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66. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Juli 2000 i.S. Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft gegen A. (Berufung) | |
Regeste |
Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs gemäss Art. 423 Abs. 1 OR. | |
Sachverhalt | |
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Mit Klage vom 15. August 1997 belangte der Kläger den Beklagten auf Bezahlung von DM 28'000.- nebst Zins. Mit Urteil vom 12. Januar 2000 wies das Kantonsgericht (III. Zivilkammer) St. Gallen die Klage ab.
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Das Bundesgericht heisst die vom Kläger erhobene Berufung teilweise gut und weist die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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aa) Sowohl Ansprüche aus unerlaubter Handlung als auch solche aus ungerechtfertigter Bereicherung verjähren in einem Jahr seit Kenntnis des Anspruchs (Art. 60 Abs. 1 und 67 Abs. 1 OR). Nach den Feststellungen der Vorinstanz erfolgte die (bestrittene) Urheberrechtsverletzung des Beklagten im Jahre 1991, wobei der Kläger vom schädigenden Ereignis und vom Schädiger spätestens 1995 Kenntnis hatte. Nachdem die Klageeinreichung erst im Jahre 1997 erfolgte - eine andere verjährungsunterbrechende Handlung gemäss Art. 135 OR wird nicht geltend gemacht - ist die einjährige Verjährungsfrist abgelaufen.
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bb) Wird die Klage aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für die das Strafrecht eine längere Verjährung vorschreibt, so gilt diese auch für den Zivilanspruch (Art. 60 Abs. 2 OR). Diese Ausnahmeregelung bezweckt, die Vorschriften des Zivil- und Strafrechts im ![]() | 6 |
Im vorliegenden Fall begann die dreijährige strafrechtliche Verjährungsfrist gemäss Art. 51 Abs. 1 aURG mit der Begehung der Verletzung - also 1991 - zu laufen (Art. 71 StGB). Die Frist war somit bei Klageeinreichung im Jahre 1997 abgelaufen und daher ein Anspruch aus unerlaubter Handlung auch dann verjährt, wenn als massgebende Verjährungsfrist die strafrechtliche herangezogen wird (Art. 60 Abs. 2 OR).
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b) Weil allfällige direkte Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung verjährt sind, kann eine Haftung des Beklagten nur in Frage kommen, wenn einer Forderung auf Gewinnherausgabe gemäss Art. 423 Abs. 1 OR nicht auch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht. Die Vorinstanz hielt dafür, dass auch der Gewinnherausgabeanspruch der einjährigen Verjährungsfrist unterliegt; sie wies die Klage deshalb ab.
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aa) Wurde die Geschäftsführung nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn unternommen, so ist dieser gemäss Art. 423 Abs. 1 OR gleichwohl berechtigt, sich die aus der Führung seiner Geschäfte entspringenden Vorteile anzueignen. Nach einhelliger Auffassung findet diese Bestimmung jedenfalls auf die dem Beklagten im vorliegenden Fall vorgeworfene bösgläubige unechte Geschäftsführung ohne Auftrag - auch Eigengeschäftsführung oder Geschäftsanmassung genannt - Anwendung (BGE 126 III 69 E. 2a S. 72 mit Hinweisen). Ob deren Voraussetzungen gegeben sind, kann offen gelassen werden, sofern sich nachfolgend ![]() | 9 |
bb) In einem Entscheid aus dem Jahre 1960 hat das Bundesgericht festgehalten, auf den Anspruch des Geschäftsführers auf Ersatzleistung durch den Geschäftsherrn gemäss Art. 423 Abs. 2 OR seien die Bestimmungen über die Verjährung der Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung anwendbar (BGE 86 II 18 E. 7 S. 26). Über die Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs gemäss Art. 423 Abs. 1 OR hat sich das Bundesgericht allerdings nicht ausgesprochen.
