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73. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. GmbH gegen Stadt Luzern (Berufung) |
4C.9/2002 vom 23. Juli 2002 | |
Regeste |
Art. 29 Abs. 2 ZGB; Namensschutz. Verwendung eines Städtenamens in einer Internet-Adresse durch eine Privatperson. |
Ist der Städtename als solcher, wie vorliegend der Name Luzern ohne den Zusatz "Stadt", für ein Gemeinwesen individualiserungs- und kennzeichnungskräftig, kann es ihn namensrechtlich für sich in Anspruch nehmen (E. 6). Es darf von einer Gemeinde grundsätzlich nicht verlangt werden, dass sie unter einer Internet-Adresse auftritt, in der ihrem Namen der Zusatz "Stadt" oder "Gemeinde" beigefügt ist (E. 7.2.3). |
Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Verwendung des Domain-Namens "luzern.ch" durch einen privaten Anbieter. Entscheidend ist die Beschaffenheit der Adresse als solche und nicht der Inhalt und die Gestaltung des damit bezeichneten Web-Sites (E. 7.2.2). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Als die Stadt Luzern (Klägerin) im Jahre 1999 ihren Internetauftritt vorbereitete, stellte sie fest, dass der erwähnte Domain-Name bereits von der Beklagten besetzt war. Sie wandte sich am 10. Februar 1999 an die Beklagte und verlangte, dass diese ihr die Internet-Adresse "luzern.ch" unentgeltlich abtrete (Art. 64 Abs. 2 OG). Die Beklagte lehnte dieses Begehren ab.
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B.- Am 23./28. September 1999 gelangte die Klägerin an das Amtsgericht Luzern-Stadt.
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Dieses verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 4. Dezember 2000, sämtliche Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um den Domain-Namen "www.luzern.ch" entschädigungslos auf die Klägerin zu übertragen, unter Androhung von Ungehorsamsstrafe für den Widerhandlungsfall. Das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte dieses Urteil am 13. November 2001 unter Abweisung der von der Beklagten dagegen erhobenen Appellation.
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C.- Die Beklagte führt mit Eingabe vom 4. Januar 2002 eidgenössische Berufung. Sie stellt den Hauptantrag, das Urteil des Obergerichts vom 13. November 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: | |
5. Nach Art. 29 Abs. 2 ZGB kann, wer dadurch beeinträchtigt wird, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, auf Unterlassung ![]() | 7 |
Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich zu umschreiben (BGE 127 III 33 E. 4, 160 E. 2a S. 165, je mit Hinweis). Massgebend ist, ob mit der Verwendung eines ähnlichen oder gleichlautenden Namens für einen Internet-Site durch einen schlechter Berechtigten die Gefahr von Fehlzurechnungen des Sites geschaffen wird, d.h. einer Fehlidentifikation der hinter dem Site stehenden Person, oder dass falsche Zuammenhänge vermutet werden. Es genügt dabei auch die Gefahr einer bloss vorläufigen Fehlzurechnung, mit der Folge, dass es zu ungewollten Zugriffen auf den Site durch Personen kommt, welche die Homepage des berechtigten Namensträgers besuchen wollten. Dabei hängt die Gefahr von Fehlzurechnungen von den gesamten Umständen ab, unter denen die Adressaten ![]() | 8 |
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Diese Vorbringen sind unbegründet. Anders als etwa der Begriff "Berner Oberland", der eine gemeinfreie geographische Bezeichnung darstellt (vgl. BGE 126 III 239 E. 3b S. 245), individualisiert das Wort "luzern" eine altbekannte öffentliche Körperschaft, die Stadt Luzern. Der Ansicht der Beklagten, die Internet-Benutzer könnten beim Begriff "Luzern" ebenso gut an den Kanton Luzern oder den Verkehrsverein Luzern denken, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere enthalten die Bezeichnungen von Organisationen, die mit der Förderung des Tourismus in einer Stadt betraut sind, den Namen der entsprechenden Stadt offensichtlich, um auf ihr Tätigkeitsfeld hinzuweisen, das eben diese Stadt beschlägt. Was die behauptete Gleichnamigkeit zum Kanton Luzern angeht, ist zu bedenken, dass sich der Stand Luzern, der 1332 der Eidgenossenschaft beitrat, in der damaligen Epoche auf das Gebiet beschränkte, das unmittelbar um die gleichnamige Ortschaft lag. Diese war um die Mitte des 8. Jahrhunderts gegründet worden und hatte sich bis zum 12. Jahrhundert zu einer ![]() | 10 |
