BGE 128 III 92 | |||
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16. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. D. gegen Bank A., B. und Bank C. (Berufung) |
4C.214/2001 vom 29. Oktober 2001 | |
Regeste |
Aktienrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Organs (Art. 754 aOR). | |
Sachverhalt | |
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Am 12. Dezember 1988 schlossen die F. AG, die E. AG und die Bank C. eine Vereinbarung zur Sanierung der E. AG. Darin verpflichtete sich die F. AG unter anderem, die Software der E. AG zum Preis von Fr. 3'000'000.- zu kaufen. Der Kaufpreis war zur Hälfte bis Ende 1988 zu bezahlen, für die übrigen Fr. 1'500'000.- sollte die E. AG der F. AG ein langfristiges Darlehen gewähren. Das Darlehen sollte in jährlichen Raten von Fr. 300'000.- amortisiert werden, erstmals per 30. November 1989.
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Am 5. Juli 1990 wurde über die E. AG und die E. Holding AG der Konkurs eröffnet. Die Bank A., B. und die Bank C. (Klägerinnen) sind Gläubigerinnen der E. AG. Sie liessen sich von der Konkursmasse die Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Organe der konkursiten E. AG abtreten. Am 2. September 1993 reichten die Gläubigerinnen Klage beim Amtsgericht Luzern-Stadt ein. Sie verlangten im Wesentlichen die Verurteilung von vier Beklagten, darunter D., zur Bezahlung von Fr. 3'000'000.- nebst Zins gestützt auf aktienrechtliche Verantwortlichkeitsansprüche. Das Amtsgericht Luzern-Stadt hiess die Klage am 21. Dezember 1998 gut und verpflichtete D. zur Bezahlung von Fr. 3'000'000.- nebst Zins. Das Gericht kam zum Schluss, D. habe faktisch die E. AG seit deren Übernahme durch die F. AG geleitet bzw. deren Geschäfte geführt. In dieser Eigenschaft habe er pflichtwidrig die Bezahlung des Software-Kaufpreises von Fr. 3'000'000.- nicht überwacht bzw. für die kreditierte Kaufpreishälfte keine hinreichenden Sicherheiten vereinbart. Dadurch sei der E. AG ein Schaden in dieser Höhe entstanden, welchen der Beklagte in adäquat kausaler Weise durch die Pflichtverletzung verursacht habe, wofür ihn ein nicht leichtes Verschulden treffe. Mit Urteil vom 18. April 2001 bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern auf Appellation des Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil.
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Der Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingereicht. Er beantragt damit die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. Eventualiter sei die Klage abzuweisen. Die Klägerinnen schliessen auf die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die Organhaftung nach Art. 754 aOR erfasst nicht nur die Mitglieder des Verwaltungsrates, sondern alle mit der Geschäftsführung betrauten Personen. Als mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betraut im Sinne dieser Bestimmung gelten nicht nur Entscheidungsorgane, die ausdrücklich als solche ernannt worden sind, sondern auch Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (BGE 124 III 418 E. 1b; BGE 122 III 225 E. 4b; BGE 117 II 432 E. 2b; BGE 107 II 349 E. 5a; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, S. 442; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Zürich 1996, S. 1072; FORSTMOSER, Der Organbegriff im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht, in: Freiheit und Verantwortung im Recht, Festschrift für Arthur Meier-Hayoz, Bern 1982, S. 125, S. 129 ff.; MAYA R. PFRUNDER-SCHIESS, Zur Differenzierung zwischen dem Organbegriff nach ZGB 55 und dem verantwortlichkeitsrechtlichen Organbegriff in: SZW 1993 S. 126 ff.; URS BERTSCHINGER, Arbeitsteilung und aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1999, S. 58 f.). Personen, die aufgrund ihrer Stellung leitende Aufgaben wahrnehmen können und in bestimmten Bereichen tatsächlich tätig werden, sind auch für pflichtwidrige Unterlassungen verantwortlich, wenn im Rahmen des an sich wahrgenommenen Aufgabenbereichs ein Tätigwerden erforderlich gewesen wäre (DRUEY, Organ und Organisation - Zur Verantwortlichkeit aus aktienrechtlicher Organschaft, in: Schweizerische Aktiengesellschaft, 1981, S. 78; BERTSCHINGER, a.a.O., S. 147 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 442; FORSTMOSER, a.a.O., S. 137). Während insbesondere eine blosse Einflussnahme von Organen einer Muttergesellschaft auf diejenigen der Tochtergesellschaft regelmässig keine Organverantwortung gegenüber der Tochtergesellschaft begründet, entsteht eine faktische Organschaft in der Tochtergesellschaft jedenfalls dann, wenn sich (übertragene oder usurpierte) Zuständigkeiten bilden (DRUEY, Leitungsrecht und -pflicht im Konzern, in: Charlotte M. Baer (Hrsg.), Vom Gesellschafts- zum Konzernrecht, Bern 2000, S. 20 f.; FORSTMOSER, ebenda, Haftung im Konzern, S. 121; VON BÜREN, Der Konzern im neuen Aktienrecht, in: Grundfragen des neuen Aktienrechts, Bern 1993, S. 60 f.; PETER V. KUNZ, Rechtsnatur und Einredeordnung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, Diss. Bern 1993, S. 182 ff.; ALEXANDER VOGEL, Die Haftung der Muttergesellschaft als materielles, faktisches oder kundgegebenes Organ der Tochtergesellschaft, Diss. St. Gallen 1997, S. 205 ff.).
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b) Dem Beklagten ist zunächst beizupflichten, wenn er vorbringt, die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung einer Gesellschaft müsse aus einer organtypischen Stellung heraus erfolgen, damit einer Person tatsächliche Organstellung zugesprochen werden kann. Der Beklagte war einziger Verwaltungsrat der F. AG, welche am 24. November 1988 die Aktien der E. Holding AG und damit deren 100%-iger Tochter E. AG übernahm. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war schon gemäss Aktienkaufvertrag vom 24. November 1988 beabsichtigt, die E.- und die F.-Gruppen zusammenzufassen. Nach den Erwägungen der Vorinstanz wurde im Aktienkaufvertrag vereinbart, dass die E.-Software während mindestens fünf Jahren weiterentwickelt und in der Schweiz durch die F. AG, in Deutschland durch die G. GmbH vertrieben werden sollte. Letztere sollte den Vertrieb der F.-Produkte in Deutschland übernehmen. Die Koordination der Geschäftsführung der beiden Gesellschaften wurde nach den Feststellungen der Vorinstanz durch die F. AG wahrgenommen, namentlich durch deren Exekutivausschuss. In den Sitzungen dieses Exekutivausschusses waren insbesondere auch die Sanierung und die Liquiditätssituation der finanziell angeschlagenen E.-Gesellschaften traktandiert. Der Ausschuss unterstand statutarisch dem Verwaltungsrat der F. AG, deren einziges Mitglied der Beklagte war, der seinerseits stets an den Sitzungen des Ausschusses mit beratender Stimme teilnahm.
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c) Die Vorinstanz hat die organtypische Stellung zutreffend aus einer länger dauernden Zuständigkeitsregelung erschlossen. Um das Bestehen einer derartigen Zuständigkeit zu beurteilen, durfte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung bei organisatorisch grundsätzlich unveränderten Gegebenheiten Entscheide mitberücksichtigen, die nach der hier in Frage stehenden kurzen Zeit getroffen wurden. Danach hat der Exekutivausschuss der F. AG tatsächlich die Geschäfte der E. AG weitgehend geleitet und zwar seit der Übernahme der E. Holding AG am 24. November 1988. Der Exekutivausschuss koordinierte die Geschäftstätigkeiten der F. AG mit denjenigen der E.-Unternehmen und behandelte auch deren Sanierung und die Liquiditätssituation der finanziell angeschlagenen Gesellschaften. Da der Beklagte diesem Ausschuss als beratendes Mitglied angehörte, an dessen Sitzungen stets teilnahm und diesem Ausschuss als einziger Verwaltungsrat der F. AG überdies formell vorgesetzt war, ist der Schluss der Vorinstanz bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte tatsächlich eine organtypische Stellung in der E. AG wahrnahm und sich dabei insbesondere auch mit deren Sanierung befasste. (vgl. auch BGE 128 III 29 ff.)
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