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27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 2001 i.S. Securitas AG Schweizerische Bewachungsgesellschaft und Mitbeteiligte gegen Swiss Securicall AG (vormals Securicall AG) (Berufung) | |
Regeste |
Firmenrechtlicher und markenrechtlicher Schutz eines im Verkehr durchgesetzten Zeichens oder Zeichenbestandteils; Defensivmarke. |
Mittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den prioritären Firmen und Marken der Securitas-Gruppe, welche den durchgesetzten Bestandteil "Securitas" aufweisen, und der Firma sowie den Marken einer Konkurrentin mit dem Bestandteil "Securi" (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Die Securitas Direct AG (Klägerin 2) wurde 1992 als Tochtergesellschaft der Klägerin 1 gegründet. Zweck der Gesellschaft ist "Beratung, Vertrieb, Installation und Wartung von technischen Sicherheitssystemen, wie Einbruch-, Brandmelde-, Überwachungs- und Fernwirkanlagen usw.". Sie ist Inhaberin der am 18. Februar 1992 hinterlegten Wort-/Bildmarke "Securitas Direct", die für Waren der Klasse 9 bestimmt ist.
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Die ebenfalls zur Securitas-Gruppe gehörende Securiton AG (Klägerin 3) wurde 1948 gegründet. Die Gesellschaft hat folgenden Zweck: Entwicklung, Herstellung, Verkauf, Vermietung oder Unterhalt von Produkten und Systemen der Sicherheitstechnik sowie Erbringung damit verbundener Dienstleistungen. Sie ist seit 40 Jahren auf die Entwicklung und Herstellung von Alarm- und Sicherheitssystemen spezialisiert. Die Klägerin 3 ist Inhaberin zweier 1977 hinterlegter Wort-/Bildmarken "Securiton" für wissenschaftliche Geräte der internationalen Klasse 9. Ferner hat sie 1993 eine Wort-/Bildmarke "Securiton" für Waren und/oder Dienstleistungen für Wertschutzanlagen, Personenschutzanlagen, Zutrittskontrollanlagen, elektronische Fahndungshilfsmittel, elektronische Übermittlungsanlagen und dazugehörende Ausrüstungen, Brandmeldeanlagen, Informations- und Leitsysteme eintragen lassen. Sie ist zudem Inhaberin folgender Marken: "Securitel" seit 1985 für Alarmsysteme, "Securipro" seit 1995 für Überfallmeldesysteme, "Securistar" seit 1995 für Brandmeldesysteme, "Securilan", "Securiline" und "Securilink" sowie "Securiloop" seit 1990 bzw. 1986 und 1970 für elektronische Übermittlungsanlagen und dazugehörende Ausrüstungen (internationale Klasse 9) und schliesslich "Securiras" sowie "Securisens" seit 1997 für Rauchansaugsysteme und Spezialdetektoren.
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Zur Securitas-Gruppe gehört schliesslich auch die 1988 gegründete Securisoft AG (Klägerin 4). Sie hat folgenden Zweck: Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und Unterhalt von Software für ![]() | 4 |
Die Securicall AG (Beklagte) wurde am 18. Oktober 1996 mit Sitz in Wangen-Brüttisellen (Kanton Zürich) ins Handelsregister eingetragen. Der Zweck der Gesellschaft wird wie folgt umschrieben: "Entgegennahme von Alarmen und Meldungen sowie Veranlassen der entsprechenden Interventionen; [die Gesellschaft] kann sich an anderen Unternehmen beteiligen sowie Grundeigentum erwerben, verwalten und veräussern". Die Beklagte hat am 24. Januar 1997 vier Marken hinterlegt, welche für die internationalen Klassen 9 (Datenverarbeitungsgeräte), 38 (Telekommunikation, Alarmübertragung und Empfang) und 42 (Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, technische Beratung, Be- und Überwachung von Personen, Gebäuden und Wertobjekten, einschliesslich Netz- und Anschlussüberwachung, Alarmbearbeitung, Pikettdienstleistungen) bestimmt sind. Es handelt sich um die Wortmarken "Securibasic", "Securidata", "Securitop" und "Securiisdn".
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Die Klägerin 1, die von der bevorstehenden Gründung der Beklagten wusste, hatte am 27. September 1996 die für die Klassen 9, 38 und 42 bestimmte Marke "Securicall" hinterlegt.
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Mit Klage vom 10. April 1997 stellten die Klägerinnen beim Handelsgericht des Kantons Zürich die Anträge, der Beklagten zu verbieten, die Bezeichnung SECURICALL im geschäftlichen Verkehr einschliesslich Korrespondenz und Werbung zur Kennzeichnung von Dienstleistungen im Alarmwesen aller Art zu verwenden, und der Beklagten zu befehlen, innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft ihren Firmennamen derart abzuändern, dass darin der Bestandteil "Securicall" nicht mehr aufscheint.
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An der Hauptverhandlung vom 10. März 1998 stellten die Klägerinnen folgendes zusätzliches Rechtsbegehren: "Der Beklagten sei ebenso zu verbieten, die Bezeichnungen SECURI-BASIC, SECURIDATA, SECURITOP und SECURIISDN zur Kennzeichnung von Alarmanlagen, Alarmempfangs- und Übertragungsanlagen sowie von Dienstleistungen im Alarmwesen aller Art zu verwenden, unter der Androhung der Überweisung ihrer Organe an den Strafrichter zur Bestrafung mit Haft oder Busse wegen Ungehorsams i.S.v. Art. 292 StGB im Falle der Zuwiderhandlung."
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Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit den Begehren, die Klägerin 1 zum Rückzug ihrer Markenanmeldung 7069/1996 "Securicall" zu verpflichten (Widerklagebegehren ![]() | 9 |
Mit Urteil vom 15. Februar 1999 wies das Handelsgericht die Klage ab und erklärte in teilweiser Gutheissung des Widerklagebegehrens Ziffer 2 die von der Klägerin 1 hinterlegte Marke 444 676 "SECURICALL" für nichtig. Auf kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerinnen hinstrich das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 21. August 2000 einen Satz aus der Urteilsbegründung des Handelsgerichts und wies im Übrigen die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintrat.
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Die Klägerinnen haben Berufung eingereicht mit den Anträgen, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben, die Klage gutzuheissen und die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Sie hat am 22. Juni 1999 ihre Firma in "Swiss Securicall AG" geändert und ihren Sitz nach Zürich verlegt.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten Markenschutzgesetz wurde einer eingetragenen Marke der Schutz versagt, wenn sie nicht wirklich zum Gebrauch bestimmt war und deren Inhaber nicht ernsthaft beabsichtigte, den Gebrauch innert der Karenzfrist aufzunehmen. Dies wurde hauptsächlich damit begründet, dass der Gebrauchszwang keine systemwidrigen Ausnahmen für Defensivmarken oder blosse Vorratszeichen zulasse (BGE 57 II 603 E. 12; BGE 62 II 60 E. 2 S. 62; BGE 98 Ib 180 E. 3 S. 185).
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b) Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hat die Klägerin 1 die Marke "Securicall" zum Schutz ihrer im Verkehr eingeführten Zeichen hinterlegt, nachdem sie von der bevorstehenden Gründung der Beklagten erfahren hatte und eine Verwechslung mit ihren Serienzeichen befürchtete. Die Vorinstanz hat aus der zeitlichen Nähe zwischen der Gründung der Beklagten und der Hinterlegung der Marke durch die Klägerin 1 auf den defensiven Charakter der Markeneintragung geschlossen. Sie hat damit in Würdigung der Beweislage die Absicht der Klägerin 1 verneint, die Marke "Securicall" tatsächlich als Zeichen für Waren oder Dienstleistungen der benannten Klassen zu gebrauchen. An diese tatsächliche Feststellung ![]() | 17 |
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a) Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich zu umschreiben (BGE 126 III 239 E. 3a mit Hinweisen). Die Gefahr der Verwechslung bedeutet, dass ein Kennzeichen im Schutzbereich, den ihm das Firmen-, Namens-, Marken- oder Wettbewerbsrecht verleiht, durch gleiche oder ähnliche Zeichen in seiner ![]() | 19 |
b) Die Klägerinnen befürchten, dass das Unternehmen der Beklagten aufgrund der gewählten Firma vom Publikum als mit ihnen wirtschaftlich verbunden aufgefasst wird und die mit den Marken der Beklagten versehenen Waren und Dienstleistungen ihnen zugeschrieben werden. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihre Firmen sowie acht ihrer Marken den Bestandteil "Securi" am Zeichenanfang aufweisen, und machen geltend, die Verwendung dieser Serienzeichen führe dazu, dass jedes andere Zeichen mit dem Bestandteil "Securi" ihrer Unternehmensgruppe zugerechnet werde.