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7.1 Die Beklagte bestreitet, dass sie mit der Verwendung des Wortes "luzern" als Second-Level-Domain-Name insofern eine Verwechslungsgefahr geschaffen habe, als die Internet-Benutzer den Internet-Site der Beklagten für denjenigen der Klägerin halten könnten oder bei der Suche nach dem Site der Klägerin auf denjenigen der Beklagten stossen könnten. Ein durchschnittlicher Internet-Benutzer erwarte unter dem Domain-Namen "www.luzern.ch" keine amtlichen, sondern touristische Informationen. Die Klägerin sei jedoch selber gar nicht im Fremdenverkehrsbereich tätig. Entsprechende Aktivitäten würden in Luzern durch den Verkehrsverein wahrgenommen. Die Internet-Sites der Klägerin und der Beklagten beschlügen zudem völlig unterschiedliche Bereiche. Auf dem Site der Beklagten fänden sich keine behördlichen Informationen oder Immobilien-Angebote, ![]() | 12 |
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7.2.1 In der "heidelberg.de"-genannten Streitsache publizierte ein privates, im Bereich der Informationstechnologie, Softwareentwicklung und Beratung tätiges Unternehmen unter dem genannten Domain-Namen Informationen über die Region Rhein-Neckar im Internet. Darauf klagte die Stadt Heidelberg gegen das Unternehmen, um diesem verbieten zu lassen, die Adresse "heidelberg.de" weiterhin zu benutzen. Das Unternehmen machte dagegen insbesondere geltend, die Stadt Heidelberg habe keinen ausschliesslichen Anspruch auf die Adresse "heidelberg.de", da es in Deutschland noch zwei weitere Orte und rund 400 Familien dieses Namens gebe. Sie könne ihre geringen ideellen und wirtschaftlichen Interessen wahrnehmen, indem sie ihre Domain in leicht abgeänderter Form registrieren lasse, z.B. unter "stadt-heidelberg.de". Das Landgericht Mannheim erkannte mit Urteil vom 8. März 1996, dass die Beklagte mit der Verwendung des Namens der Stadt Heidelberg als Internet-Adresse eine Verwechslungsgefahr geschaffen habe. Der durchschnittliche Internet-Benutzer erwarte unter der strittigen Adresse nicht bloss Informationen über, sondern auch von der Stadt Heidelberg. Da die Beklagte keinerlei Rechte an der Bezeichnung "Heidelberg" hatte, bestand kein Raum für einen Interessenausgleich, insbesondere im Sinn, dass die Klägerin sich mit einem geringfügig abgeänderten Domain-Namen hätte begnügen müssen. Die Stadt Heidelberg drang somit mit ihrem Rechtsbegehren gestützt auf ihr Namensrecht durch (vgl. dazu ROLF H. WEBER, E-Commerce und Recht, Zürich 2001, S. 156 f. mit Hinweis). Die vom Landgericht ![]() | 14 |
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Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit der Registrierung des Domain-Namens "luzern.ch" zweifellos eine Verwechslungsgefahr mit der Stadt Luzern geschaffen, die einen sehr grossen Bekanntheitsgrad im In- und Ausland geniesst. Luzern ist nicht nur eine sehr alte Ortschaft, die zur Zeit der Helvetischen Republik Hauptstadt der Schweiz war und heute Hauptstadt des Kantons Luzern ist. Die Stadt bietet auch zahlreiche alte Sehenswürdigkeiten und ein Verkehrsmuseum von grosser Bekanntheit. Luzern ist sodann der Sitz der obersten Gerichtsbarkeit der Schweiz im Bereich Sozialversicherungsrecht. Der durchschnittliche Internet-Benutzer erwartet deshalb auf den Internet-Site der Klägerin zu gelangen, wenn er in seinem Computer die Adresse "www.luzern.ch" eingibt. Er vermutet ![]() ![]() | 16 |
Indem die Beklagte den Namen der Klägerin in der Adresse ihres Internet-Sites verwendet, nutzt sie deren grosse Bekanntheit aus, um Internet-Nutzer, die offizielle Informationen über die Stadt Luzern suchen, auf ihren Internet-Site zu ziehen. Die Vorinstanz hat eine Verwechslungsgefahr in diesem Zusammenhang zu Recht bejaht. Dieses Ergebnis wird auch durch die Feststellungen der Vorinstanz erhärtet, wonach sich Internet-Benutzer in einigen Fällen tatsächlich getäuscht und geglaubt haben, der Site "luzern.ch" werde von der Klägerin betrieben (vgl. dazu BGE 82 II 346 E. 2b S. 353).
