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8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Dezember 2000 i.S. A.R. gegen B.R (Berufung) | |
Regeste |
Anschlussprivileg des Ehegatten (Art. 111 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 5 SchKG). Güterrechtliche Ansprüche bei fortbestehendem Güterstand. Übergangsrecht (Art. 9b-d SchlT ZGB). Art. 163 und 165 ZGB. |
Möglichkeit der Geltendmachung güterrechtlicher Ansprüche ausserhalb einer umfassenden güterrechtlichen Auseinandersetzung (E. 3a/cc). |
Übergangsrecht bezüglich der altrechtlichen Ersatzforderung der Ehefrau für eingebrachtes und nicht mehr vorhandenes Frauengut (E. 3a/dd und ee). |
Art. 163 und Art. 165 ZGB sind auch anwendbar, wenn ein Ehegatte die Verwaltung seines Vermögens dem anderen überlässt. Die Bestimmungen des Auftragsrechts bzw. über die ungerechtfertigte Bereicherung sind nur anwendbar, wenn die Leistungen zu einem anderen Zweck als zum Familienunterhalt oder als Beitrag zum Beruf oder Gewerbe des anderen erfolgten (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 11. September 1997 wurde B.R. von der Schweizerischen Eidgenossenschaft für Fr. 13'003.- betrieben. Am 20. Dezember 1997 verlangte A.R. die Anschlusspfändung für Fr. 434'317.-. Das Betreibungsamt BernMittelland pfändete den Liquidationsanteil B.R.'s an der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft sowie ab 22. Dezember 1997 Fr. 2'840.- monatlich von seinem Einkommen. Da B.R. die mit Anschlusspfändung geltend gemachten Ansprüche bestritt, reichte A.R. am 19. Juli 1998 beim Gerichtspräsident 3 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen Klage ein mit dem Antrag, ihre mit Anschlusspfändung geltend gemachte Forderung von (inklusive Pfändungskosten) Fr. 434'539.85 anzuerkennen und das Betreibungsamt anzuweisen, die provisorische Anschlusspfändung definitiv zu vollziehen. Der Gerichtspräsident wies die Klage "zur Zeit" ab, soweit die Klägerin Ansprüche aus Eigengut, als Ersatzforderung für die Tilgung vorehelicher Schulden und aus hälftigem Liegenschaftsunterhalt geltend mache; soweit weitergehend wies er die Klage ab. Er wies das Betreibungsamt an, die provisorische Anschlusspfändung aufzuheben.
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Auf Appellation der Klägerin hin bestätigte der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, den erstinstanzlichen Entscheid.
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C.- Gegen das Urteil des Appellationshofes hat die Klägerin sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Berufung eingereicht. Das Bundesgericht hat die Beschwerde mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Mit ihrer Berufung verlangt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Gutheissung der Klage. Der Beklagte beantragt, auf die Berufung ![]() | 4 |
Aus den Erwägungen: | |
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Die Klägerin entgegnet, die von ihr geltend gemachten Ansprüche könnten auch ohne Vornahme einer güterrechtlichen Auseinandersetzung beurteilt werden. Wollte man das Anschlussprivileg gemäss Art. 111 SchKG von der güterrechtlichen Auseinandersetzung abhängig machen, so wäre diese Bestimmung sinn- und nutzlos.
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a) aa) Die Möglichkeit, Klage zu erheben und ein Urteil zu erwirken, gilt als Reflex des objektiven Rechtes (MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 194 f.). Soweit es um Ansprüche aus Bundesrecht geht, beruht das Klagerecht darauf. Ob die von der Klägerin erhobenen Ansprüche "zur Zeit" geltend gemacht werden können und insoweit zulässig sind, oder ob sie nur im Rahmen einer umfassenden güterrechtlichen Auseinandersetzung geltend gemacht werden können, ist eine Frage des Bundesrechts.
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bb) Nach dem am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen revidierten Art. 111 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG kann der Ehegatte des Schuldners - ohne Beschränkungen hinsichtlich der Art der betroffenen Schuld - die privilegierte Anschlusspfändung erklären. Da er dabei von einer vorgängigen Betreibung entbunden ist, stellt sich die Frage, ob die geltend gemachte Forderung fällig sein muss.