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cc) Ein Teil der Lehre hält dafür, auf den Gewinnherausgabeanspruch gemäss Art. 423 Abs. 1 OR die 10-jährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR anzuwenden (ENGEL, Contrats de droit suisse, 2. Aufl., S. 574; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht Besonderer Teil, 5. Aufl., S. 316; DAVID, Der Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, 2. Aufl., in: von Büren/David, SIWR Band I/2, S. 112/3; CHAPPUIS, La restitution des profits illégitmes, Diss. Genf 1990, S. 59; EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil [fortan OR AT], 2. Aufl., S. 663; derselbe, Obligationenrecht Besonderer Teil [fortan OR BT], 3. Aufl., S. 262; GAUTSCHI, Berner Kommentar, N. 8d zu Art. 423 OR; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 423 OR; vgl. auch die weiteren Nachweise bei SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 132 zu Art. 423 OR; zur Anwendbarkeit der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist in Deutschland vgl. SOERGEL-BEUTHIEN, 12. Aufl., N. 6 zu § 687 BGB). Begründet wird diese Auffassung einerseits damit, dass sich ein Abweichen von der ordentlichen Verjährungsfrist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht rechtfertige (vgl. etwa DAVID, a.a.O.; dazu allgemein BUCHER, OR AT, S. 455). Anderseits wird auch geltend gemacht, für die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag solle im Vergleich zur echten Geschäftsbesorgung - wo auf die gegenseitigen Ansprüche nach herrschender Auffassung grundsätzlich die 10-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt (vgl. statt vieler SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 83 zu Art. 422 mit Hinweisen) - keine kürzere Verjährung gelten, und es sei der Eigengeschäftsführer bezüglich der Gewinnherausgabe gleich zu behandeln wie der Fremdgeschäftsführer (vgl. dazu die Hinweise bei SCHMID, Die Geschäftsführung ohne Auftrag [fortan Geschäftsführung], Freiburg 1992, S. 280/1 Rz. 868/9).
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dd) Nach einem anderen Teil der Doktrin ist auf den Gewinnherausgabeanspruch bei unechter Geschäftsführung ohne Auftrag ![]() | 12 |
ee) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag - also die berechtigte Fremdgeschäftsführung - lässt zwischen Geschäftsherrn und -führer trotz Fehlens einer vorbestehenden Rechtsbeziehung Rechte und Pflichten entstehen, welche jenen zwischen Auftraggeber und Beauftragtem nachgebildet sind (vgl. etwa Art. 420 Abs. 1 sowie Art. 422 Abs. 1 und 2 OR). Namentlich in Bezug auf diese Konstellation wird anschaulich von einem "Quasi-Kontrakt" oder einem vertragsähnlichen Verhältnis, bisweilen auch von einem faktischen Vertragsverhältnis gesprochen (vgl. etwa GUHL/SCHNYDER, 9. Aufl., S. 558 Rz. 37; ENGEL, a.a.O., S. 567; SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 18 der Vorbemerkungen zu Art. 419-424 OR).
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Von dieser berechtigten Fremdgeschäftsführung unterscheidet sich die hier in Frage stehende bösgläubige Geschäftsanmassung erheblich. Während dort Interessen des Geschäftsherrn wahrgenommen werden, wird hier zum eigenen Vorteil unberechtigt in eine fremde Rechtssphäre - namentlich in absolute Rechte - eingegriffen. Daraus wird ersichtlich, dass die Art. 419 ff. OR sehr unterschiedliche Tatbestände erfassen (HOFSTETTER, a.a.O., S. 177), welche verjährungsrechtlich nicht zwingend denselben Regeln zu folgen brauchen.
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Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangenen Entscheid festgehalten, die ratio legis von Art. 423 Abs. 1 OR bestehe darin zu verhindern, dass sich eine unerlaubte Handlung ("un acte illicite") auszahle (BGE 126 III 69 E. 2b S. 73; vgl. auch BGE 97 II 169 E. 3a S. 178; SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 93 zu Art. 423 OR mit Hinweisen). Darin gelangt der deliktsrechtliche Charakter der bösgläubigen ![]() | 15 |
Nachdem sich somit die bösgläubige Geschäftsanmassung eher als deliktischer denn als vertragsähnlicher Tatbestand charakterisiert, rechtfertigt es sich, mit der Vorinstanz und einem Teil der Lehre die deliktsrechtlichen Verjährungsregeln auch auf den Gewinnherausgabeanspruch bei bösgläubiger Geschäftsanmassung zur Anwendung zu bringen (vgl. dazu die Nachweise in E. 4b/dd hievor). Dem Argument, diese Lösung sei unter Wertungsgesichtspunkten unbefriedigend, da sie zu einer verjährungsrechtlichen Privilegierung des Eigengeschäftsführers gegenüber dem Fremdgeschäftsführer führe ist entgegenzuhalten, dass die Besserstellung des ausservertraglichen Schädigers gegenüber dem vertraglich (bzw. in casu dem vertragsähnlich) Verpflichteten den im Gesetz zum Ausdruck gelangenden Wertungen nicht fremd ist. So werden etwa unerlaubte Handlungen gegenüber Vertragsverletzungen nicht nur in Bezug auf die Verjährung (vgl. Art. 60 und 127 OR), sondern in gewisser Hinsicht auch in Bezug auf die Beweislast für das Verschulden (vgl. Art. 41 und 97 OR) oder die Hilfspersonenhaftung (vgl. Art. 55 und 101 OR) privilegiert.
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