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61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juni 2000 i.S. D. gegen Konkordia (Berufung) | |
Regeste |
Übergangsrechtliche Bestandesgarantie (Art. 102 Abs. 2 Satz 3 KVG). | |
Sachverhalt | |
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"Entfällt der Tarifschutz bei Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen gemäss den kantonalen Ansätzen sowie bei Rechnungen von Nichtkassenärzten, deckt die Privatpatienten-Versicherung PPV gegen einen Prämienzuschlag auf der Basisversicherung A die Kosten der ärztlichen Behandlung nach den von der Konkordia anerkannten Privattarifen" (Ziff. 1).
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"In der Privatpatienten-Versicherung PPV gelten die gleichen Kostenbeteiligungen wie in der Basisversicherung A" (Ziff. 2).
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Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des KVG am 1. Januar 1996 hob die Konkordia die PPV auf. Dafür bot sie ihren Mitgliedern die Zusatzversicherung "DIVERSA plus" an und teilte D. in diese um. "DIVERSA plus" deckt - wie schon die frühere PPV - die Kosten der ambulanten Behandlung ab, nicht aber jene der stationären Behandlung, für deren Deckung eine Spitalzusatzversicherung separat abgeschlossen werden muss. Gemäss Art. 17 der Zusätzlichen Versicherungsbedingungen (Ausgabe 1997) deckt die Zusatzversicherung "DIVERSA plus" nur noch die Kosten von Ärzten, die es abgelehnt haben, ihre Leistungen nach dem Tarif der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu erbringen (Ausstandsärzte), und zwar in der Höhe von 75% bzw. jährlich höchstens 2'000 Franken. Damit entfiel der Versicherungsschutz für Kosten von Kassenärzten, die den Patienten nach einem den vertraglich oder behördlich festgesetzten Tarif übersteigenden Privattarif Rechnungen stellen.
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B.- D. vertritt den Standpunkt, dass mit dieser Umteilung der bisherige Umfang des Versicherungsschutzes nicht mehr gewährleistet und die übergangsrechtliche Bestandesgarantie von Art. 102 Abs. 2 KVG verletzt worden sei. Da die Konkordia sich weigerte, ihr einen Versicherungsvertrag anzubieten, der weiterhin die Kosten nach dem Privattarif decken würde, erhob D. am 21. Januar 1997 beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die Konkordia Klage mit folgendem Rechtsbegehren:
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Mit Beschluss vom 13. Mai 1997 trat das Sozialversicherungsgericht auf die Klage nicht ein. Dieser Nichteintretensbeschluss wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 13. November 1997 aufgehoben und die Sache zur materiellen Entscheidung ans Sozialversicherungsgericht zurückgewiesen (BGE 124 III 44 ff.). In dem vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in der Folge angeordneten Schriftenwechsel hielten die Parteien an ihren Anträgen auf Gutheissung bzw. Abweisung der Klage fest. Mit Urteil vom 25. Juni 1999 erkannte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich:
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"1. In Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet der Klägerin einen Versicherungsvertrag anzubieten, der mindestens den bis 31. Dezember 1995 bestandenen Umfang des Versicherungsschutzes im Sinne der Erwägungen gewährt."
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C.- Trotz Gutheissung ihrer Klage vertritt D. die Auffassung, dass ihrem Rechtsbegehren nicht vollständig entsprochen worden sei und stellt dem Bundesgericht mit Berufung vom 31. August 1999 folgende Anträge:
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"1. Es sei das Urteil der Vorinstanz vom 25. Juni 1999 insoweit aufzuheben, als es den Privatpatientenstatus gemäss Art. 34 des Reglementes Basisversicherung A (Ausgabe 1995) nicht in den Besitzstand einschliesst.
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2. Es sei insoweit die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Versicherungsvertrag anzubieten, der - unter Einschluss des Privatpatientenstatus - den bis 31. Dezember 1995 bestandenen Umfang des Versicherungsschutzes gewährt."
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Die Konkordia beantragt die Abweisung der Berufung. Das Sozialversicherungsgericht verzichtet auf Gegenbemerkungen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. a) Nach dem Krankenversicherungsgesetz vom 13. Juni 1911 (KUVG), welches bis am 31. Dezember 1995 gültig gewesen war, durften Ärzte und Kassen einen nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten abgestuften Tarif und Tarifschutz vorsehen (Art. 22-22ter KUVG). Versicherte in sehr guten wirtschaftlichen ![]() | 14 |
b) Mit Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes über die Krankenversicherung am 1. Januar 1996 (KVG, SR 832.10) hoben die Krankenkassen diese Zusatzdeckung ersatzlos auf oder beschränkten sie auf die Behandlungskosten durch Ausstandsärzte. Das KVG kennt keinen nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten abgestuften Tarif mehr. Der Gesetzgeber hat vom früheren System bewusst Abstand genommen und mit dem KVG ein einheitliches System des Tarifschutzes unter Wahrung der Gleichbehandlung der Versicherten eingeführt (BBl 1992 I 175). Gemäss Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KVG müssen die Leistungserbringer sich an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise halten und dürfen für Leistungen nach diesem Gesetz keine weiteren Vergütungen berechnen (Tarifschutz). Lehnt ein Leistungserbringer es ab, Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen (Ausstand), hat er keinen Anspruch auf Vergütung nach diesem Gesetz, wobei er die Versicherten zuerst darauf hinzuweisen hat (Art. 44 Abs. 2 KVG). Die Kosten für die Leistungen von Ärzten, welche die Erbringung von Leistungen zu den gesetzlichen Tarifen abgelehnt haben (sog. Ausstandsärzte), müssen von den Versicherten als Selbstzahler bezahlt oder durch eine Zusatzversicherung abgedeckt werden (BBl 1992 I 177; RKUV 1996 S. 129 ff.).