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aa) Gemäss Art. 2 lit. a MSchG sind Zeichen, die Gemeingut sind, vom Markenschutz ausgeschlossen, sofern sie sich nicht im Verkehr als Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben. Als Gemeingut gelten nach ständiger Praxis Hinweise auf Eigenschaften, die Beschaffenheit, die Zusammensetzung, die Zweckbestimmung oder die Wirkung der Ware oder Dienstleistung, welche die Marke kennzeichnet. Dass die Marke Gedankenassoziationen weckt oder Anspielungen enthält, die nur entfernt auf die Ware oder Dienstleistung hindeuten, reicht freilich nicht aus, sie zur Beschaffenheitsangabe werden zu lassen. Der gedankliche Zusammenhang ![]() | 21 |
bb) Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, ist der Markenbestandteil "Securi" für Waren und Dienstleistungen von Unternehmen der Sicherheitsbranche beschreibend, weil er in diesem Zusammenhang ohne weiteres mit den französischen oder englischen Wörtern für Sicherheit ("sécurité" und "security") in Verbindung gebracht wird. Daran ändert nichts, dass es sich um Serienmarken handelt, denn auch für solche Marken gilt der Grundsatz, dass gemeinfreie Bestandteile dem Gemeingebrauch freizuhalten sind (ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 242). Markenschutz könnte das Element "Securi" in den Serienmarken der Klägerinnen somit nur durch Verkehrsdurchsetzung erhalten haben. Dem steht indessen die für das Bundesgericht verbindliche Feststellung der Vorinstanz entgegen, wonach sich zwar der Firmen- oder Markenbestandteil "Securitas", nicht jedoch der Bestandteil "Securi" im Verkehr durchgesetzt hat. Dabei geht die Vorinstanz zutreffend davon aus, dass das Wort "Securitas" von den Adressaten nicht gedanklich in die Teile "Securi" und "tas" aufgespalten wird. Der Begriff wird als Einheit verstanden, und zwar unabhängig davon, ob ihn die Adressaten als das lateinische Wort mit der Bedeutung "Sicherheit" verstehen oder nicht. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht abgelehnt, aus der Verkehrsdurchsetzung des Bestandteils "Securitas" auf eine entsprechende Verkehrsdurchsetzung des Elements "Securi" zu schliessen.
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cc) Daraus darf allerdings nicht gefolgert werden, dass das Element "Securi" ohne Rücksicht auf die übrigen Bestandteile des jeweiligen Zeichens in jedem Fall für andere Unternehmen der Sicherheitsbranche frei verwendbar bleiben muss. Denn auch Zeichen, die einen gemeinfreien Bestandteil aufweisen, können sowohl nach Firmen- wie nach Markenrecht schützbar sein (BGE 122 III 369 E. 1 S. 371, 382 E. 2a S. 385). Zudem sind an sich gemeinfreie Bestandteile markenrechtlich geschützt, wenn sie sich im Verkehr durchgesetzt haben.
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Im Firmenrecht gilt der Grundsatz, dass sich die Firma einer Aktiengesellschaft von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden muss, ansonsten der Inhaber der ![]() | 24 |
Im Markenrecht wird ebenfalls auf den Gesamteindruck abgestellt, wie er in der Erinnerung der Adressaten haften bleibt. Der Gesamteindruck wird bei Wortmarken durch den Klang, das Schriftbild und den Sinngehalt bestimmt (BGE 121 III 377 E. 2b S. 379). Den Klang prägen das Silbenmass, die Aussprachekadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale, während das Schriftbild vor allem durch die Wortlänge und die Eigenheiten der verwendeten Buchstaben gekennzeichnet wird (BGE 119 II 473 E. 2c S. 475 f.). Schliesslich ist zu beachten, dass der Wortanfang bzw. Wortstamm und die Endung in der Regel grössere Beachtung finden als dazwischen geschobene, unbetonte weitere Silben (BGE 122 III 382 E. 5a S. 388). Diese Regeln kommen entsprechend auch im Firmenrecht bei der Prüfung der hinreichenden Unterscheidbarkeit zweier Firmen zur Anwendung.
