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80. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Paris Première SA gegen Hachette Filipacchi Presse SA (Berufung) |
4C.157/2002 vom 29. August 2002 | |
Regeste |
Markenrecht; Zeichen des Gemeingutes (Art. 2 lit. a MSchG). |
Verwechslungsgefahr und Verkehrsdurchsetzung einer Marke (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Die Paris Première SA (Beklagte) betreibt seit 1986 einen französischen Fernsehsender. Die Beklagte ist Inhaberin der IR-Marke Nr. 690'780 PARIS (darunter) PREMIERE (Schriftzüge in rotem bzw. schwarzem Balken), die in Frankreich am 2. Dezember 1997 hinterlegt wurde. In der Schweiz wurde der Marke der Schutz am 4. Mai 1999 provisorisch verweigert, dann aber vom IGE mit Entscheid vom 27. Juli 2000 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 definitiv gewährt.
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B.- Mit Klage vom 24. Januar 2001 beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Bern, der schweizerische Anteil der IR-Marke Nr. 690'780 sei nichtig zu erklären und das Nichtigkeitsurteil sei dem Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum gestützt auf Art. 54 des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG; SR 232.11) von Amtes wegen mitzuteilen. Mit Urteil vom 19. März 2002 hat das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage gutgeheissen.
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C.- Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Bundesgericht hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
1.1 Die Vorinstanz hat zunächst den Nichtigkeitseinwand der Beklagten verworfen, wonach das klägerische Zeichen PREMIERE als Hinweis auf die Qualität der in den Zeitschriften besprochenen ![]() | 5 |
- etwas Erstmaliges oder Vorrangiges,
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- etwas Zuerstkommendes, wie z.B. das erste Fernsehprogramm,
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- Lehrmaterial, das für Erstklässler bestimmt sei.
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Der Zeitschriftentitel Première bedeute nicht, dass nur über Erstaufführungen berichtet werde, was tatsächlich beschreibend wäre. Er bedeute vielmehr, dass aus dem Gegenstand der Berichterstattung ein Teil herausgegriffen werde, um damit schlagwortartig in einem übertragenen Sinne über den breiteren Inhalt des Filmangebotes etwas auszusagen. Weil die Bezeichnung Première verschiedene Assoziationen wecke, sei sie fantasiehaft und nicht beschreibend. Sie könne auch nicht als geläufige Anpreisung verstanden werden, die freihaltebedürftig wäre. In den relevanten Klassen (38, 41 und 42) habe das IGE die klägerische Marke im Übrigen als durchgesetzte Marke eingetragen, wobei auch Indizien dafür bestünden, dass die Bezeichnung PREMIERE in der Schweiz seit 1984 als Titel für die gleichnamige Zeitschrift gebraucht werde. Die Verkehrsdurchsetzung brauche jedoch nicht geprüft zu werden, da PREMIERE nicht zum Gemeingut gehöre.
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1.5 Gemäss Art. 2 lit. a MSchG sind Zeichen, die Gemeingut sind, vom Markenschutz ausgeschlossen, sofern sie sich nicht im Verkehr als Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben. Als Gemeingut gelten nach ständiger Praxis Hinweise auf Eigenschaften, die Beschaffenheit, die Zusammensetzung, die Zweckbestimmung oder die Wirkung der Ware oder Dienstleistung, welche die Marke kennzeichnet. Dass die Marke Gedankenassoziationen weckt oder Anspielungen enthält, die nur entfernt auf die Ware oder Dienstleistung hindeuten, reicht freilich nicht aus, sie zur Beschaffenheitsangabe werden zu lassen. Der gedankliche ![]() | 13 |
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Der Markenadressat, dem die Bedeutung eines als Substantiv verwendeten Wortes im Verwendungszusammenhang ins Auge springt, wird sich kaum dadurch beunruhigen lassen, dass dasselbe Wort, als Adjektiv verwendet, eine andere Bedeutung haben kann. Diese andere Bedeutung lässt sich solange nicht zuverlässig ermitteln, als das Adjektiv in Alleinstellung verwendet wird, was hier nicht der Fall ist. Das weist wiederum darauf hin, dass die - sofort erkennbare - Bedeutung des als Substantiv verwendeten Wortes für den Adressaten die massgebende sein soll. Nicht jedes Wort, das mit wechselnder Bedeutung sowohl als Substantiv wie auch als Adjektiv verwendet werden kann, ist schutzfähig, weil es verschiedene Assoziationen hervorruft und daher fantasiehaft ist, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf MARBACH (a.a.O., S. 44) dartut. Ergibt sich aus dem Verwendungszusammenhang unschwer die Absicht, ein Wort als Substantiv mit nahe liegender Bedeutung zu verwenden, kann unbeachtet bleiben, welche Assoziationen dieses Wort bei seiner Verwendung als Adjektiv sonst noch hervorrufen könnte. Jedenfalls dürfen Wörter, die mit wechselnder Bedeutung sowohl als Substantiv wie auch als Adjektiv verwendet werden können, nicht ohne Beachtung des Verwendungszusammenhanges dem Gemeingut entzogen werden.
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Weil das klägerische Zeichen zum Gemeingut gehört und insoweit vom Markenschutz ausgeschlossen ist, hat das IGE der klägerischen Marke den Schutz nur als im Verkehr durchgesetzte Marke im Sinne von Art. 2 lit. a MSchG gewährt. Die Vorinstanz hat indessen ausdrücklich offen gelassen, ob das IGE zu Recht eine Verkehrsdurchsetzung in der Schweiz angenommen hat. Sie hat zwar Indizien angeführt, die für eine Verkehrsdurchsetzung sprechen, die Frage aber letzten Endes nicht entschieden. Daran ändert nichts, dass die Klägerin in der Berufungsanwort behauptet, es sei bereits aus prozessualen Gründen von einer Verkehrsdurchsetzung auszugehen. So oder anders kann das Bundesgericht die Frage der Verkehrsdurchsetzung nicht selbst prüfen, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden muss.
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2. Die Vorinstanz hat die Verwechslungsgefahr der Streitzeichen bejaht, indem sie Markenähnlichkeit sowie Waren- und Dienstleistungsgleichartigkeit angenommen hat. Für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist sie davon ausgegangen, bei der klägerischen Marke handle es sich um eine normale Marke, weder um ein besonders starkes noch um ein besonders schwaches Zeichen. Die Kennzeichnungskraft der Marke sei ein wenig geschwächt dadurch, dass PREMIERE nicht sehr fantasievoll sei und bei der Verwendung für gewisse Waren und Dienstleistungen Rückschlüsse zulassen könne. Zu beachten ist, dass Marken, die sich eng an Sachbegriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs anlehnen, als schwach gelten. Stark sind demgegenüber Marken, die entweder aufgrund ihres fantasiehaften Gehalts auffallen oder aber sich im Verkehr durchgesetzt haben (BGE 122 III 382 E. 2a S. 385; BGE 127 III 160 E. 2b/cc S. 168). Über die Frage der Verwechselbarkeit kann daher nur entschieden werden, wenn vorgängig geprüft wird, ob sich das Zeichen der Klägerin im Verkehr durchgesetzt hat, weshalb die Streitsache auch aus diesem Grunde an die Vorinstanz zurückzuweisen ist.
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