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51. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. gegen Y. (Berufung) |
4C.57/2001 vom 12. Februar 2002 | |
Regeste |
Arbeitsvertrag; Ferien- und Freitageanspruch, Freistellung (Art. 8 ZGB; Art. 42 Abs. 2, 321c, 324 Abs. 2, 329, 337c Abs. 2 OR). |
Regelbeweismass und analoge Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR (E. 2b). |
Verhältnis zwischen der Arbeitsleistung an Feier- oder Freitagen und der Überstundenarbeit (E. 3). |
Kompensation nicht bezogener Ferientage mit der Freizeit während der Freistellung (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Mit Schreiben vom 30. Oktober 1997 stellte die Arbeitgeberin X. unter Hinweis auf ein Gespräch vom 28. Oktober 1997 eine formelle Kündigung mit separatem Brief in Aussicht. Sie teilte ihm zudem mit, dass er per 28. Februar 1998 freigestellt werde. Am 31. Oktober 1997 wurde dem Arbeitnehmer vom Präsidenten der Arbeitgeberin ein mit "Kündigung des Arbeitsverhältnisses" betiteltes Schreiben übergeben. Da die Wirksamkeit der Kündigung von der Seite des Arbeitnehmers bestritten wurde, wiederholte die Arbeitgeberin die Kündigung mit Schreiben vom 15. Januar 1998. Am 1. Juli 1998 trat X. eine neue Arbeitsstelle an.
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B.- Mit Eingabe vom 23. Dezember 1997 erhob X. Klage gegen die Y. mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 126'592.50 - später erhöht auf Fr. 129'900.80 - nebst 5% Zins seit Rechtshängigkeit der Klage zu verpflichten. Das Arbeitsgericht Zürich hiess die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 1999 teilweise gut und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von Fr. 76'798.75 brutto bzw. (abzüglich 6,55% AHV und ALV) Fr. 71'768.45 netto nebst 5% Zins seit 31. Juli 1998; die Beklagte wurde zudem verpflichtet, dem Kläger ein Schlusszeugnis gemäss Zwischenzeugnis vom 12. Februar 1998, ausweisend das Enddatum des Arbeitsverhältnisses mit dem 31. Juli 1998, aus- und zuzustellen.
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Auf Berufung der Beklagten und Anschlussberufung des Klägers verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich die Beklagte mit Urteil vom 22. Dezember 2000 zur Zahlung von Fr. 18'679.65 brutto bzw. Fr. 17'456.15 netto nebst 5% Zins seit 31. Juli 1998. Es nahm sodann Vormerk, dass im Umfang von Fr. 10'868.- (Ferienentschädigung) und Fr. 12'226.50 (Entschädigung für Frei- und Feiertage) der weitere Anspruch des Klägers durch Kompensation mit Freistellungstagen abgegolten sei, wobei das Nachklagerecht bezüglich des Lohnes pro Juni und Juli 1998 vorbehalten bleibe. Schliesslich bestätigte das Obergericht den erstinstanzlichen Entscheid hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung des Arbeitszeugnisses.
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Der Kläger hat Berufung eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
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aa) Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Diese Vorschrift wird als Grundregel der Beweislastverteilung im Privatrecht betrachtet. Daraus ergibt sich nach überwiegender Auffassung, dass grundsätzlich das Verhältnis der anwendbaren materiellen Normen für die Beweislastverteilung massgebend ist. Dieses Verhältnis bestimmt im Einzelfall, ob eine rechtsbegründende, rechtsaufhebende bzw. rechtsvernichtende oder rechtshindernde Tatsache zu beweisen ist (SCHMID, Basler Kommentar, N. 38 zu Art. 8 ZGB; KUMMER, Berner Kommentar, N. 125 zu Art. 8 ZGB). Wer einen Anspruch geltend macht, hat die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Demgegenüber liegt die Beweislast für die rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei, welche den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet (SCHMID, a.a.O., N. 42 und 56 zu Art. 8 ZGB; KUMMER, a.a.O., N. 146, 160 und 164 zu Art. 8 ZGB). Zu beachten ist allerdings, dass es sich um eine Grundregel handelt, die einerseits durch abweichende gesetzliche Beweislastvorschriften verdrängt werden kann und andererseits im Einzelfall zu konkretisieren ist (vgl. SCHMID, a.a.O., N. 39 zu Art. 8 ZGB; KUMMER, a.a.O., N. 131 zu Art. 8 ZGB).