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c) Die Firmen der Klägerinnen 1 und 2 werden geprägt vom durchgesetzten Bestandteil "Securitas", während die Angabe der Gesellschaftsform ("AG") von ebenso schwacher Wirkung ist wie die als Beschreibung des Tätigkeitsbereiches erscheinenden Elemente "Direct" bzw. "Schweizerische Bewachungsgesellschaft". Die Firma der Beklagten besteht neben der kennzeichnungsschwachen Angabe der Gesellschaftsform am Ende ("AG"; das seit dem 22. Juni 1999 vorangestellte "Swiss" ist in diesem Verfahren unbeachtlich) aus dem im Gedächtnis des Publikums haften bleibenden Bestandteil "Securicall". Werden die jeweils charakteristischen Bestandteile der Firmen ("Securitas" und "Securicall") miteinander verglichen, ergibt sich eine unbestreitbare Zeichenähnlichkeit. Beim viersilbigen ![]() | 26 |
d) Die Klägerinnen beantragen sodann, der Beklagten zu verbieten, die Bezeichnungen "SECURICALL", "SECURIBASIC", "SECURIDATA", "SECURITOP" und "SECURIISDN" zur Kennzeichnung von Alarmanlagen, Alarmempfangs- und Übertragungsanlagen sowie von Dienstleistungen aller Art im Alarmwesen zu verwenden.
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aa) Sämtliche Marken der Beklagten wie auch die Bezeichnung "Securicall" sind aus je zwei beschreibenden Bestandteilen zusammengesetzt. Wie bereits festgehalten worden ist (vorn E. 2b/bb), wird das Element "Securi" im gegebenen Zusammenhang mit den Begriffen "sécurité" oder "security" in Verbindung gebracht. Zudem ist ![]() | 28 |
bb) Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist zwar davon auszugehen, dass die durchgesetzte Marke "Securitas" von den Adressaten nicht gedanklich in die Teile "Securi" und "tas" aufgespalten, sondern als Einheit verstanden wird (vgl. vorn E. 2b/bb). Das heisst indessen nicht, dass den drei ersten Silben in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zukommt. Da das Wort "Securitas" - jedenfalls nach deutscher und französischer Aussprache - auf der ersten oder zweiten Silbe betont wird und die ersten drei Silben drei Viertel des Wortes ausmachen, erscheinen schon vom Aufbau her solche viersilbigen Wortzeichen als ähnlich, die in den drei ersten Silben damit übereinstimmen und ebenfalls auf der ersten oder zweiten Silbe betont werden. So verhält es sich mit "Securicall" und "Securitop", wogegen die fünfsilbigen "Securibasic", "Securidata" und "Securiisdn" unter diesem Gesichtspunkt nurmehr eine entfernte Ähnlichkeit mit "Securitas" aufweisen. Da die Endung in jedem der Zeichen der Beklagten aus einem kurzen, in seinem Sinngehalt sofort verständlichen Begriff besteht, stellt sich indessen die Frage, ob die Adressaten solche Gegenstände oder Dienstleistungen, welche mit den Zeichen der Beklagten versehen sind, nicht wegen des identischen dreisilbigen Wortanfangs der Securitas-Gruppe zuordnen. Eine derartige mittelbare Verwechslungsgefahr ist aus den folgenden Gründen zu bejahen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass sich die Marke "Securitas" für Sicherheits- und Bewachungsdienste nicht nur im Verkehr durchgesetzt hat, sondern dass sie in der ganzen Schweiz über einen grossen Bekanntheitsgrad verfügt. In diesem ![]() | 29 |
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