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c) Die Beklagte beschränkt ihre Zusatzversicherung "DIVERSA plus" auf die Behandlungskosten von Ausstandsärzten. Sie lehnt es ab, die von Kassenärzten für gesetzliche Leistungen in Rechnung gestellten höheren Privattarife zu versichern. Differenzen zwischen dem (vertraglich oder behördlich) festgelegten Tarif und von Kassenärzten in Rechnung gestellten Privattarifen werden nicht gedeckt.
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a) Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich insoweit um über den Leistungsumfang nach Art. 34 Abs. 1 KVG hinaus gehende ![]() | 19 |
b) Im stationären Bereich wird die Differenz zwischen den festgelegten Tarifen und den Privattarifen durch Spitalzusatzversicherungen abgedeckt. Die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung erfassen nur den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals (Art. 25 Abs. 2 lit. e KVG), nicht aber den Aufenthalt in der privaten oder halbprivaten Abteilung. Bei diesem handelt es sich um über den Leistungsumfang von Art. 34 Abs. 1 KVG hinausgehende Leistungen, die demzufolge vom Tarifschutz nicht erfasst werden (vgl. dazu ALFRED MAURER, Verhältnis obligatorische Krankenversicherung und Zusatzversicherung, in: LAMal-KVG Recueil de travaux, Lausanne 1997, S. 726 f.; RAYMOND SPIRA, Le nouveau régime de l'assurance-maladie complémentaire, SVZ 63/1995 S. 197 f.).
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Ebenso wenig steht im ambulanten Bereich einer Abrechnung ausserhalb des festgesetzten Tarifs etwas entgegen, wenn es um die Vergütung echter Mehrleistungen geht, die über den Leistungsumfang der obligatorischen Krankenpflegeversicherung hinaus gehen. Die Leistung muss aber ein "Plus" darstellen; es genügt nicht, wenn sie nur "an Stelle" der Leistungen im Sinn von Art. 34 KVG erbracht ist (SPIRA, a.a.O., S. 198). SPIRA nennt als Beispiele für Zusatzleistungen, die von Zusatzversicherungen übernommen werden können, etwa die von der Grundversicherung nicht übernommenen Kosten für Spitex, Badekuren, Transport- und Rettungskosten, Zahnbehandlung sowie für im Ausland durchgeführte Behandlungen (a.a.O., S. 198). Dagegen handelt es sich bei den von MAURER erwähnten Leistungen im ambulanten Bereich - der Arzt nehme sich für Privatpatienten bei der Erklärung der Krankheiten mehr Zeit, er studiere in Problemfällen über das übliche Mass Literatur, er statte ![]() | 21 |
c) Daran ändert auch der Hinweis von MAURER nichts, dass der Tarifschutz gemäss Art. 44 Abs. 1 KVG den Leistungserbringern lediglich untersage, einseitig Zusatzhonorare zu beanspruchen, dass diese Bestimmung aber nicht verbiete, Vereinbarungen mit den Versicherten über den Privatpatientenstatus und damit über die Festlegung eines Zusatzhonorars zu treffen (a.a.O., S. 227). Es steht der obligatorisch versicherten Person frei, statt einer Behandlung nach den Bedingungen der sozialen Krankenversicherung den Status eines Privatpatienten zu wählen. Eine andere Frage ist aber, ob der Patient in diesem Fall Leistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung beanspruchen kann. Im stationären Bereich kann die betroffene Person in Anwendung der Austauschbefugnis (siehe dazu BGE 120 V 280 E. 4a S. 285 f. m.w.H.) jene Leistung beanspruchen, welche der Versicherer hätte erbringen müssen, wenn sie sich als Kassenpatient hätte behandeln lassen (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: KOLLER/MÜLLER/RHINOW/ZIMMERLI, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel 1998, S. 109 Rz. 218 und S. 173 Rz. 325; MAURER, a.a.O., S. 714 f.). Im ambulanten Bereich dagegen steht die ratio legis von Art. 41 Abs. 1 Satz 1, aber auch von Art. 44 KVG einem solchen Vorgehen entgegen. Die beliebige Wahl zwischen Privat- und Kassentarif würde nicht nur den Zielen des Tarifschutzes zuwiderlaufen (vgl. E. 1b), sondern auch die freie Wahl der Leistungserbringer berühren. Ärzte mit besonderen medizinischen Spezialitäten hätten die Möglichkeit, sich auf die Behandlung von Privatpatienten zu konzentrieren, wodurch die übrigen Patienten Benachteiligungen erfahren könnten, indem der Zugang zu gesetzlichen Pflichtleistungen unter Tarifschutz erschwert oder gar verunmöglicht werden könnte. Eines der Ziele des KVG ist es aber, mit der Neuordnung im ambulanten Bereich die Zwei- oder Mehrklassentarife zur Vermeidung einer Zweiklassenmedizin zu eliminieren (GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 173 Rz. 325).
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4. Von der Tatsache allein, dass unter der Herrschaft des KUVG im ambulanten Bereich auf dem normalen Tarif Zuschläge ![]() | 23 |
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