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Nach der erwähnten Grundregel hat das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung zu beweisen, wer einen vertraglichen Anspruch erhebt. Das gilt auch für den Fall, dass die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten behauptet wird (vgl. BGE 113 II 424 E. 1d). Die Erfüllung der Vertragspflicht hat dagegen jene Partei zu beweisen, welche dies behauptet und damit den Untergang der vertraglichen ![]() | 8 |
bb) Die Ferien sind im Gesetz als vertraglicher Leistungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und nicht als blosse Einschränkung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers geregelt. Die Art. 329a bis 329d OR finden sich unter dem Kapitel "C. Pflichten des Arbeitgebers" (Randtitel zu den Art. 322 ff. OR). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber die Freizeit für die Ferien einschliesslich des Lohnes während dieser Zeit gewährt und überdies in gegenseitiger Absprache festgesetzt wird, wann die Ferien zu beziehen sind. Der Anspruch auf Ferien ist Ausfluss der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (vgl. VISCHER, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, III, Der Arbeitsvertrag, Basel 1994, S. 84). Mit der Anordnung der Ferien und der Arbeitsbefreiung sowie der Lohnzahlung während dieser Zeit erfüllt der Arbeitgeber seine vertraglichen Pflichten. Die Nichtgewährung der Ferien stellt somit die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung dar.
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Aus den einleitend erörterten Grundsätzen über die Verteilung der Beweislast ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Kläger sowohl die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Ferien wie auch ihr Entstehen durch die Dauer des Arbeitsverhältnisses beweisen musste. Demgegenüber trug die Beklagte die Beweislast dafür, dass und wie viele Ferientage während der massgebenden Zeit vom Kläger bezogen worden sind. Der Kläger wirft der Vorinstanz demnach zu Recht vor, die Beweislast falsch verteilt zu haben, indem sie ihn für beweispflichtig erklärte, dass ihm ein Anspruch auf Entschädigung für nicht bezogene Ferien zustehe. Die unzutreffende Auffassung der Vorinstanz hinsichtlich der Verteilung der Beweislast führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (vgl. unten E. 2b/bb).
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aa) Nach Lehre und Rechtsprechung schreibt das Bundesprivatrecht für seinen Anwendungsbereich ein bestimmtes Regelbeweismass vor. Danach gilt ein Beweis als erbracht, wenn der Richter von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Er muss nach objektiven Gesichtspunkten vom Vorliegen der Tatsache überzeugt sein. Die Verwirklichung der Tatsache braucht indessen nicht mit Sicherheit festzustehen, sondern es genügt, wenn allfällige Zweifel als unerheblich erscheinen. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn bloss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die behauptete Tatsache verwirklicht hat. Die Funktion des Regelbeweismasses besteht darin, dem materiellen Recht im Prozess zum Durchbruch zu verhelfen. Die Rechtsdurchsetzung darf nicht daran scheitern, dass zu hohe oder uneinheitliche Anforderungen an das Beweismass gestellt werden (vgl. zum Ganzen: BGE 118 II 235 E. 3c; BGE 98 II 231 E. 5; SCHMID, a.a.O., N. 17 zu Art. 8 ZGB; HOHL, Le degré de la preuve dans les procès au fond, in: Der Beweis im Zivilprozess, La preuve dans le procès civil, S. 127 ff., S. 137 f.; ISAAK MEIER, Das Beweismass - ein aktuelles Problem des schweizerischen Zivilprozessrechts, in: BJM 1989 S. 57 ff., S. 77 f.).
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Ausnahmen vom Regelbeweismass, in denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit oder ein blosses Glaubhaftmachen als ausreichend betrachtet wird, ergeben sich einerseits aus dem Gesetz selbst und sind andererseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden. Diesen Ausnahmen liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten. So kann es sich nach dem Gesetzgeber zum Beispiel im Fall des ![]() | 13 |
Bundesrecht steht somit der analogen Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR grundsätzlich nicht entgegen. Eine Herabsetzung des Beweismasses setzt indessen - entsprechend der Lehre und Rechtsprechung zu dieser Bestimmung - voraus, dass ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Herabsetzung des Beweismasses darf im Ergebnis nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen. Die beweispflichtige Partei hat alle Umstände, die für die Verwirklichung des behaupteten Sachverhalts ![]() | 14 |
bb) Im angefochtenen Urteil wird festgehalten, das Beweisverfahren habe keine genügende Grundlage ergeben, um den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ferienentschädigung im Umfang von rund drei Monaten gutzuheissen. Anderseits sei der Auffassung des Arbeitsgerichts insoweit beizupflichten, dass durch das Beweisverfahren immerhin erstellt sei, dass für den Kläger der reguläre Bezug der vertraglich zugesicherten Ferien mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger tatsächlich die ihm zustehenden Ferien nicht lückenlos bezogen habe. Da der genaue Umfang der nicht in natura bezogenen Ferien aus Beweisgründen nicht zuverlässig festgestellt werden könne, sei der dem Kläger zu vergütende Entschädigungsanspruch in analoger Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzen. Diese Schätzung, welche die Vorinstanz unter Würdigung der besonderen Verhältnisse des beurteilten Falles vornimmt, führt sie zum Ergebnis, dass der Kläger insgesamt vierzig Ferientage nicht bezogen habe.