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Am Ergebnis ändert es nichts, dass die Beklagte auf der Homepage darauf hinweist, es handle sich nicht um den offiziellen Site der Klägerin, und dass sie einen "link" zum Site der Klägerin eingerichtet hat. Dies gilt unabhängig von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach der auf der Homepage angebrachte Hinweis zwar rot geschrieben sei, jedoch nicht in markanter Grösse erscheine und sich nicht besonders gut vom blauen Hintergrund abhebe. Das Bundesgericht hat die Frage, inwiefern einer Verwechslungsgefahr durch besondere Gestaltung eines Web-Sites begegnet werden könne, in BGE 126 III 239 E. 3c offen gelassen. Ein Teil der schweizerischen Doktrin vertritt dazu die Auffassung, dass durch die Verwendung des Namens einer öffentlichen Körperschaft als Domain-Name keine Verwechslungsgefahr geschaffen wird, wenn der Inhalt des Internet-Site keinerlei Zusammenhang mit dem Träger des Namens aufweist, so dass die Benutzer nicht in den Glauben versetzt werden, der Site werde vom Namensträger betrieben, und keine unerwünschten Assoziationen zu Lasten des Namensträgers ausgelöst werden (vgl. UELI BURI, Die Verwechselbarkeit von Internet Domain Names, Diss. Bern 1999, S. 55 und 121 ff., 125; derselbe, Übersicht über die Rechtsprechung im Bereich Informatik und Recht, in: Tagung 2000 für Informatik [und] Recht, Bern 2001, S. 188 f.; ROLF H. WEBER/ROLAND UNTERNÄHRER, Unlautere Verwendung von Domain-Namen, in: SZW 2000 S. 262). Dieser Ansicht ist indessen nicht beizupflichten. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die von einer registrierten Internet-Adresse ausgeht, ist nicht der Inhalt oder die Gestaltung des damit bezeichneten Internet-Sites entscheidend, sondern die Beschaffenheit der Adresse, die den Zugriff auf den Site erlaubt, als solche. Eine Verwechslungsgefahr ![]() | 18 |
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Von besonderen, wie den vorstehend dargestellten Fällen "Winterthur" und "Zuerich" abgesehen, darf von einer Gemeinde grundsätzlich nicht verlangt werden, dass sie im Internet mit einem Second-Level-Domain-Name auftritt, in dem ihrem Namen der Zusatz "Stadt" vorangestellt ist. Die Städte sind in den meisten Fällen ausschliesslich unter ihrem kennzeichnungskräftigen Namen bekannt, weshalb der Internet-Benutzer erwarten darf, den ihnen gewidmeten Site unter diesem Namen zu finden, ohne dass er Zusätze beizufügen braucht (vgl. dazu JANN SIX, a.a.O., Rz. 136 und 173). In einer Interessenabwägung wäre daher wohl auch das Interesse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, dass Informationen, die unter einem blossen Städtenamen publiziert werden, auch tatsächlich von der entsprechenden Körperschaft selber stammen. Da die Beklagte für ihren Gebrauch des Wortes "luzern" indessen keinerlei namensrechtlichen Schutz beanspruchen kann, mit dem der ![]() | 20 |
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