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61. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Mai 2001 i.S. M. s.r.l. gegen B. AG (Berufung) | |
Regeste |
Frachtvertrag; Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassenverkehr (CMR; SR 0.741.611); Substanziierung des Schadens. |
Keine Verrechnung eines nach der CMR nicht ersatzfähigen mittelbaren Schadens mit dem nach schweizerischem innerstaatlichem Recht zu beurteilenden Frachtlohnanspruch (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Da sich die Parteien nicht darüber einigen konnten, wer das unsachgemässe Hochheben und damit die Beschädigung des Wassertauschers zu verantworten hatte, machte die Klägerin gerichtlich einen Schadenersatzanspruch von Lit. 82'210'000.- geltend, worauf die Beklagte Widerklage auf Bezahlung des noch ausstehenden Frachtlohnes von Fr. 16'925.- erhob. Das Handelsgericht ![]() | 2 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Gemäss Art. 25 Ziff. 1 CMR hat der Frachtführer bei Beschädigung des Frachtgutes grundsätzlich den Betrag der Wertverminderung zu zahlen, welche der Differenz zwischen dem Wert des Gutes bei der Übernahme und dem Wert infolge der Beschädigung entspricht (HERBER/PIPER, CMR, Internationales Strassentransportrecht, Kommentar, N. 2 zu Art. 25 CMR; THUME, in: Thume [Hrsg.], Kommentar zur CMR, N. 4 zu Art. 25 CMR; GLÖCKNER, Leitfaden zur CMR, 7. Aufl., N. 2 zu Art. 25 CMR). Dieser Schadensbegriff stimmt mit dem im schweizerischen innerstaatlichen Recht gebräuchlichen überein (dazu BGE 127 III 73 E. 4a S. 76 mit Hinweisen). Übersteigen die Wiederherstellungskosten den ursprünglichen Wert des Gutes, wird auch unter Herrschaft der CMR von einem Totalschaden ausgegangen, welcher dem Verlust der Sache gleichzusetzen ist (HERBER/PIPER, a.a.O., N. 1 zu Art. 25 CMR; THUME, a.a.O., N. 66 zu Art. 17 CMR; GLÖCKNER, a.a.O., N. 1 zu Art. 25 CMR; zum identischen Begriff des Totalschadens im innerstaatlichen Recht vgl. ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, 2. Aufl., S. 108; OFTINGER/STARK, Schweizerisches ![]() | 5 |
b) Nach allgemeinen Grundsätzen hat die Schadenersatz beanspruchende Partei den Schaden zu beweisen (THUME, a.a.O., N. 62 zu Art. 23 und N. 33 zu Art. 25 CMR; GIEMULLA, in: Baumgärtel [Hrsg.], Handbuch der Beweislast im Privatrecht, N. 2 zu Art. 23 CMR; für das innerstaatliche Recht vgl. Art. 8 ZGB und Art. 42 Abs. 1 OR). Wie weit die anspruchsbegründenden Tatsachen dabei inhaltlich zu substanziieren sind, damit sie unter die massgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts subsumiert werden können, bestimmt das materielle Bundesrecht (BGE 123 III 183 E. 3e S. 188; BGE 108 II 337 E. 2 und 3). Die jeweiligen Anforderungen ergeben sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen Norm und anderseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei. Tatsachenbehauptungen müssen dabei so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann (vgl. BGE 117 II 113 E. 2; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 164). Bestreitet der Prozessgegner das an sich schlüssige Vorbringen der behauptungsbelasteten Partei, kann diese gezwungen sein, die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen werden kann (BGE 108 II 337 E. 3 S. 341; JÜRGEN BRÖNNIMANN, Die Behauptungslast, in: Leuenberger [Hrsg.], Der Beweis im Zivilprozess, S. 60). Wird das Vorliegen eines vorerst nur pauschal behaupteten Schadens vom Prozessgegner bestritten, hat der Ansprecher deshalb die einzelnen konkreten Tatsachen vorzutragen, welche Grundlage für die Qualifizierung einer Vermögenseinbusse als rechtlich relevanter Schaden bilden (JÜRGEN BRÖNNIMANN, Die Behauptungs- und Substanzierungslast im schweizerischen Zivilprozessrecht, Diss. Bern 1989, S. 149 f.).