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Das Vorgehen des Obergerichts ist unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts nicht zu beanstanden. Da ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich oder nicht zumutbar war, durfte das Beweismass auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt werden. Aus den Erwägungen des Obergerichts ergibt sich zudem, dass keiner der Parteien vorgeworfen werden kann, die prozessualen Obliegenheiten hinsichtlich Behauptung und Beweis des entscheiderheblichen Sachverhalts vernachlässigt zu haben. Die Voraussetzungen zur analogen Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR waren ![]() | 16 |
c) Das Obergericht hat für den Ferienlohn einen Tagessatz von Fr. 271.70 und damit für 40 Tage insgesamt Fr. 10'686.- errechnet. Richtigerweise ist es davon ausgegangen, dass der Anspruch nur auf den "darauf entfallenden Lohn" (Art. 329d Abs. 1 OR) geht, ohne dass ein Zuschlag von 25% nach Art. 321c Abs. 3 OR geschuldet ist. Wohl leistet ein Arbeitnehmer, der unter dem Jahr nicht alle Ferien bezieht, mehr, als er vertraglich müsste. Es handelt sich aber grundsätzlich nicht um Überstunden im Sinne von Art. 321c OR. Zwar legt der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien fest. Dem Arbeitnehmer steht aber ein Mitspracherecht zu. Die Mehrleistung des Arbeitnehmers ist insofern nicht als notwendige Überstundenleistung im Sinne des Gesetzes zu betrachten. Anders kann es sich allenfalls verhalten, wenn bereits vereinbarte Ferien wegen auftretender Zusatzarbeiten verschoben werden müssen oder wenn der Arbeitgeber in bestimmten Zeiten aus betrieblichen Gründen die Anwesenheit des Arbeitnehmers verlangt und dadurch den Bezug der Ferien vereitelt. Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das Obergericht hat demnach zu Recht entschieden, dass kein Zuschlag im Sinne von Art. 321c Abs. 3 OR geschuldet ist.
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Soweit sich der Kläger mit der Berufung gegen die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz wendet, ist er aus den im Zusammenhang mit dem Ferienanspruch aufgeführten Gründen (vorne E. 2b) nicht zu hören. Das Bundesgericht ist auch in dieser Hinsicht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden.
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b) Bezüglich der Entschädigung für nicht bezogene Feier- und Freitage stellt sich die Frage, ob es sich dabei um gewöhnliche Arbeitszeit oder um Überstunden handelt. Das Obergericht hat in analoger Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR geschätzt, dass es sich bei 55 von den hundert Tagen um Überstunden handelt. Der Kläger ![]() | 20 |
aa) Es trifft zu, dass zwischen der gesetzlichen Vorschrift über die Gewährung der Frei- und Feiertage (Art. 329 OR) und jener betreffend die Überstundenarbeit (Art. 321c OR) eine Verbindung besteht. Zu beachten ist aber, dass die Regelung über die Frei- und Feiertage in erster Linie die Frage des Zeitpunkts der Arbeitsleistung berührt und nicht die Frage des Umfangs der Arbeit. Art. 329 OR hält als Regel fest, dass neben den üblichen freien Stunden und Tagen jede Woche ein freier Tag zu gewähren ist. Aus dem Umstand, dass diese Regel nicht eingehalten worden ist, folgt jedoch nicht zwingend, dass im Vergleich zur vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit mehr Arbeit geleistet wurde. Noch weniger bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer eine entsprechende Mehrarbeit aus betrieblichen Gründen leisten musste oder diese als vom Arbeitgeber angeordnet oder gebilligt gelten würde. Das wird indessen vorausgesetzt, damit ein Lohnzuschlag gemäss Art. 321c Abs. 3 OR geschuldet ist (BGE 116 II 69 E. 4b). Die tatsächlichen Voraussetzungen, aus welchen der Anspruch auf den Lohnzuschlag abgeleitet wird, sind vom Arbeitnehmer zu beweisen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 16 zu Art. 321c OR; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 10 zu Art. 321c OR).
