem «Lizenzvertrag für Programmprodukte» vom 19. Dezember 1988 und einem irrtümlich mit 13. Dezember 1988 datierten Nachtrag dazu. Der Lizenzvertrag sieht in Ziff. 1.3 und 6.1 vor, dass der Beklagten das Lizenzmaterial leihweise zur Verfügung gestellt wird, während das Eigentum daran bei der Klägerin verbleibt. Die Nutzungsdauer ist gemäss Ziff. 7 Abs. 1 des Nachtrages unbeschränkt, doch wurde die im Lizenzvertrag (Ziff. 2.6) vorgesehene Möglichkeit der Vertragskündigung beibehalten. Ein Anspruch der Beklagten auf Übertragung des Eigentums am Source Code, wie auch am Object Code, lässt sich demnach aus Lizenzvertrag und Nachtrag nicht ableiten.
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bb) Der Lizenzvertrag enthält allgemeine Vertragsbestimmungen, welche durch die Vereinbarungen im Nachtrag individuell konkretisiert werden. Ziff. 1.2 des Lizenzvertrages statuiert bei Widersprüchlichkeiten ![]() ![]() | 10 |
c) Nach dem Gesagten erbrachte die Klägerin mit der Installation des Source Code eine Leistung, zu der sie nicht verpflichtet war. Ob die Beklagte dies als Offerte zu einer Vertragsänderung verstehen durfte, mit welcher ihr ein Nutzungsrecht auch am Source Code eingeräumt werden sollte, ist, da die Vorinstanz keine tatsächliche Willensübereinstimmung feststellen konnte, wiederum nach Treu und Glauben zu beurteilen. Der im Lizenzvertrag vorgesehene Schriftlichkeitsvorbehalt steht der Annahme einer entsprechenden Vertragsänderung nicht von vornherein entgegen, kann doch namentlich auch durch konkludentes Handeln nachträglich auf die vorbehaltene Form verzichtet werden (BGE 105 II 75 E. 1 S. 78; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 45 zu Art. 16 OR; MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Auflage, Freiburg 1992, S. 225 N. 422). Ausser Betracht hat aber entgegen der Ansicht der Vorinstanz zu bleiben, dass die Klägerin den Source Code während Jahren bei der Beklagten belassen hatte, denn für die Vertrauensauslegung sind lediglich Umstände zu berücksichtigen, welche den Parteien beim Vertragsschluss - bzw. hier bei der Vertragsänderung - bekannt oder erkennbar waren (BGE 107 II 417 E. 6 S. 418).
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Die Überlassung des Source Code vereinfacht die Abänderung der Programme in massgeblicher Weise und ermöglicht die Verwertung des im Programm enthaltenen Know-How. Sie würde gegenüber den anfänglich vereinbarten Vertragsleistungen der Klägerin eine substanzielle Mehrleistung darstellen, welche im Allgemeinen gar nicht, höchstens aber gegen Bezahlung eines diese zusätzlichen Möglichkeiten abgeltenden Preises gewährt wird (BLICKENSTORFER, a.a.O., S. 213 unten f.; FREI, Softwareschutz durch das Patentrecht, in: THOMANN/RAUBER, Softwareschutz, Bern 1998, S. 105). Die Beklagte durfte unter diesen Umständen nicht davon ausgehen, dass die Klägerin ihr diese Leistung freiwillig und ohne entsprechende Gegenleistung zusätzlich zum vertraglich Geschuldeten erbringen wollte. Zu welchem anderen Zweck die Klägerin den Source Code bei der Beklagten installierte, kann dabei offen bleiben, vermöchte doch angesichts des Nachteils, den die Nutzung und Änderung des Source ![]() | 12 |
d) Nach dem Gesagten ist die Beklagte nicht berechtigt, über den Source Code zu verfügen. Die Klägerin kann demnach die Herausgabe der im Source Code gespeicherten Programme sowie die Beseitigung bestehender bzw. das Verbot künftiger Schutzrechtsverletzungen verlangen, sofern sie für die Programme urheberrechtlichen Schutz beanspruchen kann. Computerprogramme gelten als Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (Art. 2 Abs. 3 URG) und sind damit durch dieses geschützt, sofern sie individuellen Charakter haben (Art. 2 Abs. 1 URG; BBl 1989 III 522; Thomann, Softwareschutz durch das Urheberrecht, in: Thomann/Rauber, Softwareschutz, Bern 1998, S. 13). Da die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil zur Beurteilung dieser Frage durch das Bundesgericht nicht ausreichen, ist die Streitsache insoweit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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