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Das Bundesgericht hat in BGE 107 III 15 E. 2 S. 17 festgehalten, die Anschlussmöglichkeit setze die Fälligkeit bzw. jedenfalls den Bestand der Forderung voraus. Die Entstehungsgeschichte des Art. 111 SchKG zeigt, dass der privilegierte Anschluss für fällige Forderungen gedacht war. Die Bestimmung diente unter altem Eherecht der Milderung des Verbots der Zwangsvollstreckung unter den Ehegatten, indem sich diese immerhin den Pfändungen Dritter anschliessen konnten und nicht tatenlos zusehen mussten, wie das Haftungssubstrat für ihre Forderungen verloren ging. Bei der Revision des Eherechts wurde trotz Aufhebung des Verbots der Zwangsvollstreckung ![]() | 10 |
cc) Die Klägerin verlangt keine umfassende güterrechtliche Auseinandersetzung, wie sie bei Anordnung einer Gütertrennung oder auch bei Scheidung oder Trennung stattfinden müsste. Das kann sie aber nicht hindern, einzelne güterrechtliche Ansprüche ohne Auflösung des Güterstandes geltend zu machen. Es besteht weder eine ausdrückliche noch dem ehelichen Güterrecht immanente Schranke, die der Geltendmachung güterrechtlicher Ansprüche und deren Beurteilung ausserhalb einer umfassenden güterrechtlichen Auseinandersetzung prinzipiell entgegenstünde. Es liegt an der Klägerin abzuwägen, ob es opportun sei, das Güterrecht der Ehegatten betreffende Ansprüche ohne umfassende Auseinandersetzung geltend zu machen. Vorausgesetzt ist nach dem Gesagten, dass die betroffenen Forderungen bereits entstanden und fällig sind. Soweit die Forderungen fällig und die Klägerin mithin zu ihrer Geltendmachung im Verfahren der privilegierten Anschlusspfändung berechtigt ist, steht die Rechtskraftwirkung des entsprechenden Entscheids (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., Bern 1997, S. 209 N. 52) der Beurteilung ihrer Ansprüche ![]() | 11 |
dd) Die Parteien unterstehen nach den Feststellungen der Vorinstanz dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, welcher mit der Eherechtsrevision die Güterverbindung ablöste (Art. 9b Abs. 1 SchlT ZGB). Grundsätzlich richtet sich die güterrechtliche Auseinandersetzung nach Inkrafttreten des neuen Eherechts nach den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung (Art. 9d Abs. 1 SchlT ZGB). Nach Art. 9c SchlT ZGB sind aber die altrechtlichen Bestimmungen über die Ersatzforderungen der Ehefrau für das eingebrachte und nicht mehr vorhandene Frauengut bei Pfändung von Vermögenswerten des Ehemannes noch während zehn Jahren nach Inkrafttreten des neuen Rechts (1. Januar 1988) anwendbar. Während dieser Zeitspanne, d.h. bis zum 31. Dezember 1997, konnte die Ehefrau gemäss Art. 210 Abs. 1 aZGB bei Pfändung von Vermögenswerten des Ehemannes ihre Ersatzforderung für das eingebrachte und nicht mehr vorhandene Frauengut geltend machen. Dieser Schutz - der nach Ablauf der Zehnjahresfrist entfiel - sollte der Ehefrau ermöglichen, die ihr nach neuem Recht zustehende Verwaltung und Nutzung ihres Eigengutes (Art. 201 Abs. 1 ZGB) auch über diejenigen Vermögenswerte auszuüben, die bisher als eingebrachtes Frauengut durch den Ehemann verwaltet wurden bzw. in sein Eigentum übergegangen waren und die beim Übergang in den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung nicht mehr vorhanden waren (BBl 1979 II 1365). Vorliegend hatte die Hauptpfändung im Jahre 1997 und damit noch während der zehnjährigen Übergangsfrist stattgefunden und damit die Fälligkeit einer allfälligen Ersatzforderung für nicht mehr vorhandenes Frauengut ausgelöst. Die Klägerin verlangte die Anschlusspfändung am 20. Dezember 1997.
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ee) Die Klägerin hat somit das Recht, ihre Ersatzforderung für eingebrachtes, nicht mehr vorhandenes Frauengut im Pfändungsanschlussverfahren geltend zu machen. Zum eingebrachten Gut der Ehefrau gehört nach Art. 195 Abs. 1 aZGB, was ihr zur Zeit der Eheschliessung gehörte oder ihr während der Ehe infolge Erbganges oder auf andere Weise unentgeltlich zufiel. Die bei Eheschluss vorhandenen Ersparnisse der Klägerin bildeten eingebrachtes Gut; ebenso die eingebrachten bzw. ihr geschenkten Fahrzeuge. Die Ersatzforderung besteht, wenn der Ehemann dafür einzustehen hat, dass die ![]() | 13 |
b) Die Klägerin begründet ihren Anspruch unter dem Titel "Eigengut" von Fr. 98'965.- damit, sie habe voreheliche Ersparnisse in Höhe von Fr. 40'000.- auf das SBG-Konto des Beklagten überwiesen und im Umfang von Fr. 50'000.- als Anzahlung an die gemeinsame Liegenschaft und von Fr. 8'965.- für Notariats- und Grundbuchgebühren verwendet.
