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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. M.X. gegen N.S.X. (Berufung) |
5C.233/2001 vom 16. November 2001 | |
Regeste |
Scheidung nach Art. 115 ZGB; Unzumutbarkeit bei psychischer Krankheit eines Ehegatten. | |
Sachverhalt | |
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Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe diese Bestimmung zu Unrecht angewandt. Die gesamte Situation seiner Krankheit und der Trennung belaste die Klägerin zwar möglicherweise, doch werde dadurch das im Rahmen einer Scheidung übliche Mass nicht überschritten. Da die Ehescheidung infolge seiner psychischen Krankheit ausgesprochen worden sei, müsse zur Auslegung von Art. 115 ZGB aArt. 141 ZGB beigezogen werden. Die dortigen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, die Ehe könne deshalb auch nach Art. 115 ZGB nicht geschieden werden.
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a) aa) Noch vor Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts wurde von der Lehre vorgeschlagen, im Zusammenhang mit dem Erfordernis des schwerwiegenden Grundes gemäss Art. 115 ZGB Fallgruppen zu bilden. Unheilbare Krankheiten sind nach dieser Lehrmeinung in die Fallgruppe der objektiven Ursachen einzureihen; aus ethischen Gründen müsse dabei verlangt werden, dass die Voraussetzungen gemäss aArt. 141 ZGB erfüllt sind - allenfalls unter Verzicht auf die Erfordernisse des Gutachtens und der dreijährigen Frist (DANIEL STECK, Scheidungsklagen, in: Das neue Scheidungsrecht, 1999, S. 25 ff., S. 36).
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bb) Gemäss aArt. 141 ZGB konnte ein Ehegatte die Scheidung beantragen, wenn ihm die Ehe aufgrund einer schon seit drei Jahren andauernden und von einem Sachverständigen für unheilbar erklärten Geisteskrankheit des anderen nicht mehr zugemutet werden durfte. Diese Bestimmung normierte zwar einen Scheidungsgrund, brachte aber - durch die sehr restriktiven Voraussetzungen - vor allem zum Ausdruck, dass Krankheit nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers als Scheidungsgrund weitgehend ausgeschlossen war. Dieser Ausschluss war darin begründet, dass die eheliche Beistandspflicht gebot, das Unglück einer Krankheit mit beidseitigem Opferwillen gemeinsam zu tragen (BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 1980, N. 102 zu Art. 142 ZGB mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
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b) Der Appellationshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Belastung der Klägerin nicht nur das bei Scheidungen übliche Mass klarerweise übersteigt, sondern die Fortdauer der Ehe auch bei getrennten Haushalten als für sie unzumutbar erscheinen lässt. Der Beklagte ist krankhaft auf die Klägerin fixiert. Vor seinen zahlreichen hartnäckigen Versuchen, mit ihr in Kontakt zu treten, kann sie sich kaum schützen. Angesichts dieser Hartnäckigkeit und Intensität, mit welcher der Beklagte sie in ihrem Privatleben beeinträchtigt, und angesichts der kurzen Dauer der Ehe kann ihr ein längeres Ertragen dieser Situation auch nicht aufgrund der ehelichen Beistandspflicht zugemutet werden. Vielmehr beurteilt das Bundesgericht diese Situation wie die Vorinstanz als für sie in nachvollziehbarer Weise unerträglich. Der Appellationshof hat die Ehe der Parteien demnach zu Recht in Anwendung von Art. 115 ZGB geschieden, weshalb die Berufung des Beklagten abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
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