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10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. (Berufung) |
4C.211/2001 vom 1. November 2001 | |
Regeste |
Aberkennungsklage; Abtretung der Forderung (Art. 83 SchKG). | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
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c) Ein Teil der Lehre spricht sich wie das Kantonsgericht für eine Gutheissung der Aberkennungsklage aus, wenn der Betreibende erst nach Anhebung der Betreibung Gläubiger der Forderung geworden ist. Andernfalls kommt ihm nach dieser Auffassung bei der Vollstreckung eine Position zu, die ihm materiellrechtlich nicht gebührt, und der Schuldner wird um die im Gesetz vorgesehenen Zahlungsfristen gebracht (STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 44 zu Art. 83 SchKG; SYZ, Aberkennungsklage und Aberkennungsprozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG, Diss. Zürich 1971, S. 59 f.; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, S. 269 Fn. 5; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 377 f. Fn. 62; unkritisch gegenüber der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dagegen GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Art. 1-88, Lausanne 1999, N. 78 zu Art. 83 SchKG; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 43 zu § 213 Ziff. 2 ZPO). Der Betreibende, der vor der Abtretung betreibt, sei gleich zu behandeln wie der Gläubiger, dessen Forderung bei Anhebung der Betreibung noch nicht besteht oder noch nicht fällig ist.
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4. a) Die Aberkennungsklage ist eine negative Feststellungsklage (JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., Zürich 1997, Bd. I, N. 17 zu Art. 83 SchKG; STAEHELIN, a.a.O., N. 14 zu Art. 83 SchKG), mit der die Feststellung der Nichtexistenz der betriebenen Forderung verlangt werden kann, nicht aber die Aufhebung der provisorischen Rechtsöffnung (BGE 95 II 617 E. 1 S. 620; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., ![]() | 5 |
b) Im Betreibungsverfahren kommt dieser Feststellungsklage indessen besondere Bedeutung zu. Sie verlängert den provisorischen Charakter der Rechtsöffnung (AMONN/GASSER, a.a.O, § 19 N. 93), und ihr Ausgang entscheidet über Fortgang oder Dahinfallen der Betreibung (JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, a.a.O., N. 12 zu Art. 83 SchKG; AMONN/GASSER, a.a.O, § 19 N. 105; HINDERLING, Ausgewählte Schriften, Zürich 1982, S. 280 ff.). Um diese Funktion zu erfüllen, muss sie diejenigen Fragen klären, die für den Entscheid über den Fortgang der Betreibung ausschlaggebend sind, namentlich die Frage nach Bestand und Fälligkeit der Forderung bei Einleitung der Betreibung (vgl. BGE 95 II 617 E. 1 S. 620; BGE 91 II 108 E. 2b S. 111, je mit Hinweisen; STAEHELIN, a.a.O., N. 15 zu Art. 83 SchKG).
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c) Prozessgegenstand der Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs. 2 SchKG ist nicht die Frage, ob der Schuldner zu Recht Rechtsvorschlag erhoben oder der Betreibende zu Recht Betreibung eingeleitet hat, denn sonst hätte der Gesetzgeber hiefür nicht den Weg des ordentlichen Prozesses vorgesehen. Die Aberkennungsklage soll primär klären, ob der zwischen den Parteien streitige Anspruch materiell besteht (Art. 83 Abs. 2 SchKG; vgl. GILLIÉRON, a.a.O., N. 50 zu Art. 83 SchKG; HINDERLING, a.a.O., S. 280) und so der Verwirklichung des materiellen Rechts dienen (BGE 68 III 85 S. 87 f.; BGE 72 III 52 E. 2 S. 56). Aus diesem Grunde kann sich der Schuldner im Aberkennungsverfahren auf Umstände berufen, die sich nach Anhebung der Betreibung zugetragen haben (BGE 72 III 52 E. 2 S. 56 mit Hinweis). Bis zu welchem Zeitpunkt entsprechende Tatsachen berücksichtigt werden können, entscheidet wie bei jeder anderen ordentlichen Klage das kantonale Recht. Von diesem Grundsatz abzuweichen ![]() | 7 |
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b) Bei nachträglicher Abtretung einer fälligen Forderung dagegen ist die Lage des Schuldners wie auch allfälliger weiterer Gläubiger von jener bei Einleitung einer Betreibung für eine nicht fällige Forderung gänzlich verschieden.