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c) Die Klägerin macht geltend, sie habe einen neuen Wassertauscher herstellen und installieren lassen, was ihr Kosten von Lit. 82'210'000.- verursacht habe. Ob diese Schadensberechnung den in der CMR niedergelegten Grundsätzen entspricht, ist fraglich (vgl. Art. 23 Ziff. 1 und 2 CMR), kann jedoch offen bleiben. Denn die Vorbringen der Klägerin setzen einen Totalschaden voraus, welcher somit zunächst substanziiert darzutun war. Ein Totalschaden wurde von der Klägerin zwar pauschal behauptet, von der Beklagten aber bestritten. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie es im ![]() | 7 |
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung genügt zur Substanziierung des Schadens nicht, dass der strittige Wassertauscher von der Beklagten hätte besichtigt werden können, liefe dies doch darauf hinaus, der Beklagten bundesrechtswidrig die Beweislast für das Nichtbestehen des Schadens aufzuerlegen. Ebenso fehl geht sodann der Hinweis der Klägerin auf eine gerichtliche Expertise, denn das kantonale Recht kann zur Verhinderung von unzulässigen Ausforschungsbeweisen vorschreiben, dass die Tatsachen, welche durch eine beantragte Beweismassnahme bewiesen werden sollen, genannt werden (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., N. 5 zu § 113 ZPO). Es verstösst daher nicht gegen Bundesrecht, wenn eine rechtsgenügliche Substanziierung des geltend gemachten Anspruchs vor der Durchführung einer Beweismassnahme verlangt und eine Ergänzung der Substanziierung aufgrund des Beweisverfahrens nicht mehr zugelassen wird (BGE 108 II 337 E. 3 S. 341/2; BRÖNNIMANN, Die Behauptungslast, a.a.O., S. 64/5).
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Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Schadenersatzanspruch der Klägerin mangels rechtsgenüglicher Substanziierung abgewiesen hat. Damit erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Haftungsvoraussetzungen.
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3. Die Vorinstanz hiess die Widerklage der Beklagten auf Bezahlung des restlichen Frachtlohnes im Umfang von Fr. 15'005.- nebst Zins gut. Die Klägerin wendet sich unter Hinweis auf BGE 124 III 423 gegen die Bezahlung der Honorarforderung der ![]() | 10 |
a) Wie die Vorinstanz zutreffend darlegte, regelt die CMR den Anspruch des Frachtführers auf den Frachtlohn nicht, weshalb insofern schweizerisches innerstaatliches Recht anzuwenden ist (Art. 117 IPRG; HERBER/PIPER, a.a.O., N. 26 der Vorbemerkungen zu Art. 1 CMR). Die Anwendung nationalen Rechts darf jedoch nicht dazu führen, dass die zwingenden Regelungen der CMR unterlaufen werden (vgl. Art. 41 CMR), wäre doch dadurch das Ziel der einheitlichen Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten in Frage gestellt (dazu HERBER/PIPER, a.a.O., N. 12 der Vorbemerkungen zu Art. 1 CMR). Aus diesem Grund kann die von der Klägerin geltend gemachte Verrechnung von vornherein nur erfolgen, wenn der von ihr zur Verrechnung gestellte Schadenersatzanspruch nach der CMR überhaupt Bestand hat.
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b) Die Klägerin will Verluste, welche sie durch den Stillstand der Rollenoffsetanlage erlitten hat, mit dem restlichen Frachtlohnanspruch der Beklagten verrechnen. Gerade solche mittelbare Schäden - im Schrifttum ausdrücklich genannt werden entgangener Gewinn und Verdienstausfall - sind nach der CMR jedoch nicht zu entschädigen (HERBER/PIPER, a.a.O., N. 4 zu Art. 23 und N. 5 zu Art. 25 CMR; THUME/SELTMANN, in: Thume, a.a.O., N. 3 f. zu Art. 23 CMR; GLÖCKNER, a.a.O., N. 4 zu Art. 23 und N. 5 zu Art. 25 CMR). Diese sind somit auch nicht über den Umweg der Verrechnung mit dem nach schweizerischem innerstaatlichem Recht zu beurteilenden Frachtlohnanspruch ersatzfähig. Eine Verrechnung des restlichen Frachtlohnes mit den von der Klägerin ins Feld geführten Ansprüchen ist deshalb ausgeschlossen.
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