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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Mai 2000 i.S. G. gegen S. (Berufung) | |
Regeste |
Nebenfolgen einer im Ausland rechtskräftig geschiedenen Ehe; Klage beim schweizerischen Gericht auf Regelung der Elternrechte; Zuständigkeit. | |
Sachverhalt | |
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Auf die mit Eingabe vom 19. August 1999 in der Schweiz angehobene Klage der G., mit der sie die Regelung der Obhut, des Besuchsrechts und der Unterhaltsbeiträge für den Sohn M. verlangt hatte, trat das Bezirksgericht B. nicht ein und wies das Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen ab. Dem Rekurs von G. gab das Obergericht des Kantons Zürich am 15. Dezember 1999 nicht statt, soweit es darauf eintrat; vielmehr bestätigte es den Beschluss des Bezirksgerichts.
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B.- G. hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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2. Das Obergericht erwog, die Prüfung der indirekten Zuständigkeit der Gerichte jenes Staates, in dem eine Entscheidung ergehe (Art. 25 lit. a IPRG [SR 291]), habe für die Regelung der Kinderbelange im Rahmen einer Scheidung gestützt auf eine separate Anknüpfung nach dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende ![]() | 6 |
Die Klägerin wirft dem Obergericht vor, Art. 85 IPRG sowie Art. 1 MSA verletzt zu haben. Nach diesen Bestimmungen seien im vorliegenden Fall die schweizerischen Gerichte zuständig, Kinderschutzmassnahmen zu treffen. Zwar sehe Art. 4 MSA auch eine Heimatzuständigkeit vor, die indessen gemäss Art. 13 Abs. 2 MSA entfalle, da Jugoslawien nicht Vertragsstaat sei. Ebenso sei keiner der Anwendungsfälle des Übereinkommens gemäss Art. 85 Abs. 2 IPRG vorliegend gegeben. Sowohl nach der Lehre wie nach der vom Bundesamt für Justiz herausgegebenen Information und Erläuterung zum MSA könne ein Urteil über Kindesschutzmassnahmen aus einem Nichtvertragsstaat in der Schweiz nicht anerkannt werden, wenn das Kind dort nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Sei nach schweizerischem Recht aber keine Zuständigkeit eines jugoslawischen Gerichts gegeben, um Kindesschutzmassnahmen anzuordnen, ![]() | 7 |
a/aa) Eine ausländische Entscheidung wird in der Schweiz unter anderem anerkannt, wenn die Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, begründet war (Art. 25 lit. a IPRG). Gestützt auf Art. 1 Abs. 2 bzw. Art. 85 Abs. 1 IPRG gilt für den Schutz von Minderjährigen namentlich in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen das MSA (betreffend die Anerkennung eines ausländischen Urteils über die Zuteilung der elterlichen Gewalt: unveröffentlichter Entscheid der II. Zivilabteilung vom 11. April 1995 in S. P./Vormundschaftsbehörde Illnau-Effretikon, E. 2d mit Hinweisen); dessen Bestimmungen werden für die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung oder Trennung sowie die Ergänzung oder Abänderung von Entscheidungen über Scheidung oder Trennung durch die schweizerischen Gerichte ebenso vorbehalten (Art. 63 und 64 IPRG). Da die Schweiz als Vertragsstaat vom Vorbehalt gemäss Art. 13 Abs. 3 MSA keinen Gebrauch gemacht hat, findet das Übereinkommen auf alle Minderjährigen Anwendung, die hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 13 Abs. 1 MSA; BGE 124 III 179 /80; BÖHMER, in: Das gesamte Familienrecht, Das internationale Recht, Band 2, 7.5, N. 2 zu Art. 13 MSA). Nicht Voraussetzung bildet mit anderen Worten, dass sie einem Vertragsstaat angehören. Nach Art. 85 Abs. 2 IPRG gilt das Abkommen zwar sinngemäss auch für Volljährige oder für Personen, die nur nach schweizerischem Recht minderjährig sind, sowie für solche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem der Vertragsstaaten haben. Diesem, im Verhältnis zu Art. 13 Abs. 1 MSA erweiterten Anwendungsbereich des Übereinkommens kommt indessen im vorliegenden Fall keinerlei Bedeutung zu; denn die derart vorgenommene Ausweitung des Geltungsbereichs ist klarerweise keine umfassende, sondern eine auf die genannten Fälle beschränkte. Der Sohn der Parteien ist nicht nur nach dem schweizerischen Recht minderjährig, und er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, also in einem Vertragsstaat. Gemäss Art. 1 MSA sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden desjenigen Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Art. 3, 4 und 5 Abs. 3 zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Keiner dieser Vorbehalte greift vorliegend Platz. Einmal liegt angesichts der behördlichen Schutzmassnahmen ![]() | 8 |
a/bb) Unter die vom MSA beherrschten Schutzmassnahmen fallen die Zuteilung der elterlichen Gewalt sowie die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen Eltern und Kindern (BGE 123 III 411 E. 2a/bb S. 413; BGE 124 III 176 E. 4 S. 179, je mit Hinweisen); vom Anwendungsbereich ausgeschlossen ist dagegen die Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen, für welche das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (SR 0.211.221.431) freilich nur Regeln über das anzuwendende Recht aufstellt (BGE 124 III 176 E. 4 S. 179). Indessen gilt nach schweizerischem Recht, dem laut Art. 61 Abs. 1 IPRG Scheidung und Trennung bei Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte unterstehen, einerseits der Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (BGE 113 II 97 E. 2 S. 98 mit Hinweisen). Dieses Prinzip lässt sich auch auf das schweizerische internationale Privatrecht übertragen, unter dem einzigen und ausschliesslichen Vorbehalt internationaler Verträge; sein Gegenstück bildet bei internationalen Kompetenzkonflikten die Regelung in Art. 63 Abs. 1 IPRG, wonach die für Klagen auf Scheidung oder Trennung zuständigen schweizerischen Gerichte auch für die Regelung der Nebenfolgen zuständig sind; zu diesen Nebenfolgen zählen auch die Kinderbelange (unveröffentlichter Entscheid der II. Zivilabteilung vom 18. Dezember 1998 i.S. R./R. E. 3bb mit Hinweisen). Anderseits gilt hinsichtlich der Ordnung sämtlicher Kinderbelange, ![]() | 9 |
b) Kann ein bezüglich der Kinderbelange in Jugoslawien ergehendes Urteil in der Schweiz demnach nicht anerkannt werden, so ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, damit die "Teilscheidungsklage" der Klägerin an die Hand genommen wird. Es kann somit offen bleiben, ob dies bereits gestützt auf Art. 9 IPRG hätte der Fall sein müssen.
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