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bb) Das Obergericht ist aufgrund seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass insgesamt 55 Tage als betrieblich bedingte Mehrarbeit angesehen werden können, während es sich bei insgesamt 45 Tagen um bloss nicht bezogene Frei- und Ferientage handle. Es erachtet als erwiesen, dass hundert Tage Mehrarbeit geleistet worden sind und ein Teil davon, nicht aber die gesamte Anzahl, betrieblich notwendig bzw. von der Arbeitgeberin angeordnet oder gebilligt worden waren. Da ein genauer Beweis nicht möglich war, schätzte es aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Zahl der als Überstunden mit Zuschlag zu entschädigenden Mehrleistung. Dabei hat es berücksichtigt, dass gewisse Arbeiten nicht ins Pflichtenheft des Klägers gehörten. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, es sei von seiner Vorgesetzten Überzeit angeordnet worden, ist er nicht zu hören. Damit wendet er sich in unzulässiger Weise gegen den von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt.
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4. Der Kläger war seit 1. März 1998 freigestellt und hat - noch vor dem Ablauf der Kündigungsfrist Ende Juli - am 1. Juli 1998 ![]() | 23 |
Mit der Berufung wird eingewendet, das Obergericht habe die geltend gemachten Stellensuchbemühungen des Klägers während der Freistellungszeit nicht berücksichtigt, die einer Kompensation entgegenstünden. Sodann habe das Obergericht die anrechenbare Freistellungszeit nach Monaten statt nach Arbeitstagen berechnet; bei richtiger Berechnung sei eine Kompensation mangels ausreichender Freizeit nicht möglich.
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a) Vorweg stellt sich die von Amtes wegen zu prüfende Rechtsfrage, ob die Ferientage mit der freien Zeit während der Freistellung zu kompensieren sind, selbst wenn keine entsprechende Anweisung des Arbeitgebers erfolgt.
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aa) Zweck der Ferien ist die Erholung des Arbeitnehmers. Der Anspruch auf Ferien hat rechtlich eine Doppelnatur. Einerseits stellt er eine Forderung des Arbeitnehmers dar; andererseits ist er als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers anzusehen (VISCHER, a.a.O., S. 86). Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geld abgegolten werden (Art. 329d Abs. 2 OR), sondern sind tatsächlich zu beziehen. Der Durchsetzung des Erholungszwecks dient die Vorschrift, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Ferienlohn verliert, wenn er während der Ferienzeit einer entgeltlichen Arbeit nachgeht und dadurch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt werden (Art. 329d Abs. 3 OR). Diese beiden Vorschriften sind absolut zwingend (Art. 361 OR).
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Auch nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt grundsätzlich das Abgeltungsverbot. Es ist indessen im Einzelfall in Berücksichtigung der konkreten Umstände einzuschränken. So sind die Ferien nach Lehre und Rechtsprechung in Geld abzugelten, wenn deren Bezug in der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbleibenden Zeit nicht möglich oder zumutbar ist (BGE 106 II 152 ![]() | 27 |
bb) Zweck der Freistellung ist, den Arbeitnehmer von der Arbeit fernzuhalten (vgl. BGE 118 II 139 E. 1b S. 141). Die Freistellung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das vom Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts (Art. 321d Abs. 1 OR) ausgeübt wird (vgl. BLESI, a.a.O., S. 23 f. und S. 26 ff.). Der Arbeitgeber verzichtet in seinem eigenen Interesse auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Die Aufhebung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers hat indessen nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Alle übrigen Pflichten des Arbeitnehmers bleiben deshalb bestehen, soweit sie nicht unmittelbar mit der Erbringung der Arbeitsleistung zusammenhängen.