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aa) Mit Fälligkeit ist der Schuldner verpflichtet, seine Leistung an den tatsächlich Berechtigten zu erbringen. Es steht ihm offen, durch Erfüllung an diesen spätere Abtretungen zu verhindern. Ebenso kann er mit dem tatsächlich Berechtigten eine Stundungsvereinbarung treffen, womit selbst bei nachträglicher Abtretung der Forderung an den Betreibenden die Aberkennungsklage mangels ![]() | 10 |
bb) Auch der Einwand, durch die Berücksichtigung einer Abtretung im Rahmen der Aberkennungsklage würde dem Schuldner die gesetzlich vorgesehene Zahlungsfrist genommen, ist nicht stichhaltig (vgl. HINDERLING, a.a.O., S. 282). Von einem bereits hängigen Aberkennungsverfahren würde eine neue für dieselbe Forderung eingeleitete Betreibung ohne weiteres erfasst (BGE 117 III 17 E. 1b S. 19; vgl. E. 4a hievor). Anders entscheiden hiesse den Schuldner zwingen, mit Bezug auf ein und dieselbe Forderung mehrere Aberkennungsklagen anzuheben. Das läuft seinen Interessen zuwider und würde nutzlosen Aufwand verursachen. Der Zeitpunkt der Fortsetzung der neuen Betreibung würde damit in der Regel mit dem Entscheid über die erste Betreibung zusammenfallen. Der Schuldner erfährt insoweit keine Schlechterstellung hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Betreibung und hat daher kein schutzwürdiges Interesse an der Einleitung einer neuen Betreibung nach der Abtretung und der Nichtberücksichtigung des Gläubigerwechsels im hängigen Aberkennungsprozess. Besondere Umstände, die im zu beurteilenden Fall dennoch ein Rechtsschutzinteresse des Schuldners nahelegen würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.
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cc) Bestreitet der Schuldner dagegen nicht die Forderung an sich, sondern nur die Forderungsberechtigung des Betreibenden, liegt es an ihm, den grundsätzlich anerkannten Anspruch nach erfolgter Abtretung zu begleichen und dadurch im Prozess die Aberkennung zu bewirken (vgl. E. 4c hievor).
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dd) Auch die übrigen Gläubiger erscheinen in Bezug auf die nachträgliche Berücksichtigung einer Abtretung weniger schutzwürdig als bei einer Betreibung vor Fälligkeit. Mit Fälligkeit der Forderung hätte der tatsächlich Berechtigte Betreibung einleiten können, und im Rahmen der Abtretung wäre der Erwerber der Forderung in seine Rechtsposition eingetreten. Anders als bei einer noch nicht fälligen Forderung haben die anderen Gläubiger aus dem materiellen Recht keinen Anspruch darauf, dass ihre Forderung vor der in Betreibung gesetzten befriedigt wird. Daher besteht kein hinreichender Grund, die Abtretung im Rahmen des Aberkennungsprozesses ![]() | 13 |
c) An der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist daher grundsätzlich festzuhalten. Diese hat das Kantonsgericht missachtet und dadurch Bundesrecht verletzt, als es die Zession für unbeachtlich hielt. Daher ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie wird darüber zu befinden haben, ob die Behauptung der Abtretung prozesskonform erhoben wurde und sich bejahendenfalls zu den dagegen vorgetragenen Einwänden des Klägers auszusprechen haben.
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