![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. September 2000 i.S. Siska Heuberger Holding AG und BW Holding AG gegen Klimavent AG (Berufung) | |
Regeste |
Zur Identität des Grundstücks bei der vorläufigen und bei der definitiven Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts. | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
B.- In der gegen die beiden Miteigentümerinnen erhobenen Klage verlangte die Klimavent AG, es sei zu Lasten der hälftigen Miteigentumsanteile an der Stockwerkeinheit je ein Bauhandwerkerpfandrecht von Fr. 13'060.04 nebst Zins definitiv einzutragen. Mit Urteil vom 16. Mai 1998 gab das Bezirksgericht Frauenfeld diesem Begehren statt. Die gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Berufung der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 3. Juni 1998 ab.
| 2 |
C.- Die Beklagten haben eidgenössische Berufung erhoben mit dem Begehren, die Ziffern 1 und 2 des obergerichtlichen Urteils aufzuheben und das Grundbuchamt Frauenfeld anzuweisen, die zu Lasten ihrer Miteigentumsanteile vorläufig eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte zu löschen. Klägerin und Obergericht beantragen Abweisung der Berufung.
| 3 |
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
| 4 |
Aus den Erwägungen: | |
5 | |
2. a) Miteigentumsanteile an Grundstücken sind Grundstücke im Sinne des Gesetzes (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB). Gemäss Art. 646 Abs. 3 ZGB hat jeder Miteigentümer für seinen Anteil die Rechte und Pflichten eines Eigentümers, und es kann dieser Anteil ![]() | 6 |
b) Miteigentumsanteile können mit Bauhandwerkerpfandrechten belastet werden (BGE 111 II 31 E. 3). Grundsätzlich hat der Bauunternehmer die Wahl, ob er die Gesamtliegenschaft oder die einzelnen Miteigentumsanteile - anteilsmässig - belasten will (SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. Aufl. Zürich 1982, S. 89, Rz. 354, vgl. BGE 111 II 31 E. 3). Beim Stockwerkeigentum als Sonderfall des Miteigentums können wertvermehrende Leistungen zum Zweck der individuellen Ausgestaltung der Stockwerkeinheit nur durch ein Baupfand auf dem jeweiligen Miteigentumsanteil gesichert werden (BGE 111 II 31 E. 4b; BGE 112 II 214 E. 4; BGE 125 III 113 E. 3a), während der Bauunternehmer für die Bauarbeiten an gemeinschaftlichen Bauteilen die Wahl behält, entweder die Gesamtliegenschaft zu belasten oder die Forderung auf die Stockwerkeinheiten aufzuteilen (SCHUMACHER, a.a.O., S. 97, Rz. 383). Eingeschränkt ist das Wahlrecht freilich dadurch, dass die Sache selber nicht mehr mit Grundpfandrechten belastet werden kann, wenn an den Miteigentumsanteilen bereits Pfandrechte bestehen (Art. 648 Abs. 3 ZGB), was auch für das Bauhandwerkerpfandrecht als mittelbares gesetzliches Pfandrecht gilt (BGE 113 II 157).
| 7 |
c) aa) Nach Art. 839 Abs. 2 ZGB hat die Eintragung des Pfandrechts der Handwerker und Unternehmer bis spätestens drei Monate nach der Vollendung ihrer Arbeit zu geschehen. Die Eintragung ![]() | 8 |
bb) Bereits aus dem Zusammenhang zwischen vorläufiger und definitiver Eintragung des Pfandrechts folgt, dass das belastete Grundstück sowohl bei der vorläufigen als auch bei der definitiven Eintragung identisch sein muss. Dies ergibt sich aber auch aus einer anderen Überlegung:
| 9 |
Da das Pfandrecht an der Sache und jenes am Anteil rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben, kann es zwischen ihnen kein Rangverhältnis im Sinne von Art. 813 ff. ZGB geben. Die Pfandrechte stehen vielmehr je unter sich in einem eigenen Rangverhältnis (BGE 95 I 568 E. 1 S. 571; BRUNNER/WICHTERMANN, Basler Kommentar, N. 31 zu Art. 646 ZGB). Das Pfandrecht ist mit dem Grundstück, an welchem es errichtet ist, fest verbunden. Eine Verlegung kann allenfalls bei einer Baulandumlegung erforderlich werden (BGE 95 II 22; SCHUMACHER, a.a.O., S. 83 f., Rz. 328 ff.). Hingegen ist es nicht möglich, die innert Frist erfolgte Vormerkung einer vorläufigen Eintragung auf ein anderes Grundstück zu übertragen, und zwar auch dann nicht, wenn die Vormerkung der vorläufigen Eintragung auf dem Gesamtgrundstück erfolgt ist, für die definitive Eintragung aber eine Verlegung auf die Miteigentumsanteile verlangt wird. Solches zuzulassen trüge dem Umstand nicht Rechnung, dass Miteigentumsanteile eigene, vom Gesamtgrundstück verschiedene Grundstücke sind.