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In BGE 118 II 139 ff. ist die Frage beurteilt worden, ob sich der freigestellte Arbeitnehmer anderweitig verdienten Lohn auf seine Lohnforderung anrechnen lassen muss. Nach diesem Entscheid kommt Art. 337c Abs. 2 OR analog zur Anwendung, falls keine andere Vereinbarung getroffen wurde und auch die Umstände des Falles den Schluss nicht zulassen, es sei auf die Anrechnung verzichtet worden. Das Urteil ist in der Lehre überwiegend kritisiert worden. Die Einwände richteten sich zwar mehrheitlich nicht gegen das Ergebnis, wohl aber gegen die Begründung, soweit Art. 337c Abs. 2 OR für analog anwendbar erklärt wurde (vgl. die Nachweise bei BLESI, a.a.O., S. 158 ff. und MÜNCH, a.a.O., Rz. 1.46). Auf diese Kritik braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Sowohl Art. 337c Abs. 2 OR wie auch Art. 324 Abs. 2 OR, dessen Anwendung von den Kritikern befürwortet wird, liegt die Überlegung zu Grunde, dass sich der Arbeitnehmer nicht auf Kosten des Arbeitgebers bereichern darf, indem er ohne Arbeitsleistung vom Arbeitgeber Lohn erhält und gleichzeitig aus anderweitiger Arbeitstätigkeit ein zusätzliches Einkommen erzielt (vgl. STAEHELIN, a.a.O., N. 32 zu Art. 324 OR und N. 10 zu Art. 337c OR; MÜNCH, a.a.O., Rz. 1.46). Der Grundsatz, dass sich der Arbeitnehmer nicht auf diese Weise bereichern darf, muss für den freigestellten im Vergleich zum ![]() | 29 |
Beim ungerechtfertigt fristlos entlassenen Arbeitnehmer wird die Kompensation nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts lediglich von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass dem Arbeitnehmer ausreichend Zeit zum Bezug der Ferientage zur Verfügung steht, und zwar in der Regel mehr als zwei bis drei Monate (BGE 117 II 270 E. 3b S. 272 f.; 4C.250/1996 vom 21. Oktober 1996, E. 3b/cc, publ. in: SJ 1997 S. 149; 4C.182/2000 vom 9. Januar 2001, E. 3c). Eine Anweisung zum Ferienbezug durch den ehemaligen Arbeitgeber ist nach dieser Praxis nicht erforderlich. Das lässt sich allerdings mit der besonderen Rechts- und Sachlage bei der fristlosen Entlassung erklären. Mit der fristlosen Entlassung endet das Arbeitsverhältnis und damit auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers einerseits und die allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers andererseits, soweit sich die Treuepflicht nicht ausnahmsweise auch nach Vertragsende auswirken kann. Es ist somit fraglich, ob der Arbeitgeber berechtigt wäre, eine entsprechende Weisung zu erteilen, und ob sie vom Arbeitnehmer befolgt werden müsste. Dazu kommt, dass bei der fristlosen Entlassung das Arbeitsverhältnis auch nach der Vorstellung der beteiligten Personen tatsächlich beendet ist und die Kontakte in der Regel abgebrochen werden. Unter diesen Umständen wäre der Arbeitgeber aber mangels entsprechender Informationen oft nicht in der Lage, eine sinnvolle Anweisung zu erteilen.
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cc) Aus der Gegenüberstellung der gesetzlichen Ferienregelung einerseits und der Rechtsnatur der Freistellung andererseits sowie dem Vergleich mit dem Fall des fristlos entlassenen Arbeitnehmers ergibt sich, dass auch in der Zeit der Freistellung das Abgeltungsverbot im Vordergrund steht und der Arbeitnehmer aufgrund der nach wie vor bestehenden Treuepflicht die Interessen des Arbeitgebers ![]() | 31 |
b) Das Obergericht hat die Zeit von März bis Mai 1998 berücksichtigt und für diese Dauer 92 Freistellungstage errechnet. Der Kläger wendet zu Recht ein, dass lediglich mit den Arbeitstagen kompensiert werden dürfe, die nach seinen Angaben monatlich 21,75 betrugen. Auf der gleichen Grundlage beruhte denn auch die Berechnung des Arbeitsgerichts. Dieses hat auf eine anrechenbare Freistellungszeit von fünf Monaten (März bis Ende Juli 1998) abgestellt. Ob der Monat Juli mitgezählt werden darf, ist indessen fraglich, da der Kläger nach seinen Angaben auf den 1. Juli 1998 eine neue Teilzeit-Arbeitsstelle gefunden hat. Nicht einzusehen ist indessen, warum das Obergericht den Monat Juni nicht berücksichtigt hat. Der im angefochtenen Urteil erwähnte Umstand, dass der Lohn für den Monat Juni nicht ausbezahlt, aber auch nicht eingeklagt wurde, reicht jedenfalls als Begründung nicht aus. Wird aber auch der Monat Juni berücksichtigt, hatte der Kläger genügend Zeit, um neben der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle die noch offenen Ferientage mit Freizeit zu kompensieren. Damit erweist sich die Berufung auch in diesem Punkt als unbegründet.
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