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Durch die Überweisung der Fr. 40'000.- auf das Konto des Beklagten ging dieser Betrag in dessen Eigentum über, so dass nach dem Gesagten eine entsprechende Ersatzforderung besteht. Deren Beurteilung hat die Vorinstanz zu Unrecht verweigert. Da sie in dieser Hinsicht die nötigen Beweise nicht erhoben hat, kann das Bundesgericht über diesen Anspruch nicht befinden; die Sache ist daher zur Ergänzung des Sachverhaltes und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Liegenschaft steht im Gesamteigentum der Parteien, welches offenbar - im Rahmen des gemeinsamen Kaufes - vertraglich begründet wurde. Die Parteien bilden mit Bezug auf die Liegenschaft eine einfache Gesellschaft im Sinne von Art. 530 Abs. 1 OR. Einlagen eines Gesellschafters sind erst im Rahmen der Liquidation zurückzuerstatten (Art. 549 Abs. 1 OR). Da die Liquidation vorliegend noch nicht erfolgt ist, ist der Rückerstattungsanspruch der Klägerin noch nicht fällig. In dieser Hinsicht ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden.
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Verkaufte der Beklagte die Fahrzeuge unter Geltung des alten Ehegüterrechts, besteht eine Ersatzforderung (siehe E. 3a/dd und ee). Dem angefochtenen Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, wann der Beklagte die Fahrzeuge verkauft haben soll. Beide Fahrzeuge galten unter Geltung des alten Eherechts als eingebrachtes Frauengut (Art. 195 Abs. 1 aZGB); sofern sie beim Übergang zum neuen Recht noch vorhanden waren bzw. erst unter Geltung des neuen Rechts erworben wurden, wurden sie zu Eigengut der Klägerin (Art. 9b Abs. 2 SchlT ZGB; Art. 198 Ziff. 2 ZGB), über das die Klägerin selbst verfügte (Art. 201 Abs. 1 ZGB). Verkaufte der Beklagte die Fahrzeuge unter Geltung des neuen Rechts, stellt sich daher die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage (z.B. Vermögensverwaltungsvertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag) der Anspruch der Klägerin beruht. Die Fälligkeit entsprechender Forderungen richtet sich nach den allgemeinen Regeln, hat doch der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen den Ehegatten (Art. 203 ZGB; vgl. BBl 1979 II 1311). So oder anders hat die Vorinstanz die Beurteilung der Forderung zu Unrecht abgelehnt. Da das Bundesgericht mangels genügender Abklärung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz über den Anspruch nicht entscheiden kann, ist die Sache auch insoweit an diese zurückzuweisen.
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d) Die Klägerin verlangt sodann Ersatz für die Bezahlung vorehelicher Schulden des Beklagten im Gesamtbetrag von Fr. 108'952.-, die vom gemeinsamen Konto bezahlt worden seien. Auf dieses Konto hätten bis Dezember 1984 beide Parteien ihr Einkommen überwiesen; da das Einkommen der Klägerin ca. 65% des Gesamteinkommens ausgemacht habe, habe sie entsprechend zur Schuldentilgung beigetragen.
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Der Arbeitserwerb der Ehefrau gehört unter Geltung des alten Eherechts zu ihrem Sondergut (Art. 191 Ziff. 3 aZGB; PAUL LEMP, a.a.O., N. 27 zu Art. 191); die Begleichung von Mannesschulden aus Sondergut führt zu einem sofort fälligen Ersatzanspruch (Art. 209 Abs. 2 aZGB). Auch insoweit wird die Vorinstanz die Sachverhaltsfeststellungen zu ergänzen und über den Anspruch zu entscheiden haben.
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e) Schliesslich verlangt die Klägerin Fr. 33'000.-, was der Hälfte der für den Unterhalt der gemeinsamen Liegenschaft inklusive ![]() | 21 |
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Wie viel ein Ehegatte an den gemeinsamen Unterhalt beizutragen hat, richtet sich - darauf weist die Klägerin selbst hin - nach Art. 163 ZGB. Nach dieser Norm ist auch die Frage zu beurteilen, ob ein Ehegatte Beiträge erbracht hat, welche massgeblich über den von ihm zu leistenden Teil hinausgehen. Erbringt ein Ehegatte an den Unterhalt der Familie bedeutend mehr, als er verpflichtet war, hat er nach Art. 165 Abs. 2 ZGB Anspruch auf angemessene Entschädigung. Selbst wenn die Ehegatten hinsichtlich der Vermögensverwaltung ausdrücklich oder konkludent einen Auftrag schliessen, richtet sich die Frage, wer wie viel an den Familienunterhalt beizutragen hat und welche Ansprüche bei ausserordentlichen Mehrleistungen ![]() | 23 |
Die Klägerin bestreitet die Annahme, dass der fragliche Aufwand zum Familienunterhalt gehörte, allein mit der Behauptung, es liege ein Vermögensverwaltungsvertrag vor. Wie gezeigt wurde, schlösse ein solcher die Anwendung der Bestimmungen über den Familienunterhalt bzw. über die ausserordentlichen Beiträge an denselben nicht aus. Die Vorinstanz erwog, nach der Darstellung der Klägerin habe es sich um persönliche Bedürfnisse des Beklagten gehandelt; die Befriedigung solcher Bedürfnisse gehöre zum Familienunterhalt. Die Klägerin legt nicht dar, und es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Annahme bundesrechtswidrig wäre. Damit ist die Beurteilung des Anspruchs nach Art. 165 Abs. 2 ZGB nicht zu beanstanden.
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