| 10 |
cc) Eine Eintragung des Pfandrechts auf den beiden Miteigentumsanteilen der Beklagten ist bisher nicht erfolgt. Die Frist von drei ![]() | 11 |
12 | |
b) Das Obergericht und die Klägerin erachten es als formalistisch, wenn ein rechtzeitig auf dem Gesamtgrundstück eingetragenes Pfandrecht nach Ablauf der Eintragungsfrist nicht auf die Miteigentumsanteile übertragen und auf diesen definitiv eingetragen werden kann. Von der sachenrechtlichen Gestaltung der Rechtsverhältnisse kann allerdings nicht schon deshalb abgewichen werden, weil das Verwertungssubstrat das nämliche ist. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise wäre allenfalls dann möglich, wenn das Gesetz selber einen wirtschaftlichen Anknüpfungspunkt wählt, was hier nicht zutrifft, oder wenn eine Gesetzesumgehung bzw. ein Verstoss gegen Art. 2 ZGB vorläge (RIEMER, Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Auslegung im Privatrecht?, in Festgabe Juristentag 1994, Zürich 1994, S. 134 ff.). Davon kann indes keine ![]() | 13 |
Das Obergericht übersieht auch die Probleme, welche eine solche Übertragung mit sich brächte. In der Zwischenzeit können nämlich weitere Pfandrechte eingetragen worden sein. Es ist bereits ausgeführt worden, dass die Sache selber nicht mehr mit Grundpfandrechten belastet werden kann, wenn an den Miteigentumsanteilen bereits Pfandrechte bestehen (Art. 648 Abs. 3 ZGB). Da das Pfandrecht an der Sache und jenes am Anteil rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben, kann es zwar kein Rangverhältnis zwischen ihnen geben (E. 2c/bb); weil sie aber über dasselbe Verwertungssubstrat verfügen, muss trotzdem nach dem Prinzip der Alterspriorität das ältere Pfandrecht dem jüngeren vorgehen. Um unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Pfandverwertung zu vermeiden, haben Pfandrechtsbelastungen an der Sache so zu erfolgen, dass die Pfandrechte an den Anteilen nachgehen (BGE 95 I 568). Könnte nun ein provisorisch auf der Sache eingetragenes Pfandrecht später auf die Miteigentumsanteile übertragen werden, so ginge ein in der Zwischenzeit noch zulässigerweise auf der Sache eingetragenes Pfandrecht dem auf die Miteigentumsanteile übertragenen früheren Pfandrecht nach, was mit Art. 648 Abs. 3 ZGB nicht zu vereinbaren wäre. Ähnlich problematisch wäre es, wenn zwischenzeitlich weitere Eintragungen auf die Miteigentumsanteile erfolgt sein sollten. Ein Pfandrecht, das bei der Eintragung noch den ersten Rang belegt, stünde nach einer Übertragung des zuvor auf dem Gesamtgrundstück eingetragenen Pfandrechts plötzlich im zweiten Rang, was die jedem Grundstück eigene Rangordnung in der Pfandbelastung missachten würde (vgl. E. 2c/bb).
| 14 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |